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„Deniz", schnappte ich erschrocken nach Luft, als sein Kopf Platz auf meiner Schulter fand.

Er gab mir einen leichten Kuss auf den Hals und mein Körper begann erneut zu beben.

Ich versuchte ihn wegzudrücken, doch diesmal hatte ich keine Chance. Ich war ihm ausgeliefert. Verzweiflung machte sich in mir breit.

„Deniz, nein! Geh runter bitte!"

Für einen Moment hob Deniz seinen Kopf und sah mich an, wischte mir plötzlich Tränen, von denen ich nicht bemerkt hatte, dass sie geflossen waren, weg und schenkte mir ein sanftes Lächeln.

„Pscht, keine Sorge. Ich werde dir nichts tun. Ich möchte nur reden."

„Reden?", brachte ich bebend hervor. „Worüber?"

„Über Selin und unsere komplizierte Beziehung und... über Leyla...", erwiderte er und für einen Augenblick schwand sein Lächeln.

„Leyla?"

„Emins Mutter... und meine verstorbene Frau."


Seine Frau?, fragte ich mich überrascht. Eine Weile regte er sich nicht. Ich spürte nur seinen heißen Atem an meinem Hals, was mir das Denken und vor allem Sprechen erschwerte.

„Ela, bevor du mich unterbrichst, möchte ich dir meine Geschichte erzählen. Es fällt mir nicht leicht darüber zu sprechen. Du wirst die erste sein, der ich alles anvertrauen werde." Er flüsterte beinahe bei diesen Worten. Noch immer hatte sich mein Körper nicht beruhigt, doch ich war neugierig und brachte somit ein „okay" zustande.

Anschließend wartete ich ab. Er ließ sich Zeit, aber man merkte, dass ihm das wirklich schwer fiel. Normalerweise war Deniz niemand der lange fackelte. Er zögerte ja schon mal selten. Wer wusste schon wie schwer das für ihn sein musste? Ihn vom Gegenteil zu überzeugen versuchte ich aber erst gar nicht. Ich wollte mehr über ihn wissen, auch wenn es schwer für ihn fiel, auch wenn er über seine verstorbene Frau sprechen musste. Wann er wohl verheiratet war? Wann sie wohl gestorben war? Noch ehe ich mir weiterhin darüber den Kopf zerbrechen konnte, rutschte Deniz etwas zur Seite, um mich mit seinem Gewicht nicht zu erdrücken und begann anschließend zu sprechen.

„Ich war sieben als meine Eltern beschlossen nach Frankfurt umzuziehen. Ich war erst in der zweiten Klasse... In meiner neuen Klasse waren drei Jungs, die mich auf Anhieb nicht ausstehen konnten und es sich zur Aufgabe gemacht hatten, mich fertig zu machen. Sie waren zu dritt und ich alleine, da ich zu dem Zeitpunkt noch keine Freunde auf meiner neuen Schule hatte. Ich hatte keine Angst vor ihnen, aber egal wie furchtlos ich war, ich konnte es nicht mit drei Jungs auf einmal aufnehmen, zumal der Anführer dieser Bande ein gewichtiger Junge war. Sie machten mir von Anfang an das Leben schwer, doch ich ließ mich nicht unterkriegen. Sie suchten nach einer Gelegenheit, um mich fertig zu machen und fanden diese in der zweiten Schulwoche. An diesem Tag war ich länger in der Schule. Ich weiß gar nicht mehr warum. Jedenfalls verließ ich nach allen anderen das Gebäude. Schon am Ausgang merkte ich wie die drei Jungs ungeduldig auf dem Schulhof standen. Ich sah sie berechnend an, doch ich hatte ihnen nicht zugemutet, mich in der Schule anzugreifen. Sie versuchten mich zu verprügeln. Ich wich dem ein oder anderen Schlag aus, doch einer gegen drei? Das ging natürlich nicht auf. Der gewichtige Junge erwischte mich, sodass ich rücklings auf den Boden fiel. Ich war klein und schmächtig und als sich plötzlich der, der mich getroffen hatte auf mich setzte und erneut auf mich einschlug hatte ich keine Chance, so versuchte ich wenigstens mein Gesicht zu schützen, aber steckte trotzdem einiges ein. Ich hatte bereits die Hoffnung aufgegeben, dass mir irgendjemand helfen würde, doch eine Person war noch an der Schule. Warum sie dort war, weiß ich nicht mehr. Aber sie war da, wie ein... Engel. Leyla kam sofort angerannt und hat versucht die Jungs von mir wegzuzerren. Diese lachten sie nur aus. Sie gab nicht auf und schrie, dass meine Peiniger sofort aufhören sollten. Sie verschwand für einen Moment, ich merkte, dass mir mein Kopf schmerzte, aber ich gab keinen Mucks von mir. Ich wollte keine Schwäche zeigen. Plötzlich kam Leyla zurück und sie war nicht alleine. Sie hatte den Hausmeister gerufen. Als die Jungs den Hausmeister kommen sahen, sprangen sie auf und liefen davon. Da ich meinen Kopf gut geschützt hatte, verspürte ich nur ein Schwindelgefühl. Ich schmeckte Blut und erkannte die Quelle. Meine Nase blutete. Der Hausmeister war verschwunden. Er war zum Rektor geeilt um einen Arzt zu rufen. Währenddessen versuchte Leyla meine blutende Nase abzutupfen. Ich weiß noch genau, wie ich reagiert hatte. Ich schlug ihre Hand weg und blitzte sie wütend an. Sie solle verschwinden. Ich wollte nicht so schwach aussehen. Nicht vor einem Mädchen... Ich war ja noch ein Kind... und Mädchen blöd... Das war der Tag, an dem sie mich zum ersten Mal beschützte.... meine Leyla."

Plötzlich war es LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt