26 | Familientag

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Fünfzehn Minuten vom Stadtkern über eine weitläufige Landstraße und an unzähligen Feldern auf denen Getreide wächst vorbei und in die Richtung des Pine-Mount fahrend, befindet sich das Anwesen meiner Eltern. Ein zehn Meter hohes Bronzetor schneidet ihren von Pferdekoppeln und Felder umrundeten Grund und Boden von der Außenwelt ab. Martinez sitzt mit einer großen Zeitung in seinem Wachhäuschen und knickt prüfend eine Ecke um, als er meinen Wagen auf das Tor zurollen sieht.

»Davis, was für eine nette Überraschung. Ich habe Sie lange nicht mehr gesehen«, grüßt er freundlich und tippt sich an den grauen Hut. Seitdem ich denken kann, arbeitet Ralf Martinez für meine Familie und trägt die gleiche verblichene Arbeitshose, das gleiche grünlich schimmernde Shirt und diesen fragwürdigen Hut. Meinen Namen spricht er stets mit ein übertriebenen ›E‹ aus, obwohl darin dieser Buchstabe nicht vorkommt. Aus seinem Mund hört sich mein Name eher wie ›Devis‹ an, wobei er Devon mit einem ›A‹ ausspricht.

»Hey Martinez. Ein spontaner Besuch«, kläre ich ihn auf. Allerdings hört er mir längst nicht mehr zu. Schnaubend stopft er die Zeitung in seine Hosentasche, stampft auf das Tor zu und öffnet die riesigen Türen für mich zur Durchfahrt. Als mein Wagen an ihm vorbeirollt, hebe ich die Hand und nicke ihm freundlich zu. Auf der Rückbank gibt Bucket ein Winseln von sich und hüpft über den Sitz, um sich auf dem Beifahrersitz zu platzieren. Heute Morgen habe ich mehrfach versucht Reja zu erreichen, allerdings ohne Erfolg, deshalb verbringe ich den Vormittag meines freien Tages wohl oder übel bei meinen Eltern. Maman würde es mir nicht verzeihen, wenn ich sie erneut versetze.

Als das zweite Tor in Sichtweite kommt, verlässt ein Brummeln meine Kehle. Verstehen, weshalb meine Eltern das Bedürfnis nach gleich zwei Toren haben kann ich nicht, trotzdem drücke ich artig auf den Summer, um Martinez zu verdeutlichen, wo ich mich befinde. Surrend schwingen die Metalle auseinander, quietschen als sie Einrasten und ich lasse meinen Jeep auf den Hof rollen. Vor den dunklen, hölzernen Scheunentoren hockt Devon auf einem Schemel. Eine Zigarette hängt in seinem Mundwinkel, zwei Dosen RedBull stehen vor seinen Füßen und seine Hände stecken irgendwo im Innenleben seines Motorrades.

Mein Bruder hebt nicht einmal den Kopf, um sich zu vergewissern, wer auf den Hof kommt. Seine schwarzen Haare stehen in alle Himmelsrichtung ab, an den Enden bilden sich kleine Locken, welche meine Lippen zucken lassen. Seitdem wir Kinder sind ärgere ich ihn, weil er diese Kringel hasst und es ist mir jedes Mal eine Freude ihn darauf hinzuweisen. Rauch steigt aus seiner Nase in den klaren blauen Himmel, während ich den Motor ausstelle. Bucket hat Devon sofort im Visier und beginnt freudig zu knurren. Mein Hund ist vermutlich ebenso in meinen Bruder verliebt wie sie sich auf Dot eingeschossen hat.

Ich klettere aus dem Wagen und winke Bucket heraus. Natürlich lässt sie es sich nicht zweimal sagen, springt wie ein Springpferd aus dem Wageninneren und stürzt auf meinen Bruder zu. Devon gibt einen brummigen Befehl von sich und Bucket sitzt innerhalb von einer Millisekunde auf ihrem Hintern und reckt ihren Kopf auf seinen Schoß.

»Bonjour mon amour«, murmelt er der Hündin zu und krault kurz ihren Kopf. Innerhalb weniger Sekunden ist seine Hand wieder in den Tiefen des mechanischen Innenlebens verschwunden und Bucket begnügt sich damit vergnügt seinen Unterarm abzuschlecken. Mit erhobenen Brauen, weil er mir weiterhin keinerlei Beachtung schenkt, steuere ich auf ihn zu.

»Brüderchen«, begrüße ich ihn und warte auf eine Erwiderung. »Wie gehts dir?« Auch meine Erkundigung nach seiner Gefühlslage wird ignoriert. Mistkerl. Brummelnd lasse ich mich auf den Hocker neben ihm sinken, woraufhin sich seine rechte Braue hebt und er nach der Zigarette in seinem Mundwinkel greift. Mit einem fragenden Ausdruck in den Augen hält er mir den Glimmstängel entgegen und ich nehme sie schnaubend an. »Ignorierst du mich?«, frage ich spöttisch und nehme einen tiefen Zug.

Die Gesetze deiner Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt