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Mein Körper pochte, besonders an der Stelle, wo er seine Hand hatte und ich verfluchte mein Schweigen oder zumindest mein Nichthandeln. Sicher spürte er meinen holprigen Herzschlag von meinem Bauch aus. Weit war es ja nicht bis zum Herzen. Nebenher redete Deniz seelenruhig mit Herrn Weber, während ich hier regelrecht verging. Er tat so, als wäre die Hand gar nicht da, wo sie wäre. Langsam bekam ich keine Luft mehr. Dieser enge Raum und dann noch diese Hand, die Hitze, die sich plötzlich in meinem Inneren ausbreitete. Die Angst, Herr Weber könnte die Hand bemerken, obwohl das praktisch unmöglich war, man konnte nicht mal nach unten sehen, so eng standen alle beieinander. All das raubte mir den letzten Nerv.

*Pling* machte es nach einer Ewigkeit und allmählich verließen die Herrschaften vor mir den Aufzug. Nahezu panisch löste ich mich von Deniz Umarmung und ebenso fluchtartig verließ ich auch den engen Raum und traute mich nicht aufzusehen.

Inzwischen war es bereits über eine Stunde her, seit wir auf der Messe waren. Es war rappelvoll hier. Schon so früh am Morgen waren überall Stände von Unternehmen unterschiedlichster Art und Größe, Sprache und Stil aufgebaut. Es war riesig. Ich ignorierte Deniz, so wie praktisch die ganze Woche auch schon. Er hatte mir unmissverständlich klar gemacht, dass er sauer auf mich war, doch was die Aktion im Aufzug zu bedeuten hatte, wüsste ich doch zu gerne. Das ging eindeutig einen Schritt zu weit! Er konnte und durfte mich nicht so berühren.

Ich begleitete Herr Krämer, während Kevin mit Herrn Stein unterwegs war. Wir waren auf der Suche nach potentiellen Geschäftspartnern. Mit der Checkliste in der Hand redete ich mal gemeinsam mit meinem Kollegen und mal selbstständig mit den Firmen. Ich war zu zerwühlt, als ich irgendwann nach zwei Stunden zurück zu unserem mittelgroßen Stand ging. Kevin war noch nicht zurück und Herr Weber und Deniz waren auch beschäftigt. Eine Weile stand ich neben Herrn Krämer und sah ihm zu, wie er Interessenten an unserem Stand empfing und versuchte mich dann auch irgendwann alleine andere zu beraten. Die Zeit verflog und ich blühte richtig auf. Ich gewann immer mehr an Selbstvertrauen und beriet potentielle Kunden und Lieferanten.

Irgendwann stand ein Mann vor mir, der sich als ehemaliger Student von meiner Hochschule entpuppte. Positiv überrascht unterhielten wir uns plötzlich nicht mehr über Firmengespräche, sondern drifteten zu privaten Hochschulerlebnissen. Es war amüsant zu wissen, dass ich jemanden, der das gleiche wie ich an der selben Hochschule studiert hatte, hier traf.

„Und was ist mit Herr Lennert? Ist er immer noch dabei?"

„Herr Lennert, ich glaube, so leicht wird er den Löffel nicht abgeben", lachte ich.

„Da stimme ich Ihnen zu. Als ich vor fünf Jahren meinen Abschluss gemacht habe, war er glaub so um die 55 Jahre alt."

„Ja, könnte hinhauen. Ich gebe ihm auch nur noch maximal zehn Jahre bis zur Rente."

„Wie lange geht dein Studium noch? Entschuldige, ich darf dich doch duzen, oder? Schließlich bist du so was wie ein fast Kommilitone", grinste er und flirtete mit mir. Irgendwie wäre mir eine gewisse Distanz lieber gewesen.

Notgedrungen nickte ich lächelnd. Ich hätte schließlich schlecht nein sagen können.

„Noch ein Jahr dann. Ich bin ja fast fertig mit dem Praktikum."

„So, das ist ja toll! Dann musst du nur noch deine Thesis schreiben?"

„Ja, also fast. Hab ja noch zwei Semester vor mir."

„Weißt du schon wo oder wie? Ich meine theoretische oder praktische Abschlussarbeit?"

„Praktisch wäre natürlich nicht schlecht."

„Wirklich? Wir sind immer wieder auf der Suche nach Bacheloranden."

Okay, was sollte dieses Zwinkern?

Plötzlich war es LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt