Datenübertragung: Rose D. Hawk (POV)
Zwei Wochen hatte ich überstanden, ohne komplett den Verstand zu verlieren.
Nachdem Phynx meine Medikamente in Kazakas Auftrag gestohlen hatte, hatte ich versucht, mein Rezept vorzeitig bei der Apotheke einzulösen. Dummerweise hatte ich nur einmal monatlich Anrecht auf die mir verschriebene Dosis und so war ich gezwungen, mich selbst auszuhalten, bis ich den Kalender umblättern konnte. Selbst auf mein Drängen hin hatte mich der Arbeiter an der Rezeption abgewiesen. Man hatte mir keine Chance gegeben, mich zu erklären oder um Hilfe zu bitten. Für diese Leute galt man als Junkie, sobald Medikamentenmissbrauch in Verdacht stand. Ganz gleich, welche Gründe man nannte, es wurde einem nicht zugehört. Und das war das Schlimmste an der Sache – die Ignoranz.
Mit jedem Tag war ich unruhiger, erschöpfter und innerlich leerer geworden. Mittlerweile verfügte ich kaum über die Kraft, die Tests meiner Schüler zu korrigieren, manchmal allein schon aufzustehen und mich aufs Fahrrad zu setzen. Ich war erledigt und ich war krank und ich brauchte dringend etwas, um meinen Zustand zu beenden oder dieser würde sich drastisch verschlechtern. Vier Jahre – ausgerechnet zu meiner Zeit bei Firewalk – war mir nicht aufgefallen, dass ich nicht normal war. Zur Hölle, Klaus hatte es vor allen anderen bemerkt, und damals hatte ich noch gar nicht unsere Wohnung verlassen. Vier Jahre Krankheitsverlauf, die sich jetzt wie wenige Wochen anfühlten.
Und ich hatte theoretisch noch eineinhalb vor mir.
Ich fuhr bei Regen die Straße entlang, meine Haare zu einem Zopf gebunden, flatternd im Fahrwind. Der Vormittag war grau und düster. Ohne meine Medikamente reagierte ich viel empfindlicher auf die Lichter, die mir Autos entgegenschienen. Sie blendeten. Der Lärm des Verkehrs sägte sich wie eine Kreissäge in mein Gehör und ich hatte Mühe, all diese Störungen auszublenden, um keinen Unfall zu bauen. Irgendwie musste ich schließlich vorankommen.
Nässe strömte in mein Gesicht und ich blinzelte die harschen Tropfen aus meinen Augen. Der Weg vor mir schien enger und verzerrter zu werden, die Geräusche wurden dumpfer. Ich sollte mich beeilen.
Ich konnte meine Symptome keine acht Tage länger voranschreiten lassen.
Vor allem dachte ich dabei an meine Schüler, die sich auf mich verließen, denen ich versprochen hatte, sie zu belehren und stets für sie erreichbar zu sein. Ich dachte an Klaus, mit dem ich jeden Abend telefonierte, sodass er mich in den Schlaf reden konnte, weil ich selber dazu nicht mehr fähig war. Hinzu kam die Suppenküche, wo Marko meine Schichten hatte streichen müssen. Cuano, die ich mit meiner groben Distanz verletzt hatte. Roy, in dessen Studio ich während des Boxens zusammengebrochen war und er mich unter Tränen hatte festhalten und beruhigen müssen. Oh, das ist so peinlich gewesen. Der halbe Club hat mir zugesehen!
Ohne Kontrolle war ich hypersensibel, überreizt und extrem unkonzentriert. Alles fühlte sich nach zu viel an und nichts nach zu wenig. Ich konnte weder ruhig sitzen noch etwas mit meinem Tag anfangen. Meine Gefühle spielten verrückt. Ich hätte beinahe einen Kuss zwischen mir und Cuano zugelassen.
Oh Gott, was war nur los mit mir?
Ich schüttelte den Gedanken an meine Schülerin ab, selbst wenn sie im Moment das für mich darstellte, was man als Hoffnung bezeichnen konnte. Dieses Schloss aus den Bechern von ihr zu kriegen, es hatte mich überrumpelt. Es war eine wirklich aufmerksame und liebe Geste gewesen. Ich hatte so viel empfunden, dass ich aus meiner Haut gefahren war und nicht mehr klar hatte denken können. Kurz. Zum Glück nur kurz. Wobei ich sie lange umarmt hatte. Wie lange war das gewesen? Denk nach, Rose! Du hast doch nichts Falsches gemacht, oder? Hatte ich Cuano verschreckt?
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A Baptism of Fire - Hawk's Eyes Serie
Science Fiction"Schockierend, düster, romantisch" Vor sieben Jahren hat Kaya ihre Eltern bei einem Anschlag verloren. Seitdem ist sie besessen von dem Ziel, sich an den Terroristen zu rächen, die dafür verantwortlich sind. Ihr Plan, eine Zukunft bei FIRMA anzufang...