Protokoll: Und der Plan eines Geistes lichtet sich III; part 50

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Datenübertragung: Rose D. Hawk (POV)





Ich traute mich nicht, die Lider zu heben.

Wann auch immer ich die Augen öffnete oder meine Ohren nicht zuhielt, hörte ich ihn, sah ich ihn, den Schatten. Rastlos marschierte er in meinem Zimmer auf und ab, und seine Schritte knarzten auf den Dielen wie die eines Matrosen auf einem alten, brüchigen Schiffsboden. Und es schaukelte, es schaukelte in meinem Kopf. Ich hatte Angst. Es war finster, nachts, und er ließ mich nicht ruhen, wenngleich ich das seltsame Gefühl hegte, dass er mich beschützte. Auf seine Weise. Manchmal, sofern ich mutig genug war, blinzelte und erschrak ich mich, weil er direkt über mir stand und auf mich herabglühte aus seinen rubinfarbenen Höhlen. Der Schatten schien missmutig und unruhig. Ich wollte, dass er ging. Ich wollte schlafen. Ich wollte mal keine Albträume haben.

Ich verstand nicht, was mit mir nicht stimmte. Ich war gestresst, verängstigt, einsam und ich war tagsüber müde, so müde, denn mich machte dieser Schatten nervös. Das Geflüster und Gewimmer, das ich hörte, hielt mich wach, mal war es leise, dann lauter, und ich weinte in mein Kissen vor Frustration. Phynx lebte nebenan und kam, falls er noch nicht selber schlief. Es irritierte ihn, dass ich mitten in der Nacht schrie und verheult war, doch er bedrängte mich nicht mit Neugierde. Er war einfach da. Für mich.

Mein geröteter Blick haftete an der Tür, wo der dunkle Schatten wachte, während Phynx aus Laune heraus meine Nägel lackierte. Er färbte sie passend zu den Haaren, die er mir getönt hatte. Korallrot. Es stand mir, genauso wie die Vogelfeder auf meinem Schlüsselbein. Magenta-azurfarben. Das war eine schöne Federkombination. »O Baby, das geht so nicht«, er schnalzte mit der Zunge, »du musst sorgfältiger feilen. Ist sonst Verschwendung. 'ne Tusse muss geile Nägel haben, wenn sie genagelt werden will, Regel Nummer Eins im Handbuch der Männer, Mann.«

Ich fixierte mich auf mein fahles Nachttischlicht, als ich den Kopf senkte. »Entschuldige.«

»Was'n los mit dir? Carol wird schon eifersüchtig, meint, wenn ich ständig bei so 'nem jungen Ding rumhänge, soll ich sie gleich für dich verlassen. Die spinnt doch, Baby. Du bist mehr wie 'ne kleine Schwester, normalerweise vögeln Brüder nicht ihre Schwestern ... außer in den Städten, aber die Stadtleute sind auch alle extravagante Fotzen«, grollte Phynx mit seiner rauen, schrillen Stimme. Er wedelte die Farbe trocken. »Ich mach mir Sorgen wie 'n großer Bruder, weißte? Du heulst zu viel, das sieht beschissen an dir aus.«

»Entschuldige«, murmelte ich abermals deprimiert.

»Brauchst du jemanden, der deine Laken warmhält? Alleinsein ist kacke zum Pennen.«

»Nein«, seufzte ich und schlang die Arme um meine angezogenen Knie. »Ich vermisse meinen Bruder.«

»Ach, bist du auch so eine?«

»Was? Nein.« Sein ernsthafter Kommentar brachte mich fast zum Schmunzeln. »Ich bin ... ich fühlte mich unverstanden. Und ich bin verwirrt. Es tut mir leid, dass Carol meinetwegen böse ist. Soll ich mit ihr reden?«

»Ne, die kriegt sich schon wieder ein«, winkte Phynx ab. Die Konturen seiner Muskeln zeichneten sich von seinem hageren, schlaksigen Körper ab. Ich beneidete ihn um seine Tätowierungen. Er war ein Kunstwerk, und er war lieb, obwohl er ein bisschen verrückt war. Vielleicht mochte ich ihn deshalb. Wir beide waren verrückt, jedenfalls vermutete ich, es zu werden. Dieser Schatten, lediglich mir offenbarte er sich, und kein anderer konnte ihn ausmustern. Ich fragte mich, ob ich ihn mir einbildete oder ob er real war, ob es sich um ein Phänomen handelte oder ... ach, ich wusste es nicht und ich wurde irre von den Rätseln, die sich in meinen Gedanken wie ein Kreisel drehten. Die Begegnung mit der alten Frau, das, was in dem Berg geschehen war, die Verzerrungen und Verformungen in Räumen, unnatürlich und plötzlich auftretend, rasch schwinden, bis mir schwindelig war ... Es war mir zu viel. Viel zu viel. Und nur mir ging es so. Ich hatte nachgefragt. Oh, diese verwunderten Blicke ... Ich könnte heulen. Schon wieder. Ich war so allein damit.

A Baptism of Fire - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt