29 | fiktive Enkel

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Zehn Minuten später sitzen Davis und ich, unruhig nebeneinander auf meiner Couch, während Beryl gegenüber in ihrem Rollstuhl sitzt. Ununterbrochen sieht sie uns an, lässt die Augen keine Sekunde weichen. Nachdem sie sich bei ihm entschuldigt hat, wirkt er ziemlich verloren. Noch verlorenen, als zu Beginn. Ich würde mich wirklich gerne bei ihm entschuldigen, aber Beryl ergreift heute bedenklich oft das Wort und so komme ich kaum dazu einen Piep von mir zu geben.

»Sie sind also ledig, Sheriff«, kommt es von ihr. Postwendend schießt die Röte mir wieder in die Wangen und ich verdrehe die Augen. Meine Finger schließen sich wie eine Schraubzwinge um den Hals der Champagnerflöte.

Davis räuspert sich und nickt. »Ja, Ma'am.«

»Bedeutet das, Sie haben Interesse an meiner Reja?« Knirschend beiße ich die Zähne zusammen, verbiete mir einzugreifen und mir die nächsten verbale Tracht Prügel abzuholen. Seitdem ich denken kann, ist Beryl niemals körperlich geworden, allerdings schneiden ihre Worte oftmals tiefer als ein Schwert. Das Risiko ist mir einfach zu hoch.

»Äh ...« Prüfend sieht der Franzose in meine Richtung, während ich mir über die Lippen lecke und hilflos die Schultern zucke. Ich weiß doch auch nicht, was er dazu jetzt sagen soll.

»Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Misses Gavin«, beginnt er und ich sehe das nahende Unglück über das tosende Meer auf uns zu steuern. »Reja und ich kennen uns noch nicht sonderlich lange und auch nicht sehr gut, deshalb finde ich es etwas verfrüht, um über di—«

»Sie sind doch der älteste Sohn von diesem Anwalt, richtig? Diesem gerissenen Cage, oder irre ich mich?«, unterbricht sie ihn. Davis' Mund steht nach wie vor offen, völlig überrumpelt durch ihre Unterbrechung. Natürlich weiß er nicht, dass Beryl schnell das Interesse an Themen verliert, wenn sie nicht in ihrem Sinne verlaufen.

»Ja, Ma'am«, antwortet er knapp und nickt.

»Dein Vater ist Anwalt?«, kommt es unbedacht von mir. Beryls Augen verformen sich zu Schlitzen. Ich presse sofort die Lippen auf einander und senke den Blick.

»Oui«, bestätigt er dennoch und wendet sich wieder an Beryl. Mittlerweile hat sie ihre Hände um die Lehne ihres Stuhles gelegt und fährt über das abgenutzte Leder hinauf und hinunter.

»Wissen Sie, was er so in seiner Freizeit fabriziert?« Feuer schießt aus ihrer Kehle geradewegs in seine Richtung und ich runzle verwundert die Stirn. Worüber redet diese Frau?

»Wenn es Ihnen recht ist, Misses Gavin, würde ich darüber lieber nicht sprechen«, brummelt Davis zurück. Sie lacht beherzt und klatscht laut in die Hände.

»Endlich kommen Sie mal aus sich heraus, Jungchen.« Die Fröhlichkeit ist unüberhörbar und ich hebe den Blick wieder, um ihr irgendwie zu signalisieren, sie soll es gut sein lassen. Jedoch denkt meine Adoptiv-Oma überhaupt nicht dran. Langsam rollt sie näher an den Sheriff heran und lehnt sich prüfend in seine Richtung. »Wie kommt es, dass ich Sie bisher nur ein einziges Mal in der Zeitung gesehen habe? Ihr Vorgänger ist ganz wild darauf gewesen, ständig in den Klatschblättern abgelichtet zu sein. Wieso Sie nicht?« Wie eine Moderatorin lehnt sie ihren Ellenbogen auf die Lehne ihres Stuhls, spitzt die Lippen und presst ihren Zeigefinger gegen ihr Kinn.

Kurz huscht Davis' Blick zu mir, ehe er durchatmet. Gott, sie schafft ihn wirklich. »Ich schätze es liegt schlichtweg daran, dass ich gerne durch meine Arbeit Anerkennung erlangen möchte und nicht, weil ich zu Einweihungen von Schulen, Kindertagesstätten oder einer Beerdigung erscheine. Es ist mein Job auf die Leute von Silverpine Acht zu geben und damit identifiziere ich mich. Ich gehöre weder in die Zeitung, noch bin ich eine Berühmtheit«, erklärt er und zuckt die massigen Schultern.

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