3 | Zickig

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Auch am Montagmorgen, als ich mich auf den Weg in den Sender mache, ist Dot noch nicht wieder zu Hause aufgetaucht. Meine Augen sind geschwollen vom unterdrückten Weinen, meine Nase ist zu und um mein Körpergefühl ist es auch nicht besser bestellt. Es fühlt sich an, als würde ich einen heftigen Kater, gepaart mit der schweren Grippe ausbrüten.

»Morgen Reja«, ruft mein Chef durch den Eingangsbereich. Sein fröhliches Winken verfinstert meine Miene und er runzelt die Stirn. Womöglich ist es schon eine Weile her, dass er mich schlecht gelaunt erlebt hat. »Wo steckt Dot?« Natürlich fällt Jackson sofort auf, dass mein Hund nicht freudig durch den Sender läuft, um die Angestellten zu begrüßen.

»Meinst du ich würde so aussehen, wenn ich einen blassen Schimmer hätte?« Ich fauche wie eine wütende Katze und Jackson zuckt überrascht zurück.

»Oh verdammt. Wann ist er abgehauen?«

»Samstagnacht. Ich suche seitdem nach ihm, aber niemand hat ihn gesehen.« Schniefend verstaue ich meine Handtasche in dem Fach unter meinem Schreibtisch und schalte den Computer an. Bis ich auf Sendung muss habe ich noch Zeit und ich möchte sie nutzen, um das Internet nach Fundanzeigen zu durchsuchen.

»Wenn du möchtest, kannst du im ersten Block vor der Werbung einen Aufruf starten. Schick mir ein Bild von ihm und ich setze ihn in unsere Instagram-Story. Sicherlich finden wir den kleinen Racker wieder.« Jacksons Vorschlag bringt mich zum Lächeln.

»Danke Jackson, das wäre fabelhaft«, antworte ich und wische vorsichtig unter meinen Augen entlang. Selbst als Dot beim Tierarzt gewesen ist, sind wir nicht so lange getrennt gewesen. Zwar wohnt dieses verrückte Wollknäuel erst ein Jahr bei mir, trotzdem kann ich mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals und ich drücke die Tränen zurück. Heftig pulsieren meine Augenlider, als ich auf jedes einen Zeigefinger presse.

»Meeting in zehn Minuten«, flüstert Ruby über die Trennwand und ich hebe den Kopf. Ihre großen Augen scheinen geradewegs in meine Seele zu schauen. Heute hat sie ihre hellbraunen Haare zu einer aufwendigen Hochsteckfrisur frisiert. Neidisch betrachte ich kurz ihr wunderbar geschminktes Gesicht und ihren Aufzug, während aus ihren Augen die Empathie sprüht. Oftmals frage ich mich, ob sie irgendwo zu Hause eine Stylistin gefangen hält. Mitfühlend sieht Ruby mich an.

Natürlich weiß meine Freundin Schrägstrich Arbeitskollegin längst Bescheid, denn auch ihr habe ich Samstagnacht eine verzweifelte Nachricht geschickt. Selbstverständlich hat Ruby Clair es sich nicht nehmen lassen, ihre zweiundfünfzig Tausend Follower auf Instagram über das Entlaufen meines Hundes aufzuklären. Leider sind unter den Nachrichten keine brauchbaren Informationen gewesen. Die Mehrheit hat nach der Rasse gefragt, beteuert wie süß Dot ist und Mitleidsbekundungen verfasst.

»Schon was Neues?«

»Nein. Ich habe schon versucht im Tierheim anzurufen, allerdings sind sie offenbar vor zehn Uhr nicht erreichbar.« Der letzte Teil des Satzes verlässt überaus zickig meine Lippen. Die Sorge um Dot steigert die schlechte Laune von Sekunde zu Sekunde.

»Vielleicht lenkt es dich ab, wenn ich dir sage, dass heute ein Feuerwehrmann herkommt. Die Brandmeldeanlage wird kontrolliert und gewartet«, verkündet sie und klatscht begeistert in die Hände. An jedem anderen Montag würde mich diese Entwicklung erheitern, heute lässt es mich kalt. Mit einem gequälten Lächeln senke ich den Blick wieder auf meinen Bildschirm. Zahlreiche Mails befinden sich in meinem Postfach, aber ich überfliege sie nur schnell. Solange es keine Neuigkeiten zu Dot gibt, will ich sie überhaupt nicht genauer lesen müssen. Erschöpft und mit schmerzenden Nacken, lasse ich mein Kinn auf meine Hand sinken und scrolle über den Bildschirm.

Zehn Minuten später gibt es noch immer nichts Neues und meine Laune ist auf ihrem Tiefpunkt angelangt. Ruby klopft gegen meine Trennwand und ich schnappe mir meinen Block, Stift und Kalender. Wie immer sieht meine Kollegin Weltklasse aus. Ihre kurvigen Hüften stecken in einem enganliegenden Bleistiftrock, welcher bei mir verboten aussehen würde, Ruby aber elegant erscheinen lässt. Dazu trägt sie eine lockere weiße Bluse mit einem Rüschen besetzten Kragen und eine überdimensionale goldene Kette, die mich an Caroline aus ›Two Broke Girls‹ erinnert.

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