Prolog - Teil 1

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Prolog Teil 1

Zwölf Monate zuvor

Moonshine

Moonshine Rain versuchte sich so normal wie möglich zu verhalten und warf Peeter einige warnende Blicke zu, als dieser sie bereits den ganzen Abend, fragend ansah. Natürlich war es nicht überraschend, dass er als zukünftiger Sucher des Rudels als Erstes die winzige Veränderung in ihren Geruch bemerkte, die wohl nun bedeutete, dass sie nun endgültig die Welpenwitterung verloren hatte.

Das war ein normaler Prozess. Es war das Schicksal eines jeden Gastaltwandlers eines Tages die Witterung eines Welpen zu verlieren und erwachsen zu werden. Aber dennoch hätte sich Shiny gewünscht, dass sie es weiter hätte herauszögern können. Vielleicht nur ein paar Tage oder ein paar Wochen, weil das, was dadurch ausgelöst werden würde, zwangsweise dazu führen trug, dass sie auch noch das letzte bisschen Familie verlieren würde, das sie noch hatte. Ihre Schwester.

Der Schwester, der sie so viel zu verdanken hatte. Buchstäblich ihr gesamtes Glück.

Hätte Magnolia nicht den Mut gehabt sie als Kind mit sich mitzunehmen, als sie mit Konstantin das alte Rudel verließ, hätte Moonshine keine so tolle Kindheit und Jugend gehabt. Sie wäre von den zurückgebliebenen, störrischen, alten Wölfen dazu instrumentalisiert worden, sie am Leben zu halten und ihnen zu ermöglichen weiter ein Rudel zu sein, auch nachdem ihr Alpha Konstantin ihnen den Rücken zugedreht hatte. Dass sie dann auch noch von ihren rassistischen Ansichten vergiftet worden wäre, daran wollte Moonshine nicht einmal denken.

Statt also erzwungener Alpha, ein altes und in alten Vorstellungen gefangenes Rudel anzuführen, war sie als geborener Beta in eine friedliebenden, kunterbunten Mischung aus indigenen Menschengruppen und dem jungen Rudel aufgewachsen, dass sich Konstantin angeschlossen hatte. Sie war ohne Verantwortung, ohne zwang erwachsen geworden, hatte lernen dürfen liberale Ansichten zu vertreten und ihren eigenen Weg zu gehen. Das alles hatte sie ihrer Schwester Magnolia zu verdanken. Ihr Mut und ihre Entschlossenheit hatten sie gerettet.

Moonshine liebte ihre Schwester, nicht nur, weil sie ihr dankbar war, sondern vor allem, weil sie das traurige Schicksal teilten, sich zwischen ihre Zukunft und ihre Eltern entschieden zu haben und so nun gemeinsam mit den Konsequenzen leben zu müssen. Sie hatte sich deswegen nie einsam oder verloren gefühlt, hatte den Verlust ihrer Eltern so gut wie verkraftet wie es ging und war in dem glauben Groß geworden, dass sie ihre Schwester immer haben würde – egal was passierte. Doch so einfach war es nicht. Nicht mehr.

Für außenstehende mag es merkwürdig klingen, das Magnolia sich mit gerade einmal fünfzehn Jahren dazu entschloss ihre engstirnigen Eltern zu verlassen, aber sie waren mehr als nur Menschen, sie waren Wölfe und gerade die Welpen verspüren einen unfassbaren Drang bei ihren dominanten Artgenossen zu bleiben und nach dem Maximilian, der ehemalige Alpha, den Kampf gegen Konstantin verloren und dafür mit seinen Leben bezahlt hatte, war es nur logisch, das Magnolia bei ihrem Alpha blieb. Aber natürlich konnten die Erwachsenen sich besser von diesem Instinkt lösen und so war es bei ihnen eine wirkliche Entscheidung gewesen, Konstantin zu folgen oder aber bei dem rassistischen Haufen zu bleiben, der die Vermischung zwischen Menschen und Wölfe am liebsten mit den Tode bestrafen würde. Moonshines Eltern hatten sich für Letzteres entscheiden. Eine von unzähligen Tragödien, die viele im Rudel durchgemacht hatten und dennoch etwas was sie und ihre Schwester im Speziellen teilten.
Aber es half alles nichts. Denn obwohl sie nur einander hatten, würde Magnolia den Tag verfluchen, als sie beschloss ihre kleine Schwester aus ihrem Kinderzimmer zu stehlen und sie mit sich zu nehmen. Magnolia würde jeden Moment bereuen, den sie damit zugebracht hatte Moonshines Temperament mühevoll zu zügeln und ihr bei allem zu helfen, was sie konnte, obwohl sie selbst noch ein Kind gewesen war. Ihre Schwester würde all die Situationen hassen, in denen sie sich miteinander gefreut, gestritten und wieder zusammen gerauft hatten. Denn Moonshine würde ihre Schwester das einzige nehmen, was für sie momentan eine Bedeutung hatte, dass sie mehr liebte als alles andere. Jason.

