Kapitel 10
Seine Instinkte streckte seine Klauen nach seinem Verstand aus, während Jason fast schwerelos über den Waldboden rannte und die Nase in den Wind steckte, in der der Duft eines Toten schwebte. Seit dem Zeitpunkt, als er Moonshine als seine Luna erkannt hatte, war sein mentaler Zustand immer weiter zerbröselt, wie Kaltstein im Meer. Welle für Welle, Schicht für Schicht. Aber nie war es so schlimm wie jetzt gewesen.
Sein Wolf, drückte im Jagdtrieb seine menschliche Seite so tief zurück, dass er kurz drohte sich komplett zu verlieren, aber er war stärker als andere Wölfe. Ein Beta. Diesen Posten hatte er sich mit seiner Dominanz und seiner beherrschten Art verdient. Also kämpfte er sich zurück an die Oberfläche und schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich im Unterholz zu verbergen, anstatt, wie sein Wolf es wollte, diese Silhouette direkt anzuspringen, die in einem besonders dichten Teil des Waldes auf den kalten Boden hockte und irgendetwas ausgrub.
Jason konnte das Schaben von Fingern hören, die sich in die Erde bohrten, sowie ein leises Knistern, dass ab und ab erklang. Der Geruch nach William Langfield wurde intensiver aber viel besser roch er den Mann, der gerade dort kniete.
Er war ein Wolf, aber Jason kannte seinen Geruch nicht. Er gehörte nicht zum Rudel und alleine die Tatsache, dass er das Land des Black-Water-Rudels betreten hatte, gab Jason genug Grund aus der Böschung zu springen, seine Klauen in ihn zu schlagen und ihn zu zerfetzen. Dass er es wagte das Territorium zu betreten, kam einem Selbstmord gleich. Aber er tat es nicht. Obwohl seine Krallen sich bereits in den Boden unter ihn bohrten, um jeden Moment zuzuschlagen. Der Mensch in ihm aber ging strategisch vor.
Tot würde dieser fremde Wolf ihm keine Antworten liefern, tot würde er Jason nicht sagen können was er hier suchte und warum er auf dem Gelände seines anderen Rudels im Boden herumwühlte. Und auch eine Gefangennahme schien erst einmal nicht sinnvoll. Viel besser war es diesem Fremden zu folgen, um mehr herauszubekommen.
Also presste Jason sich in Wolfsgestalt an den Boden und starrte mit leuchtenden Augen den Eindringling an. Wartete ab und sammelte Informationen. Solange der Wind sich nicht drehte, der den Geruch des Mannes und den Inhalt dieser Tüte gerade in Jasons Richtung trug, würde er unentdeckt bleiben. Er versuchte sich auf das, was vor ihm geschah zu fokussieren und sich alles einzuprägen was er ausmachen konnte.
Die Form der Silhouette des Fremden und die offensichtlich nicht vorhandene Kleidung an ihm. Er muss in Wolfsgestalt gewesen sein und hatte sich wohl nur in seine menschliche Gestalt begeben, um besser im Erdreich herumgraben zu können, was sich langsam aber sicher als eine Tüte herausstellte in der Kleidungsstücke sein sollten.
Was aber am auffälligsten war, war die Tatsache, dass der Mann leise knurrte, als einige Kleidungsstücke aus einem Loch in der Tüte fielen, bevor er sie wieder hineinsteckte. Das Knurren klang zu wölfisch, um in der Menschengestalt hervorgebracht zu werden und als der Mann sich auf zwei Beine erhob, sah es so ungelenk aus, dass Jason sich sicher sein konnte, dass diese Mann schon sehr, sehr lange nicht mehr in menschlicher Gestalt gewesen war. Alle seine Bewegungen waren unkoordiniert und seine Geduld schien auch kaum noch vorhanden zu sein, denn während er versuchte die Kleidung wieder in die kaputte Tüte zu stecken und sie zu verließen, riss er das Plastik vollkommen in zwei und das Knurren wurde lauter.
Als der Wind langsam begann sich zu drehen, war Jason gezwungen seine Position zu verändern und seine Deckung zu verlassen, um sich eine Neue zu suchen und das war der Moment, wo der fremde Gestaltwandler aufschreckte und sich mit panischem Blick in Jasons Richtung sah. Der Fremde war in Menschengestalt und konnte wohl nicht so gut genug sehen, um Jason aus der Entfernung ausmachen zu können. Aber sein Instinkt schlug an. Das Alter war dem Mann ins Gesicht geschrieben und dennoch schien er alarmiert genug zu sein, um sich dazu zu entschließen, wieder seine Wolfsgestalt anzunehmen.
Jason war es gewohnt, den grotesken Anblick beizuwohnen, wenn Gestaltwandler ihre Erscheinung veränderten. Zu sehen wie Knochen brachen, Fleisch sich ausdehnte und wieder zusammen zog, aus Haut, Fell wurde. Aber, während das normalerweise einer flüssigen Bewegung glich, sah es bei dem Mann wie ein reiner Kraftakt aus. Genauso wie seine Bewegungen in menschlicher Gestalt. Er war es tatsächlich nicht mehr gewohnt, sich zu verwandeln.
Als es dann dennoch endlich vollbracht war, nahm er die Kleidungsstücke in sein Maul und begann dann damit sich zügig in Richtung der Territoriumsgrenze zu bewegen.
Jason folgte dem alten Wolf mit etwas Abstand, machte sich eine geistige Notiz diese Grenze in Zukunft besser bewachen zu lassen und verwarf diese Notiz gleich wieder.
Das Rudel war nicht groß genug, für so etwas und es fehlte ihn einfach an genug dominanten Wölfen, die das hätten tun können. Bis jetzt bewachten sie vor allem die Seite des Territoriums, die in Richtung der Menschen Stadt führte, weil dort die Gefahr von Eindringlingen größer war, als aus einer Richtung, wo bis zum Nordpool hoch, nichts mehr kam außer Schnee, Eis und unberührte Natur. Die einzige menschliche Siedlung, die dort gewesen war, war die der Ureinwohner, die sich dem Black-Water-Rudel angeschlossen und mit ihnen hier hergekommen waren. Dennoch gab es scheinbar noch versprengte, ältere Wölfe in den Wäldern, die noch lebten und offensichtlich an der Intrige mit William Langenfeld verwickelt waren.
Diese Grenze musste gesichert werden und wenn es nicht genug Wölfe dafür gab, mussten sie eine technische Lösung dafür finden, auch wenn Jason der Gedanke missfiel, sich auf Technik verlassen zu müssen. Doch das war jetzt nicht das größte Problem.
Zum Beispiel, dass der alte Wolf eine Lichtung direkt durchquerte, wo es keine Möglichkeit gab ihm unauffällig zu folgen. Jason hatte nur zwei Möglichkeiten: einen Umweg nehmen, in Deckung bleiben und riskieren ihn und die Fährte zu verlieren oder aufholen, die Heimlichtuerei aufgeben und dem fremden Wolf offenbaren, dass er verfolgt wurde. Letzteres würde Jason dazu zwingen ihn zu fangen und Jasons Verstand ging fieberhaft alles durch, bevor er sich dazu entschloss den Umweg zu nehmen und sich die Chance nicht entgehen zu lassen, die Mitverschwörer oder das Versteck dieser einsamen Wölfe zu finden, denn antworten aus einem so alten Wolf herauszubekommen, war absolut unmöglich. Scheiße, Jason wusste nicht mal, ob er überhaupt würde sprechen können, wenn er wollte. Der fremde konnte sich kaum wie ein Mensch bewegen, ob er noch wie einer sprechen konnte, war fast ausgeschlossen. Nein, um die Lichtung herumzugehen war die beste Lösung.
Doch es kam wie kommen musste.
Während Jason abdrehte und sich weiter durch das Unterholz schlug, drehte der Wind vollständig und er verlor nicht nur den Wolf, sondern auch die Witterung. Und egal wie sehr er sich auch bemühte die Fährte wieder aufzunehmen, als er das Ende der Lichtung erreichte. Er fand sie nicht mehr wieder.
Beta: noch nicht
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Die Stille des Wolfes - Alaska Werewolves Bd. 2
Hombres Lobo(Update jeden Mittwoch) Nach den blutigen Morden in Black-Water sind die Menschen den Gestaltwandlern noch misstrauischer eingestimmt als sonst. Um sich nicht weiter ins Schussfeld zu begehen verlangt der Alpha des Black-Water-Rudels, deshalb von se...