47 | Perfektion

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Völlig schief, mit quietschenden Reifen und durchflutet von Panik, parke ich meinen Wagen quer in Rejas kleiner Einfahrt. Auf der Veranda brennt ein Licht, ebenso sind die Fenster im Erdgeschoss hell erleuchtet. Schatten huschen durchs Innere und ich höre Dot hin und wieder bellen. Erst jetzt fällt mir ein, dass ich an Bucket seit dem gestrigen Abend keinen Gedanken verschwendet habe. Ich gehe zur Haustür, unterdessen schreibe ich Julia eine schnelle Nachricht, um mich bei ihr zu entschuldigen. Natürlich weiß ich, wie gern Julia Bucket hat und dass es für sie nicht direkt ein Problem ist. Trotzdem hätte ich ihr schon gestern Abend Bescheid sagen müssen, dass ich nicht nach Hause kommen und Bucket abholen werde. Eigentlich hätte ich spätestens heute Morgen mit einer Nachricht von ihr gerechnet. Kopfschüttelnd verstaue ich das Handy wieder in meiner Hosentasche und klopfe im nächsten Augenblick gegen das Holz von Rejas Haustür. Anders als erwartet, öffnet nicht Reja die Tür, sondern Jax. Ihre Freundin sieht zunächst ziemlich wütend aus, als sie mich allerdings erkannt hat, lächelt sie sanft und macht mir Platz.

»Adam hat gesagt, du würdest kommen«, sagt sie leise und runzelt die Stirn. Langsam schlüpfe ich aus meinen Schuhen und richte mich wieder auf. Jax' Augen schimmern verdächtig, weshalb ich die Arme vor der Brust verschränke.

»Was ist passiert?« Meine Frage sorgt für ein noch stärkeres Stirnrunzeln.

»Lass es sie selbst erzählen. Darüber zu reden, wird besser sein, als wenn du es von mir hörst. Sie sollte es loswerden können. Komm rein«, antworte Jax und winkt mich hinter sich her ins Wohnzimmer. »Möchtest du was trinken?« Meine Augen scannen jeden Winkel bis ich Reja entdeckt habe. Mit einer der Decken um ihre Schultern, welche wir gestern über unsere verschlungenen Körper gezogen haben, sitzt sie auf ihrem Sessel. Er ist zum Fenster ausgerichtet und ihr Blick hängt im Garten. Direkt neben ihr sitzt Dot, sein Kopf ruht auf ihren Beinen und sie krault ihn mit einer Hand geistesabwesend. Reja hat ihren Arm um ihre Knie geschlungen, ihr Kopf ruht darauf. Die leichten Sonnenstrahlen, welche sich durch die dichte Wolkendecke schieben, lassen die Tränen auf ihren Wangen funkeln wie Diamanten.

»Ich brauche nichts, danke«, antworte ich Jax leise. Die hübsche Brünette lächelt mich an und nickt verstehend.

»Dann werde ich euch mal alleine lassen.« Damit verschwindet Jax in der Küche. Einige Sekunden später höre ich die Kaffeemaschine. Zeitgleich mit dem leisen Gluckern gehe ich auf Reja zu. Langsam lasse ich mich vor ihr in die Hocke sinken und blicke in ihr Gesicht. Ihr sonst so fröhliches Gesicht ist rötlich und nass. Ungehalten laufen Tränen aus ihren Augen, tropfen ihren Wimpernkranz hinunter und benässen ihre Wangen. Sie sieht erschöpft aus, müde und ausgelaugt.

»Mon amour«, begrüße ich sie leise. Reja blinzelt und senkt ihren Blick in mein Gesicht, als hätte sie mich überhaupt nicht wahrgenommen. Ein sachtes Lächeln umspielt ihr Lippen, gefolgt von überlaufenden salzigen Tränen. »Non. Non, non, non, mon amour. Qu'est-ce qui se passe? Was stimmt nicht? Warum weinst du?« Eilig umschließe ich ihre Wangen, wische die Tränen mit meinen Daumen auf und sehe tief in ihre wundervollen Augen. Der Ozean aus Tränen erschreckt mich. Nicht zu wissen, was los ist, erschreckt mich allerdings noch deutlich mehr.

»Ich ... Es ist nichts ...«, stottert sie. Langsam lege ich den Kopf schief, mustere jede Regung in ihrem Gesicht und sehe augenblicklich, als Reja meinem Blick ausweicht, dass sie mich belügt.

»Sag mir die Wahrheit, mon amour«, fordere ich sie auf und greife nach ihren Knien. Umständlich wuchte ich sie von einem Platz auf dem Sessel, nehme selbst dort Platz und hebe sie auf meinen Schoß. Postwendend vergräbt sie ihr Gesicht an meiner Schulter, klammert sich in den Stoff meines Pullovers und beginnt laut zu schluchzen. Beruhigend kraule ich über ihren Rücken, behalte Dot im Auge, weil er mich ebenso prüfend anblickt. Es scheint, als würde er sich ebenso große Sorgen um seine Besitzerin machen. »Wenn du so weit bist, höre ich dir zu.« Sanft hauche ich einen Kuss auf ihren Scheitel und warte. Ich warte lange. Ich warte, bis Reja sich einigermaßen beruhigt hat und auch noch, als Jax zwei Tassen Kaffee auf den Couchtisch stellt, bevor sie das Haus verlässt. Meine Geduld kennt keine Grenze, deshalb unterlasse ich auch jede Frage, jedes Wort.

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