Es war ein tragisches Spiel des Schicksals gewesen ausgerechnet den Mann, den ihre Schwester so sehr liebte, zu dem Mann zu machen, der eines Tages Moonshines Gefährte werden würde. Und niemand würde das verhindern können, denn Moonshine war Jasons Luna und sobald sie den letzten Rest ihres Welpengeruches verloren hatte, sobald sie für die Wölfe um sie herum, als erwachsen galt, würde Jasons Wolf sie riechen und erkennen.

Es war für einen Wolf unmöglich den Geruch und den Ruf seiner Luna zu widerstehen und es galt, als größtes Geschenk eine zu erhalten, da ihre Verbindung zueinander wohl dem entspricht was Menschen naiverweise als Wahre-Liebe beschrieben.

Das war es nicht.

Es war mehr.

Es war etwas biologisches, etwas so tief greifendes, dass es mit Liebe nicht umschrieben werden konnte. Es war ein Naturgesetz. Es war ein Segen. Doch speziell in Shinys Fall würde dieser Segen erst mal die Person verletzten, die sie am allerwenigsten verletzen wollte.

Was hätte sie schon können? Jason war einige Jahre älter als Moonshine und für sie nie ein Welpe gewesen. Für sie war diese Verbindung einfach immer da gewesen, aber bis sie endlich verstanden hatte, dass diese Verbindung etwas Außergewöhnliches war, war es bereits zu spät gewesen.

Jason war zu diesen Zeitpunkt bereits mit ihrer Schwester ausgegangen und Moonshine hatte Magnolia einfach nicht unglücklich machen wollen, indem sie ihr die Wahrheit sagte. Ganz im Gegenteil. Moonshine hatte gebetet und gehofft, dass sie sich wieder trennen würden und zwei ganze Jahre ins Land ziehe lassen, in denen sich Ihre Schwester und Jason allerdings nur noch näher gekommen zu sein schienen. Es hatte unfassbar wehgetan die beiden miteinander zu sehen und nie etwas sagen zu können. Nicht nur einmal hatte sich Moonshine vor Sehnsucht in den Schlaf geweint und hatte ihn heimlich beobachtet. Nun war es zu spät einen von beiden reinen Wein einzuschenken, die Bombe würde ohne Vorwarnung vor Jasons und magnolias Nase platzen und sie alleine war schuld daran. Sie und ihre Feigheit.

Und anstatt sich dem unausweichlichen zu stellen, war sie hier und lief weiter davon. Sie ging mit ihren Freunden aus, tat das, was sie immer tat, um keinen Verdacht zu erregen und versuchte dabei Jason aus den Weg zu gehen.

„Kann ich bei dir schlafen, Becca?", fragte Shiny und sah zu ihrer Freundin, die sich an Peeters Arm geklammert hatte und ihn anhimmelte. Sie war kein Wolf, sondern gehörte zu den Teil der Eingeborenen, die sich dem Black-Water Rudel auf ihren Weg zurück in die Zivilisation einfach angeschlossen hatte. Sie war hübsch mit ihren dunklen, sanften Locken, der schönen mokkafarbenen Haut und den Mandelaugen, die ihre ungewöhnliche Augenfarbe, ein tiefes Blau, noch exotischer aussehen ließen.

„Klar. Hast du wieder Stress mit seiner Schwester oder willst du nur ihrem geturtel mit Jason aus dem Weg gehen?"

„Beides", erwiderte Moonshine ohne um den heißen Brei herumzureden. Ihr Verhältnis zu Magnolia war schon seit Monaten ziemlich angespannt, was nicht nur daran lag, dass Magnolia ungern daran erinnert wurde, dass ihre Schwester eine höre Stellung im Rudel hatte - absolut unverdient, einfach nur, weil Moonshine als Beta geboren war - Sondern auch, weil Shiny es nicht schaffte rund, um die Uhr ihre glühende Eifersucht zu verbergen. Ihre Wölfin wollte Magnolia zerfetzen, weil diese ihren Gefährten berührte, nach ihm roch und ihm schlicht nahe sein durfte. Aber Shiny war auch ein Mensch und der wusste sehr wohl, dass Magnolia hier nicht die böse in der Geschichte war.

Das war sie selbst, sie verdiente jeden Schmerz, denn es ihr zufügte die beiden miteinander zu sehen. Sie war diejenige, die ihrer Schwester weh tun würde und das, obwohl sie doch alles getan hatte, um Shiny selbst glücklich zu machen. Und nun würde sich das für Magnolia rächen. Sobald Jason ihre Witterung aufnahm und sie als seine Luna erkannte, würden seine Gefühle in zerreißen. Eingesperrt zwischen den Instinkt, seiner Luna treu zu sein und Magnolia, die er sich selbst erwählt hatte. Freiwillig und ohne Zwang. Moonshine würde alles zerstörte, was die beiden miteinander verbannt. Niemanden würde es glücklich machen, dass sie eine Luna war, am allerwenigsten sie selbst. Wie könnte sie auch, wo sie doch wusste, dass Jason nur bei ihr sein würde, weil die Natur es verlangte?

Beta: noch nicht

Die Stille des Wolfes - Alaska Werewolves Bd. 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt