Schwüre

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Kapitel 49

Moonshine

"Was soll das hier werden, wenn's fertig ist?" fragte Shiny und machte instinktiv ein paar Schritte weg von den Gitterstäben, die sie von ihrem leiblichen Vater trennte. Wäre sie ein Mensch, so hätte es sie sicher emotional berührt diese ausgemergelte und kränklich aussehende Gestalt vor sich zu sehen, aber die Wölfin in ihr sah nur einen Feind. Die familiären Bande waren schon vor langer Zeit zerrissen worden und obwohl Shiny, den Geruch des Mannes vor ihr definitiv als den ihres Vaters zuordnen konnte, löste es viel weniger in ihr aus, als es wohl sollte.

Dieser Wolf gehörte nicht zu ihrem Rudel und war somit weder ein Verbündeter noch jemanden, den sie auch nur auf ein paar Schritte an die Schwangere Alpha-Luna heranlassen würde. Eher würde sie ihm die Kehle zerfetzen. Vater hin oder her, ihr Instinkt mahnte da keine Ausnahmen.

"Du bist es tatsächlich. Ich wollte nicht glauben, dass er es geschafft hat. Unser Alpha ist endlich nach Hause gekommen", brabbelte ihr Vater vor sich hin und das strahlendes Lächeln, das er demonstrierte, wirkte fast wahnhaft.

Moonshine würde all ihre dreckigen Gedanken über Jason darauf verwetten, dass ihr Vater nicht mehr vollständig bei Verstand war. Angesichts der Zeit, die er als Abtrünniger verbracht hatte, war es bereits außergewöhnlich, dass er überhaupt noch sprechen konnte. Und überhaupt so lange überlebt hatte. Vielleicht gab diese Gemeinschaft aus führerlosen Wölfen, genug Rudelinstinkt um sie gerade genug am Leben zu halten.

"Ich bin nicht euer Alpha!", knurrte Moonshine ihm entgegen und die Augen ihres Vaters wurden noch größer und seine eh schon grotesken Gesichtszüge, die mehr an einen Wolf erinnerten als an einen Menschen, verschoben sich wieder ein wenig weiter. Es war irgendwie alles ein wenig verschoben, wie eines dieser Schieberätseln in einem Computerspiel. Es war alles da, was ein Gesicht geben konnte, aber irgendwie nicht an den richtigen Stellen.

Die Augen lagen zu weit auseinander, die Nase war zu schnauze artig und der Mund riesig. Gerade schob sich der Unterkiefer nach vorne und Ihr Vater schüttelte sich, als könnte er sich kaum davon abhalten sich zu verwandeln. Er schien es nicht gewohnt in menschlicher Form zu sein, schaffte es aber sich zu beherrschen.

"Natürlich bist du das. Du bist mein Welpe, meine Moonshine. Ich hab dich nach dem Silbermond benannt, der hoch am Himmel stand, als deine Mutter dich zur Welt gebracht hat, du warst so schön gewesen. Ein Wunder", brabbelte er und etwas in Shiny regte sich bei dieser alten Geschichte.

Verschwommene Erinnerungen keimten in ihr auf, wie sie auf dem Schoß ihrer Mutter saß und ihr Vater mit ihr irgendetwas bastelte, während er voller Begeisterung erzählte, wie er die Namen seine Töchter ausgewählt hatte. Shiny nach dem Mond bei ihrer Geburt in der Nacht und Magnolia nach den Baumknospen, die vor dem Haus geblüht hatten, als diese an einem wunderschönen Spätfrühlingstag das Licht der Welt erblickte. Es war eine der wenigen Erinnerungen, die Shiny von ihren Eltern noch hatte und es wäre ihr lieber gewesen, diese so zu behalten wie sie waren, als hier zu stehen und mit ansehen zu müssen, was aus ihrem Vater geworden war. Es fühlte sich an, als würde er ihr diese Erinnerung verunreinigen und das nahm sie persönlich.

Es waren Erinnerungen vor dem großen Bruch des Rudels. Sie würden nicht wieder zurückkommen und so sehr Shiny dieses Bild in ihren Kopf auch liebte, so wäre sie nicht so naiv sich auch nur für eine Sekunde davon einlullen zu lassen.

Dieser Mann vor ihr hatte Wahnvorstellungen, wenn er glaubte, sie würde dieses Pack von Aussätzigen anführen wollen. Sie hatten versucht ihr, als Kind diese Position aufzuzwingen und es war nur Magnolia zu verdanken gewesen, dass sie diesem Schicksal entkommen war.

Das würde definitiv kein zweites Mal passieren, vor allem nicht, wo sie erwachsen war. Doch diese Wahnvorstellung könnte auch nützlich sein. Vielleicht brachte es etwas, das Spielchen mitzuspielen.

Die Stille des Wolfes - Alaska Werewolves Bd. 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt