Kapitel 1

576 8 2
                                    

,,Ja Mama, ich hab das Geld auf dem Tisch liegen sehen. Jaaa! Ok, bis nächste Woche."
Ein tiefer Seufzer entfuhr mir, als ich auf das Symbol mit dem roten Hörer drückte. Langsam ließ ich meinen Blick, durch das leer wirkende Haus schweifen.
Keiner da! Dafür blitzblank geputzt. Unsere Haushälterin Susi hatte heute Vormittag anscheinend beste Arbeit geleistet.
Die Stille, die mich nun umgab, ließ das Gefühl der Einsamkeit, in mir hochkommen. Was das Haus anging, hatten meine Eltern, im wahrsten Sinne des Wortes auf die "Kacke gehauen". Unser Haus besaß zwei Stockwerke, einen riesigen Garten und eine große Garage, in der mein Vater seine Autos stehen hatte. Vom Marmorfußboden, einer Fußbodenheizung, Pool, Sauna, Fitnessraum, Heimkino, Wintergarten, bis zu allen möglichen Smart Home Geräten. Es mangelte einem wirklich an nichts. Doch das alles hatte für mich so gut wie keine Bedeutung, denn das einzige, was ich nicht besaß und mir von Herzen wünschte war, meine Eltern bei mir zu haben, die ich so gut wie nie sah.
Mit einem weiteren Seufzer, strich ich am Kalender, den in Großbuchstaben geschriebenen Satz "MOM AND ME" weg. Ich hatte gerade Unischluss gehabt und mich total auf unser Wochenende gefreut. Vor allem, da ab heute auch Semesterferien waren. Doch nun hatte sie angerufen und mir gesagt, dass sie wegen eines wichtigen Meetings, unbedingt nach New York fliegen musste. Meine Ma arbeitete als Ingenieurin für eine große internationale Firma. Daher war sie viel auf Reisen. Mein Vater war Unternehmensberater und hauptsächlich in Amerika tätig, von daher ebenfalls ständig unterwegs. Beide waren so in ihre Jobs vertieft, dass ich mich fragte, weswegen sie überhaupt noch verheiratet waren und wozu sie mich eigentlich gezeugt hatten. Den Tränen nahe, ging ich hoch in mein Zimmer und zog mir meine Sportklamotten über. Da es sehr heiß war, kamen die Shorts und der Sportbh zum Einsatz. Meine braunen langen Locken, knotete ich mir zu einem festen Dutt zusammen. Es war Zeit für eine Trainingseinheit, um den ganzen Frust loszuwerden.
Gerade als ich mein Equipment im Garten aufgebaut hatte, sah ich Maria und Chicco durch das Gartentor kommen. Maria machte Chicco von der Leine los und ein liebevoll, mit dem Schwanz wedelnder Rottweiler, kam auf mich zugelaufen.
,,Chicco! Hi!", begrüßte ich ihn, kniete mich herunter und kraulte seinen Kopf.
,,Hallo Liebes, ist deine Mutter noch nicht zu Hause? Ich habe ihr Auto nicht in der Garage gesehen."
,,Sie war kurz da, musste aber wieder weg. Mal wieder ein wichtiges Meeting", antwortete ich und konnte die Enttäuschung in meiner Stimme nicht verbergen.
,,Ach Mensch, das tut mir so Leid liebes. Hätte ich das gewusst!
Mein Sohn kommt mich doch heute, nach langer Zeit, endlich mal besuchen. Ich mache ihm, wenn er da ist, sein Lieblingsessen. Er bleibt ein paar Tage, wenn du magst, kannst du gern rüberkommen und ihn mal kennenlernen. Ihr würdet euch, sicher gut verstehen."
,,Alles gut Maria, Danke. Ich weiß, dass du deinen Sohn auch selten siehst. Genießt ihr ruhig die Zeit zusammen."
Maria kam auf mich zu und drückte mich ganz fest.
,,Meine kleine,die Tür steht dir jederzeit offen."
,,Ich weiß", mühsam drückte ich ein Lächeln heraus und tat so, als würde mir das ganze überhaupt nicht's ausmachen. ,,Chicco ist doch auch noch da. Außerdem, denke ich, ich werde am Samstag meine Mädels einladen! Wir haben schon lange keinen Mädelsabend mehr gemacht."
,,Na dann! Pass auf dich auf und keine zu wilden Partys", sie zwinkerte mir zu.
,,Kennst mich doch."
Mit einem liebevollen Lächeln im Gesicht, verließ sie den Garten, um in das Haus nebenan zu gehen.
Maria war erst vor drei Monaten hergezogen, doch es fühlte sich an, als würden wir uns schon ewig kennen. Ich hatte ihr sogar unseren Hausschlüssel gegeben, damit sie, wenn sie Lust hatte, mit Chicco spazieren gehen konnte. Ich sah sie mittlerweile öfter als meine Eltern und wir verstanden uns super. Immer wenn ich von der Uni kam, brachte sie mir Essen vorbei oder selbst gebackenen Kuchen. Marias Sohn, war ungefähr in meinem Alter und wohl auch ständig unterwegs. Er wohnte auch schon nicht mehr zu Hause. Was genau er machte, hatte sie tatsächlich nie erzählt. Aber ich hatte es auch nie wirklich hinterfragt. Wahrscheinlich war er, wie meine Eltern, überall in der Welt unterwegs und lebte für seinen Job.
,,Tja Chicco, da waren's nur noch zwei!" Ich sah zu Chicco, der sich gerade im Gras wälzte und die Sonne genoss. Es war Mitte Juli und seit einer Woche totale Hitze, das schrie förmlich nach einer Poolparty am Samstag. Mit einem Lächeln im Gesicht schloss ich meine Musikboxen an und schaltete den Beamer ein, um bei meinem ausgesuchten Trainingsvideo, mitzumachen.
Ich hatte mir extra den Platz neben dem Pavillon ausgesucht, um wenigstens ein bisschen Schatten zu haben. Nach einer halben Stunde jedoch, war die Sonne gewandert und brannte förmlich, mit gefühlt dreißig Grad, auf meiner Haut. Fünfzehn Minuten später war ich klitschnass und völlig fertig.
Ich trocknete mir den Schweiß mit meinem Handtuch ab und ging mit schnellen Schritten zum Pool und mir das kalte Wasser zur Abkühlung, ins Gesicht zu klatschen. Plötzlich hörte ich eine Stimme.
,,Das haste aber schön gemacht."
Abrupt drehte ich mich um, und suchte, wo die Stimme herkam. Ich entdeckte, einen Jungen, mit braunen Haaren, nacktem tätowierten Oberkörper und einer Goldkette um den Hals, der über unseren zwei Meter hohen Holzzaun, zu mir in den Garten schaute.
,,Hättest mal lieber mitmachen sollen!", spottete ich, beugte mich nach unten und wusch mir das Gesicht im Pool.
,,Ha, Ha! Ich wollte mich eigentlich sonnen, während meine Mama was zu essen macht, doch die Musik war so laut, dass ich erstma checken musste, was hier abgeht."
Ich trocknete mich ab, stand auf und stemmte die Hände in die Hüfte.
,,Und da dachtest du dir, du stalkst mal die Nachbarn."
,,Auf jeden Fall", sein sympathisches Lächeln, steckte mich an, sodass ich ebenfalls lächeln musste.
Ich schnappte mir einen Stuhl, lehnte ihn an den Zaun und stieg darauf.
,,Hi, ich bin Bonnie", freundlich streckte ich dem jungen Mann meine Hand entgegen.
,,Ich bin Kasimir", antwortete mir dieser und ergriff sie. Sie fühlte sich warm, aber auch etwas rau an.
Jetzt, wo ich ihn von nahen betrachten konnte, erkannte ich, dass er braune Augen hatte. Er machte einen leicht müden Eindruck auf mich. Auf seiner Brust, hatte er mehrere Tattoos, davon waren zwei, dieser kleine Opa mit seinem Monokel, aus dem Spiel
,,Monopoly". Warum tätowierte man sich den? Ich betrachtete ihn weiter und irgendwie kam er mir auch bekannt vor, doch ich konnte ihn absolut nicht zuordnen. Wahrscheinlich lag es daran, dass er wohl einfach Marias Sohn war, denn er befand sich immerhin in ihrem Garten.
,,Du bist also Marias Sohn!", stellte ich fest.
,,Und du also, die süße Nachbarstochter!"Sein Grinsen wurde breiter, während sich meine Wangen rot färbten.
,,Wenn deine Ma das sagt! Sie ist übrigens wirklich toll."
,,Ich weiß! Sie erzählt mir immer, dass ihr zusamm abhängt. Ich telefoniere regelmäßig mit ihr." Er machte eine kurze Pause, dann sagte er mit schelmischem Blick, ,,Und ich weiß mehr über dich als du denkst."
,,Und das wäre?" Während ich das gesagt hatte, fiel mir auf, dass ich noch immer seine Hand festhielt. Schnell zog ich sie weg, doch sein frecher Blick dabei, war mir nicht entgangen.
,,Das verrate ich dir vielleicht, wenn ich mir mal eure Villa ansehen kann."
Ich lachte kurz auf. ,,Villa? Is klar!"
,,Komm schon, lass mich ma nen Blick reinwerfen."
Ich durchbohrte ihn für einige Sekunden mit meinem Blick, um herauszufinden, ob er es ernst meinte. Doch so wie er aussah, meinte er es absolut ernst. Also stimmte ich zu. Ein wenig Gesellschaft würde mich sicher aufmuntern.
,,Ok, meinetwegen. Komm rüber, aber zieh dir vorher bitte etwas an!"

Ohne Dich/Kasimir Fan FictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt