Protokoll: Fieber III; part 40

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Datenübertragung: Rose D. Hawk

Einmal sagte Azura: »Hast du je die Glaubenssätze verdreht und begriffen, dass der Sensenmann gar kein böser Geist ist? Dass er stattdessen eine tragische Gestalt ist?« Sie nippte an ihrem Whisky und starrte mit einer Decke über den Schultern in das Kaminfeuer. Ihre Kammer war dunkel. Kore die Zweite wachte zu ihrer Rechten. »Er ist gefangen auf der Schwelle. Eine Kette rasselt hinter seinen schlurfenden Schritten, und jeder, der ihr Scheppern vernimmt, rennt vor ihm davon. Vielleicht hegt er nicht die Absicht, nach Leben zu trachten. Schmachtet den Lebenden sogar hinterher, weil er wissen möchte, wie es ist. Zu fühlen. Zu leben. Doch immer dann, sobald er nach einer Seele langt, erlöscht sie. Sie stirbt. Und er ist wieder einsam.« Rötlich-goldene Flammen spiegelten sich in ihrer Sonnenbrille wider. Sie schmiss ihr Glas hinein, und ich erschrak. »Jämmerlich!«

Ich traute mich nicht, mich zu rühren. Sie hatte einen ihrer besonders düsteren Tage. »So habe ich das nie betrachtet«, gestand ich vorsichtig.

Nicht vorsichtig genug. Azura packte mich ruckartig, drückte mich nach unten und hielt mein Gesicht ans Feuer. Die Hitze schmerzte schon nach kurzer Zeit. Ich winselte, aber sie ließ nicht locker. Wurde grober. »Sieh in die Glut, dort ist er, und er ist ich!«

»Bitte ...«, flehte ich.

»Willst du wirklich an der Seite eines Menschen verweilen, der dich mit seiner Berührung tötet?«, zischte Azura gnadenlos.

»Mir ist es egal«, schluchzte ich, »solange ich überhaupt berührt werde!«

Sie riss mich zurück in die Höhe, nur um mich auf den Boden zu schleudern. »Womöglich bin ich doch nicht der Sensenmann. Denn meine Berührung«, sagte sie kalt, starr, »quält dich mehr, als es der Tod allein könnte.«







Ich erwachte mit Herzpochen. Kaya schnaufte an mir, mühevoll. Wir waren nackt und ich erinnerte mich, wie der gestrige Abend verlaufen war.

Nachdem sie eingeschlafen war, waren mir wieder diese Bilder im Kopf erschienen, wie ich diese Männer ermordete. Mit Kaya hatte ich sie verdrängen können, doch ohne sie ... Ich hatte Albträume von dem Monster in mir. Von Kazaka und wie sie dieses Monster dressiert und für eigene Zwecke benutzt hatte. Sie hatte recht, ich war ein Hund, und auf Befehl tötete ich. Ich bemerkte gar nicht, was ich während meiner Wahnvorstellungen tat. Ich sah es. Verhindern konnte ich es trotzdem nicht. In diesen Momenten fühlte es sich echt an. Wie ein Zwang, dementsprechend zu handeln. Ich war so abgefuckt.

Mein Wecker ertönte. Automatisch versteckte sich Kaya in meiner Umarmung, als könnte sie so dem Geräusch entfliehen. Sie stöhnte missmutig. »Ausmachen!«, nuschelte sie müde.

Ich ersparte ihr den Refrain des launischen Punksongs und küsste sie auf den Scheitel. »Ich muss zur Arbeit.«

»Melde dich krank«, brummte sie.

»Ich kann nicht«, erwiderte ich schuldig und befreite mich aus dem Bett. Sowieso fühlte ich mich nicht willkommen, bei ihr zu bleiben. Sie hatte mich in unserer ersten Nacht abgewimmelt, was mich zutiefst verunsicherte. Unsere Beziehung war mittlerweile zu persönlich, als dass ich sie manchmal noch richtig einschätzen konnte. Meine Gefühle blendeten mich in der Hinsicht.

Kaya ergriff hastig mein Handgelenk. Ihre Augen standen offen. »Warte, ich ... Sorry«, seufzte sie. Erwartungsvoll schaute ich sie an, bis sie weitersprach. »Ich war gemein zu dir, stimmt's? Ich hab wieder mal nur an mich gedacht, als ich dir den Rücken zukehrte.«

Ich konnte nicht nachtragend sein und streichelte ihre Hand. »Du hattest eine harte Woche. Ich verstehe das.«

Ihr Blick schweifte über meinen entblößten Körper. »Bleibst du?«

A Baptism of Fire - Hawk's Eyes SerieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt