„Es wäre besser, wenn wir uns duzen würden, Ela", flüsterte Herr Aslan kurz vor unserem Tisch und mir lief ein Schauer über den Rücken.
Ich war sprachlos, als Herr Aslan sich plötzlich hinter mir befand, um mir einen Stuhl zurecht zu rücken. Ich setzte mich apathisch hin und war immer noch beim Klang meines Namens aus seinem Mund etwas neben der Spur.
Ela, der Name, den ich tagtäglich aus allen Mündern hörte, klang noch nie so berauschend. Unwillkürlich breitete sich eine wohlige Gänsehaut auf meinem Körper aus. Was machte dieser Mann nur mit mir?
„Entschuldigen Sie bitte, wir haben Sie warten lassen", hörte ich dieselbe Stimme, die mich eben noch so sehr aus dem Konzept gebracht hatte.
„Aber das macht doch nichts, Deniz. Ich hoffe, Sie konnten alles klären?", grinste die Frau schelmisch.
Deniz nickte nur leicht lächelnd.
Diese Helga war wirklich seltsam. Die Frau war mindestens 50 wenn nicht 60 Jahre alt, trug entsprechend ihres Alters, eine etwas weite Bluse und Stoffhose, aber ihre Haare waren kurz und dennoch voluminös. Sie waren schon gnadenlos weiß, was sie irgendwie wie eine nette Oma wirken ließ. Dass sie dennoch keine gewöhnliche Oma, sondern womöglich einen hohen Posten besaß, merkte man an ihrem teuer wirkenden Schmuck, den sie um Hals, Ohren und Hand trug und an ihrem etwas stärkeren Make-Up.
Im Vergleich hatte ihr Mann noch einige dunkle und vor allem volle Haare. Er hatte etwas Sympathisches an sich, das ihn irgendwie jugendlich wirken ließ.
Ich unterbrach meine Musterung augenblicklich als besagter Mann mich freundlich anlächelte.
„Ich hoffe, ich gefalle der hübschen Dame", scherzte Herr Stahl, das den anderen ein Lachen entlockte. Ich merkte wie ich rot wurde. Auch wenn es von einem alten Mann kam, Komplimente hörte man doch immer gerne.
„Endlich kann ich Sie mal persönlich kennen lernen, Ela. Ihr Verlobter hat sich stets in Schweigen gehüllt, wenn es um Sie ging."
Wann hatten wir bitte ausgemacht, dass sie mich einfach beim Vornamen nennen durfte? Etwas überherzlich die Gute, dachte ich verunsichert.
„Ähm ja, so ist er." Was hätte ich denn bitte sagen sollen? Mich schauspielerisch testen wollen, ging sichtlich schief bei einem Menschen, den man als den eigenen Chef bezeichnen konnte.
„Erzählen Sie doch, wie haben Sie sich kennen gelernt. Ich finde so etwas immer so romantisch. Das erinnert mich an meine Zeit mit Herbert."
„Auf der Arbeit" „Im Park", brachten Herr Aslan und ich zeitgleich hervor. Ich blickte erschrocken. Verdammt ich musste ja seine Verlobte spielen. Etwas unsicher blickte ich ihn an, doch bevor wir eine bessere Ausrede finden konnten warf Helga noch eine Frage auf: „Wie jetzt? Ich wusste nicht, dass Sie gemeinsam arbeiten? Deniz, davon haben Sie uns aber nie etwas gesagt", empörte sich die Frau.
„Das erste Mal haben wir uns im Park gesehen und anschließend stellte sich heraus, dass Ela bei uns arbeiten wird", berichtigte Herr Aslan und ich sah wie er schwer schlucken musste.
Auch Deniz schien nicht gerade glücklich über diese Lügen zu sein. Er widmete sich seiner Karte und fragte mich, was ich denn bestellen wollte, um vom eigentlichen Thema abzulenken. Eine Weile funktionierte das auch recht erfolgreich, doch nachdem wir unsere Bestellungen aufgegeben hatten, fuhr Helga mit ihren Fragen fort.
Du meine Güte, was war sie nur für eine neugierige Frau.
„Ich verstehe das nicht ganz. Sie sagten doch, ihre Verlobte sei beschäftigt und würde eine Parfümerie leiten."
Was waren denn das bitte für Kunden? Langsam ging sie mir auf die Nerven. Sie durchbohrte regelrecht das Privatleben meines Chefs.
Auf die Gefahr hin, dass ich wieder etwas Falsches sagen könnte, antwortete ich für Deniz: „Oh, das müssen Sie missverstanden haben. Ich habe eine Bekannte, die eine Parfümerie leitet und ich habe ihr lediglich sehr gerne geholfen, aber mehr war da nicht. Es hat Spaß gemacht. Nicht wahr?" Deniz wollte ich anhängen, aber traute mich irgendwie nicht. Ich blickte ihn hilfesuchend an.
Er räusperte sich: „Richtig, Ela." Anschließend murmelte er verständlich genug für alle: „Wie haben Sie sich denn kennengelernt?"
Kluger Mann! So lenkte er von unserer Situation ab und diese Helga würde auch schön in Erinnerungen schwelgen, die sie natürlich nicht für sich behalten könnte. Und natürlich ging Deniz' Strategie auf. Sofort begann diese Frau von ihrer Beziehung mit ihrem Mann, ihrem Kennenlernen und ihrem Antrag zu sprechen.
Nach knapp fünf Minuten sprach sie immer noch und Deniz und ich quittierten ihre Erzählung nur mit einem gezwungenen Lächeln.
„Und nun sind wir schon seit über 32 Jahren glücklich verheiratet, nicht wahr Herb?"
Du meine Güte, diese Frau wollte eine Geschäftsfrau sein? Unsicher sah ich sie mir an. Etwas Überhebliches hatte sie schon an sich, aber vielleicht war sie auch eine Königin der Camouflage. Ich sollte sie lieber nicht unterschätzen.
„Wow, 32 Jahre. Das ist echt bemerkenswert", entgegnete ich, um mein Schweigen zu brechen, weil sie mich ständig mit glitzernden Augen ansah.
„Das ist wahr, aber Sie und Deniz werden sicher auch ein glückliches Paar."
„Ja, das wäre echt schön", schwärmte ich und hätte heulen können, weil dies meinem Magen keinen Gefallen tat. Dass es so weit kommen würde, war unwahrscheinlich, eher würde mich seine Verlobte am Galgenbaum erhängen.
Meinem Chef war sichtlich unwohl in seiner Haut. Hatte ich etwa wieder etwas Falsches gesagt? Woher sollte ich aber wissen, was richtig war? Ich kannte meinen Chef doch praktisch gar nicht. Oder störte ihn meine letzte Antwort? Warum hatte er nicht einfach seine Verlobte mitgenommen, wenn die Stahls sie doch so gerne kennen lernen wollten? Innerlich verfluchte ich diesen Mann erneut.
Etwas trüb spielte ich mit meinen Händen. Hätte ich das doch bloß gelassen.
„Wo ist denn Ihr Verlobungsring, Ela?", verwundert starrte Helga mich an. Was für ein Ring, fragte ich mich erschrocken.
Sprachlos machte ich meinen Mund auf, doch mehr als heiße Luft kam nicht hervor. Ja wo hatte ich meinen Ring? Spätestens bei einem Heiratsantrag wurde ein Ring angesteckt. Ich schluckte und wusste nicht, wie ich dieser Frage umgehen sollte.
Nebenbei bemerkte ich, dass selbst Herr Stahl, der uns die ganze Zeit eher schweigsam beobachtet hatte, jetzt neugierig aufblickte.
„A-Also der R-Ring, den..." Ja den was?
„Den musst du wohl vergessen haben, Schatz", antwortete mein Chef für mich und bei dem Kosenamen schluckte ich schwer. "Schatz", dachte ich alles andere als begeistert. Was musste er so übertreiben?
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Plötzlich war es Liebe
Romance„Wenn ich ehrlich sein soll... dieser Herr Aslan ist der letzte Arsch!" presste ich gereizt hervor. „Ach ja, bin ich das?" Diese Stimme! Augenblicklich blieb mein Herz stehen, als mein Kopf ruckartig nach hinten fuhr und ich dort niemand anderen als...