Protokoll: Ein Funken Reue II; part 45

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Datenübertragung: Kaya Cuano (POV)

Gehörnte Schatten bei Nacht, ein Glimmen, gleich der Bewegung eines Glühwürmchens, das sein Leuchten verliert und stürzt. Der Funken zog einen Schweif nach sich. Wie eine Sternschnuppe. Ich sah doppelt, verschwommen, und das Bild vor wir verschwamm. Meine schwachen Füße drückten sich gegen den nassen Boden, ich kippte, rutschte aus, hustete, wo mich der Benzingeruch in der Nase reizte. Zu spät. Die Zigarette berührte den Kraftstoff und ich erwartete, in Flammen aufzugehen, doch nichts geschah.

Die Kippe war noch während ihres Falls erloschen.

Und man lachte mich aus, es war ein gehässiger, sadistischer Einklang, und ich war wehrlos, ich konnte mich lediglich ein zweites Mal vor Übelkeit übergeben, nun, und das tat ich. Ich lag in Benzin. In meinem eigenen Erbrochenen, das sich mit dem Blut, welches aus meiner Kopfwunde trat, vermischte. Ich lag bis zur Morgendämmerung darin, nicht wach, aber auch nicht schlafend, ein bisschen tot. Zumindest fühlte ich mich so.

Bevor es zu hell wurde, rappelte ich mich auf und humpelte auf das Internat zu. Ich betete, dass mir keiner begegnete auf meinem Weg ins Zimmer. 04:54 Uhr, las ich zittrig von meinem Handybildschirm. Ich fluchte, wählte meine Schritte sorgfältig, versteckte mich vor den Ersten, die sich zu den Duschen begaben. Heute war ein Schultag. Fuck!

Mit Geschick erreichte ich meinen Raum und schob die Tür leise hinter mir zu. Es war stickig, so unordentlich, dass es mich plötzlich störte, wie schlampig ich lebte. Indes ich mich langsam aufs Bett senkte, erlitt ich einen Hustenanfall, einen heftigen. Gleichgültig nahm ich das Blut in meinen Händen zur Kenntnis, als ich sie von meinem Mund entfernte. Mein Körper schmerzte. Ich atmete vorsichtig. Meine Rippen waren verstaucht, nicht gebrochen. Die Gegend war bläulich gefärbt, wo mich der Schlagring getroffen hatte.

Eine Stunde saß ich auf meinem Bett und starrte an die Wand, meine Gedanken unklar, leer. Meine Augen bargen kein Leben beim Blick in den Spiegel, über welchem ein altes T-Shirt hing. Ich drehte den Kopf ein Stück. An der linken Seite von der Schläfe bis zum Ende meines Kiefers war ein dicker Blutfluss eingetrocknet. Auch diese Wunde schien nicht so schlimm wie angenommen. Weh tat sie trotzdem.

Ich versuchte zu schluchzen, weil der Schmerz aus irgendeinem Grund überwältigend war, doch ich konnte keinen Laut erzeugen, keine Träne ausbrennen. Ich fühlte zu wenig, um zu weinen. Gar nichts. Da war nichts in mir.

Ich musste mich für die Schule zurechtmachen.

Linkisch und ungeschickt trampelte ich mich aus meiner Jeans, schob mein Oberteil über den Hals, hing fest, befreite mich nach etwas, das mir wie eine Ewigkeit vorkam. Ich schnupperte an meinen Sachen, um herauszufinden, was ich noch anziehen konnte, und schlüpfte in das hinein, was am saubersten roch. Ich überdeckte den gestrigen Angstschweiß mit Deo und Raumerfrischer, fürs Duschen keine Zeit. Ein Feuchttuch half mir, das Blut und das Erbrochene aus meinem Gesicht zu wischen und ich verstaute meine klebrigen Haare unter einer Mütze, die Lay mal vergessen hatte. Fertig. Es war fast so, als wäre nichts gewesen.

Als hätte ich gestern nicht wie ein hilfloses, machtloses Weichei in meinem eigenen Dreck vor Todesangst gezittert.

Es war nie passiert.

Mir ging es gut.







Sechs Wochen trug ich dieses Geheimnis mit mir herum und ich wusste, ich würde niemals zugeben, dass ich, Kaya Cuano, fast von zwei Teenagern umgebracht worden wäre, die mir Haare geklaut hatten. Das verstand ich am allerwenigsten. Warum überfiel man jemanden seiner Haare wegen? War das ein Trend? Hatte ich was verpasst? Außerdem hatte ich zugelassen, dass sie mich bedrohten. Rose bedrohten. Gott, ich schämte mich so sehr. Ich hatte mich selber nicht beschützen können. Vor zwei Kindern! Wie sollte ich dann Rose jemals Schutz bieten können? Den Menschen vor Firewalk?

A Baptism of Fire - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt