17 | Vertrauen

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Wir verlassen den kleinen, privaten Pfad und steuern wieder das weitläufige Feld an. Die Sonne steht hoch und auch wenn sie längst nicht ihre volle Kraft entfaltet, wird mir in meiner Steppjacke mächtig warm. Selbstverständlich ist auch der hinreißende Mann an meiner Seite nicht unschuldig an dem warmen Gefühl in meiner Bauchgegend.

»Dein Bruder heißt also Devon, ja?«, knüpfe ich wieder an das Thema an und schenke ihm ein hilfloses Lächeln. Innerlich bete ich, er versteht mein stummes Flehen und falls nicht, springt er vielleicht trotzdem auf das Ablenkungsmanöver an.

»Korrekt«, sagt er nur kurz und presst seine Lippen aufeinander. Er will offensichtlich nicht über seine Familie sprechen, Reja, also lass es gut sein. Leider ist meine innere Stimme viel schlauer als ich und trotzdem nicht durchsetzungsstärker.

Denn ich öffne bereits den Mund und frage vorlaut: »Und weshalb habt ihr keine gute Beziehung?«

Verwundert sieht Davis mich an, legt seinen Kopf schief und schüttelt ihn schließlich. »Wir verstehen uns großartig. Wie kommst du darauf, wir hätten keine gute Beziehung?«

»Du hast gesagt, ihr seid charakterlich total verschieden«, versuche ich mich zu retten. Als seine braun-grünen Augen wieder in meine schauen, sehe ich meinen Rettungsring in der stürmischen See davon treiben. Verdammt.

»Sind wir allerdings. Trotzdem liebe ich meinen Bruder mit all seinen Macken und würde niemals jemanden schlecht über ihn sprechen lassen. Die Familie ist wichtig. Sie ist das Erste, was ein Mensch im Leben vorfindet, das Letzte, wonach man die Hand ausstreckt und das Kostbarste was man im Leben besitzen kann«, sagt er. In seinen Augen wird das Licht so kraftvoll reflektiert, dass ich annehme Tränen in seinen Augen zu entdecken, jedoch blinzelt er zu schnell, als dass ich mich vergewissern kann. »Wir sind Brüder. Wir streiten uns, haben uns als Kinder die Köpfe eingeschlagen und ich heiße nicht jede seiner Entscheidungen gut, trotzdem habe ich eine gute Beziehung zu ihm, schätze ich. Devon ist mir in keinerlei Hinsicht ähnlich.« Davis zuckt die Schultern, wirft einen prüfenden Blick über die Schulter, vergewissert sich, wo die Hunde stecken und richtet den Blick wieder nach vorne.

»Hast du Geschwister?«, fragt er und ich zucke die Schultern.

»Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Meine Eltern haben mich in ein Heim gesteckt, da bin ich ungefähr vier gewesen. Ich kann mich weder an sie noch ein mein vorheriges Leben erinnert. Für mich gab es nur die Betreuer im Heim, denn obwohl ich gewöhnlich nur in die Betreuung dort gegangen bin, haben meine Eltern mich nicht mehr abgeholt«, gestehe ich. Mein Mund trocknet aus, als er mich erschrocken anblickt, weshalb ich hastig ein Lachen hervor drücke. »Es ist okay. Seitdem ich denken kann, rede ich mir ein, sie hatten einen fürchterlichen Unfall und niemand war in der Lage sie zu identifizieren. Oder ich glaube, sie sind noch jung gewesen und wollten mir ein besseres Leben ermöglichen. Ich weiß es nicht, aber trotzdem geht es mir gut. Ich hatte keine fürchterliche Kindheit oder leide an traumatisch bedingten Neurosen oder Attacken. Womöglich ist es sogar das Beste gewesen, was sie für mich tun konnten.«

»Das tut mir leid, Reja«, sagt er leise und seine Hand gleitet Federleicht über meinen Arm. »Dennoch bist du stark und das ist bewundernswert.«

»Ich finde es nicht schlimm, offen gestanden. Oftmals frage ich mich, was wohl aus mir geworden wäre, wenn ich bei ihnen aufgewachsen wäre. Vielleicht wäre ich unglücklich oder total verkorkst. Womöglich hätte ich niemals das Leben geführt, niemals die Ziele erreicht und gesetzt welche ich verfolge, wenn ich ein ›normales‹ Leben, wie all die anderen Kindern geführt hätte. Durch das Leben im Heim habe ich gelernt, was Bescheidenheit ist und wie klein die Dinge sein können, welche wir schätzen. Es hat mir viel gegeben, verstehst du?« Der junge Sheriff neben mir nickt und kaut grübelnd auf seiner Lippe herum. Mitleid spiegelt sich in seinem Verhalten und ich bleibe stehen, greife nach seinem Arm. Langsam hebt der Blick in meine Augen, begegnet meinem Lächeln und der Selbstsicherheit.

Die Gesetze deiner Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt