Protokoll: Und der Plan eines Geistes lichtet sich; part 48

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Datenübertragung: Kaya Cuano (POV)

Routine, sie war etwas, was ich nicht ausstehen konnte und sich dennoch stets auf irgendeine Weise im Leben eines Menschen etablierte, ob er sich dessen bewusst war oder nicht, und das war zu meiner geworden: aufwachen, Pille schlucken, Zähne putzen, duschen, den Mund mit Wodka ausspülen, ins College gehen, Unterricht, lernen, lernen, lernen, trinken, Pille schlucken, boxen, lernen, joggen, essen, einen Nervenzusammenbruch erleiden, schlafen, alles von vorne. Ich war auf 'nem Trip, ich war wie betäubt, ich balancierte auf einem seidenen Faden und hoffte, dass er riss, sodass ich wieder trinken, mich kaputtmachen und lamentieren konnte.

Fuck, ich war nicht mehr ich selbst – und es war mir egal.

Es hatte damit gestartet, dass ich mich heimlich volllaufen ließ, ich kippte nachts Flaschen, als wären sie Limonade, ich nippte während des Schulalltags an meinem Flachmann, von dem jeder annahm, er wäre mit Saft oder Wasser gefüllt. Ich hatte die Schmerzmittel hervorgeholt, die man mir nach dem Schulausflug in Galloneya im Krankenhaus verschrieben hatte, und ich nahm sie, regelmäßig. Noch waren sie nicht leer, doch das Rascheln der Kapseln verstummte immer weiter. Mit jedem Tag, an dem ich fortfuhr. Ich feierte in Clubs, allein, drückte meine Lippen auf fremde Gesichter, ohne Grund, einfach so, ich hatte Bock und die, die ich küsste, ebenfalls. Ich versuchte zu vergessen. Ich versuchte, mich nicht tot zu fühlen. Aber gleichgültig, was ich tat, es gelang nicht, also erhöhte ich die Dröhnung, die Dosis, was auch immer, und es wurde schlimmer und schlimmer.

Genau wie ich.

Ich war abgefuckt, ich büßte meinen Verstand ein, ich hatte meine Beziehung verloren, Rose lehnte mich ab ... scheiß auf die Schlampe! Ich heulte, obwohl ich nicht wollte, ich hatte sooft in mein Kissen geschrien, dass meine Stimme heiserer als sonst war und ich schien dort zu zerbrechen, wo ich die Wunden flicken wollte – mit Alk, mit Aktion, Gras, harmlosen Drogen, Partys ... Gott, schon klar, jeder würde mir raten, ich solle meine Probleme meinen Freunden anvertrauen, meiner besten Freundin, Ellie, aber dann würden sie real und das vertrug ich nicht, nicht im Augenblick, zumal mich niemand verstehen würde, hatten sie nie.

Apropos, Ellie ahnte, was vor sich ging, sie konnte meinen Atem riechen, der nach Schnaps und Bier stank, außerdem war sie eine der wenigen, die die Schwärze meiner Augen von der meiner Pupillen unterscheiden konnte, und die waren zurzeit absonderlich. Mich wunderte, warum sie es nicht ansprach, wenngleich sie mich außergewöhnlich lange umarmte und mich aufsuchte, um »nach mir zu sehen«. Wartete sie darauf, dass ich sie einweihte? Nope, ganz sicher nicht.

Wochen passierten, bis ich den Schmerz ausgehöhlt hatte und nichts mehr von mir übrig war. Falls ich etwas empfand, waren es entweder Wut oder Leere, sehr oft auch Langeweile, gähnend, quälend und unerträglich. Ich war unruhig und aggressiv und meine Hände zitterten manchmal derart unkontrolliert, dass es nicht einmal half, sie in den Hosentaschen zu verstecken, da zudem meine Beine wippten, sich mein Körper anspannte und ich schwitzte. Ich wusste, was das bedeutete. Er forderte Skydive. Skydive war zur einzigen Droge geworden, die stark genug war, in mir zu wirken nach all dem Schaden, den die anderen angerichtet hatten. Blöd genug, diese zu konsumieren, war ich jedoch nicht. Ich hatte nach wie vor meine Ziele und Pläne und das würde ich mir nicht versauen, indem ich dahin zurückkehrte, wo die harte Arbeit erneut beginnen würde. Ich war bereits auf Entzug gewesen. Einen zweiten würde ich nicht überleben, die meisten Abhängigen hatten es nicht, und ich wollte nicht denselben Fehler begehen. Ich. War. Stärker.

Ich musste nur etwas Dampf ablassen.

Mir war kalt, und mir stellten sich die feinen Härchen einer Gänsehaut auf. Ich hatte die Jacke, die mir Rose geschenkt hatte, in den Müll geschmissen (und am liebsten hätte ich sie verbrannt). Darum trug ich nur ein dunkles Sweatshirt, meine engen Jeans und klumpige Boots, während ich gesenkten Kopfes die Straßen entlangwanderte. Es war düster und mitten unter der Woche, 24:07 Uhr. Ich war abgehauen, nachdem ich erfahren hatte, dass Rose die Nachtwache hielt, ja, und natürlich hatte sie mich mindestens fünfmal angerufen, weil ich fehlte. Ich war nicht rangegangen. Sie hatte kein Recht, sich um mich Sorgen zu machen. Sie hatte bewiesen, dass ich für sie nur Dreck war, eine Ratte aus der Gosse, die sie verabscheute. Galloneya war meine Heimat, FIRMA meine Zukunft, und deswegen liebte sie mich nicht mehr? Sollte sie sich doch selber ficken! Ich würde sie nie wieder anrühren.

A Baptism of Fire - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt