50 | Geheimnis im Kastanienbaum

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Kaum habe ich diese Frage gestellt, komme ich mir unsagbar dämlich vor. Mein Herz schlägt schneller und mein Gesicht wird heiß. Sicherlich bin ich fürchterlich rot angelaufen und mein Anblick scheint Davis nicht sonderlich zu gefallen. Mit offenem Mund blickt er mich an, blinzelt. Seine Augen huschen über mein Gesicht, hinab zu meinem Hals und wieder in meine Augen. Überlegt er, ob er mich erwürgen will? Noch immer liegen seine warmen Hände unter meinem Rock auf meinen Schenkeln. Damit verursacht er ein unfassbar starkes Kribbeln in meinem gesamten Körper. Die Stellen, welche er berührt, verwandeln sich in Feuerstellen.

Stumm schluckend halte ich meinen Kopf aufrecht. Ich schäme mich fürchterlich diese Frage gestellt zu haben, denn es ist für eine Antwort einfach noch zu früh. Gewiss habe ich ihn damit jetzt endgültig verschreckt. Du bist dermaßen dumm, Reja, jeder Gehirnforscher würde sich eine goldene Nase an dir verdienen. Verärgerung mischt sich mit Unwohlsein und ich räuspere mich.

»Vergiss es einfach wieder«, sage ich bedrückt und straffe die Schultern. Ich kann es mir nicht leisten jetzt einzuknicken.

»Non, mon amour. Ich werde es sicherlich nicht vergessen«, spricht Davis bestimmt. Irritiert heben sich meine Augenbrauen. »Komm mit.« Davis' Hände verschwinden von meinen Schenkeln und er richtet sich auf. Jetzt killt er dich, Rej. Ganz klasse gemacht. Zerstreut blicke ich mich am Tisch im, aber jedes Familienmitglied seitens Davis ist weiterhin verschwunden. Ich werde einsam und ungesehen zugrunde gehen. Als Davis nach meinen Händen greift, um mich in den Stand zu ziehen, zucke ich heftig zusammen.

»Es ... Ich hätte ... Die Frage darfst du nicht ernst nehmen, okay? Da hat der Whiskey aus mir gesprochen«, revidiere ich hastig. Um Davis' Lippen zuckt ein Lächeln und er hebt den rechten Mundwinkel. Ich bilde mir ein in seinem Blick Verständnis zu erkennen, kann mich aber auch fürchterlich täuschen.

»Und ob ich diese Frage ernst nehmen, ma petit renard.« Stolpernd gehe ich hinter Davis her, weil er mich weiterhin an der Hand hält. Wir verlassen die Terrasse und den beleuchteten Teil des Gartens und betreten die feuchte Wiese. Am Rand der Beete stehen einige Solarlampen, spenden jedoch nur schummriges Licht und helfen nicht wirklich bei der Orientierung. Irgendwo auf den Feldern vor dem Garten scheint sich ein Pferd zu befinden, denn ich höre Hufgetrappel und Wiehern, während Davis mich immer weiter in den Garten führt. Das ist dein Ende, Reja. Entweder schmeißt er mich gleich aus dem Garten auf einen dunklen Weg und lässt mich allein, um mir zu verdeutlichen, wie sehr ihm meine Aufdringlichkeit missfällt oder er murkst mich ab. Bisher habe ich mir nicht einmal die Frage gestellt, ob Davis womöglich dazu in der Lage ist jemanden umzubringen. »Du zitterst. Ist dir kalt?«, erkundigt er sich. In seiner Stimme höre ich diese liebevolle Stimmlage, welche mir jedes Mal ein Seufzen entlockt. So auch jetzt.

»Nein. Ich habe ein wenig Angst«, gestehe ich. Weshalb sollte ich auch nicht ehrlich zu ihm sein? Er durchschaut mich ohnehin innerhalb einer Sekunde, sobald er mir in die Augen sieht.

»Wovor?«

»Ähm ... Vor dir?« Davis stoppt seinen Gang und dreht sich in meine Richtung. Verwunderung funkelt in seinen hübschen Augen und ich schlucke den riesigen Kloß herunter.

»Pardon?«

»Na immerhin habe ich dir eben eine verflucht bescheuerte Frage gestellt und jetzt bringst du mich in einen stockdunklen Teil eures riesigen Gartens. Wie soll ich denn da keine Angst bekommen?« Ich hätte angenommen er bricht in schallendes Gelächter aus, gegen all meine Erwartung bleibt er jedoch ziemlich ernst. Nachdenklich legt er den Kopf schief und mustert mich von Kopf bis Fuß.

»Du glaubst doch nicht, ich könnte die wehtun, non? Ich möchte dir etwas zeigen«, klärt er mich auf. »Ich könnte dir niemals Schmerzen zu fügen, ohne mir selbst dabei weh zu tun. Weder körperlich noch seelische Schmerzen. Mein Herz würde dieses Gefühl nicht aushalten und in Flammen aufgehen. Es würde mich brechen, Reja. Verstehst du, was ich dir damit sagen möchte?« Nun sehe ich ihn erstaunt an. Mein Mund öffnet sich, entlässt allerdings nur ein leises Quietschen. Davis schüttelt mit einem Lächeln den Kopf, ehe er wieder fester in meine Hand greift und mich weiterzieht. »Als Devon und ich klein gewesen sind, war mein Papa ein ganz anderer Mensch. Er ist wütend gewesen, überwiegend seinen Job betreffend und wir sind ihm nur auf die Nerven gegangen. An Devons siebtem Geburtstag hat sich allerdings viel verändert. Papa hatte zwei Tage zuvor gekündigt, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Oft habe ich Maman und ihn streiten hören, wenn Devon längst geschlafen hat. Ich habe viel mehr mitbekommen, als für einen kleinen Jungen gut gewesen wäre. Und heute weiß ich, sie standen mehr als einmal davor sich zu trennen. Maman hatte Heimweh, während Papa die Staaten geliebt hat. Oft hat Grand-mére sich eingemischt, wenn sie zu Besuch oder wir bei ihr gewesen sind, aber überwiegend wurden Papa und Maman mit ihren Problemen allein gelassen. Jedenfalls hat sich an Devons siebten Geburtstag alles verändert. Im positiven Sinne«, erzählt er. Neugierig lausche ich seinen Worten, während ich schweigend neben ihm laufe. Seine Hand ist locker um meine Finger geschlungen und lässt die Wärme über mein Arm geradewegs in mein Herz fließen.

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