Kapitel 62

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(10.04.2017)

Ich kann es einfach nicht glauben. Bin ich vielleicht an Überarbeitung gestorben oder ist 'Illusion' eine Nebenwirkung von Stress? Anders könnte ich mir das nicht erklären. Der einhundertsiebzig Zentimeter große Mann läuft neben mir. Sein Augenpaar war starr gerade aus gerichtet. Ruhe ist zwischen uns, jegliche Anspannung hat sich aufgelöst und nun gehen wir gemeinsam die Flure entlang bis wir auf dem Parkplatz rauskommen. Nie hätte ich gedacht, dass es bei unserem Wiedersehen so gut läuft, schließlich endete unsere Beziehung in einem schlechten Drama. Wir haben uns Leid zugefügt, wodurch ich mir sicher war, er würde mich hassen und anschreien, wenn ich unter seine Augen trete. Aber das Gegenteil war der Fall. Kenma machte unlustige Bemerkungen, weshalb ich in Gelächter ausbrach und alles fühlte sich so als gebe es diese jahrelange Pause zwischen uns nicht.

Mein Kenma ist wieder da.

„Du starrst mich noch immer an. Kuro, das ist unangenehm." Er hob sein Kopf und ich sah schnell weg. „Seit wann kommst du mit dämlichen Kommentaren, sonst hast du dich immer in Videospiele gestürzt und warst ruhig." „Ach, ich hab deine dummen Sprüche vermisst und irgendwann fing ich selbst damit an", antwortete er Schulterzuckend. Er hat mich vermisst! Warte... „Meine Kommentare waren nicht dumm!" Meine alte Bekanntschaft unterdrückte ein Lachen, als mehrere Mitarbeiter mich komisch ansahen. Okay, das ist peinlich als Vorgesetzter. „Wir gehen schnell", flüsterte ich genervt. Meine Schicht ist vorbei! „Wollen wir jetzt etwas trinken gehen, oder nicht?", wollte nun Kenma wissen, als wie die letzten Treppen zum Haupteingang runterliefen. „Was, jetzt noch? Die Bahn müsste-..." „Du hast noch immer kein Führerschein?", lachte er. Empört sah ich ihn an. Der Junge ist unmöglich geworden. „Ich bin ein vielbeschäftigter Mann!" Ein leises Lachen ertönte und ich konnte nicht anders als bei diesem Anblick zu schmunzeln. Er ist offener, selbstbewusster und fröhlicher, doch er ist immer noch Kenma. Der kleine Junge aus meiner Kindheit ist nun groß geworden. Zusammen liefen wir aus dem Gebäude heraus und sahen, wie Ito sich von allen verabschiedet. Der Arbeitstag lief für sie grandios und für mich war das der beste Tag seit Jahren. Ich sah ihn an, wie er zu seinen Freunden rüber lief und mit ihnen etwas absprach, ehe er mich zu sich wank.

„Toku und Yuyu fahren jetzt auch nach Hause, also gehen wir etwas trinken", erklärte er. Bei ihm scheint das so einfach, aber für mich ist es eine Herausforderung. Klar, im Vergleich zu damals ist mein Gehirn klarer und ich kann zwischen 'Rosa-roter-Brille' und der Realität unterscheidet, andererseits möchte ich alles sofort klären. In mir tummeln sich so viele Arte der Entschuldigung, indessen auch der Fakt, dass ich selber schuld bin, und die Angst weiterzumachen. Aussichtslose Lage, demgegenüber hab ich einen Wilen. 'Mach was dir in den Kopf kommt und genieße', das sagte Bokuto vor einem Match zu dem neuen Spieler. Ich beobachtete ihn genau, weil seine Depressionsphasen nun interessanter mit anzusehen sind, nichtsdestotrotz kann man diese nicht mehr so nennen. Jeder ändert sich, aber die Basis bleibt immer gleich.

„Viel Spaß euch noch, tschau!" Die beiden wanken uns zu, bevor sie in ein rotes Auto stiegen und losfuhren. Der andere Mann scheint auch schon losgegangen zu sein. „Wenn du nach Dai suchst, der ist schnell weg. Er hat sich Zeiten aufgestellt, welche nach der normalen Arbeit liegen, in denen er zielstrebig weitermacht, wegen dem hab ich ihn so oft schlafend in der Firma erwischt. Ohne ihn wäre wir nie so weit gekommen. Ich bin froh ihn im Team zu haben", erzählte er stolz. Sein Team bedeutet ihm alles. Bei der Konferenz sah er angespannt aus, wie jeder trug er einen ernsten Gesichtsausdruck, nun ist er viel gelassener. Es macht mich glücklich, ihn so unbeschwert zu sehen. „Kenma", der Angesprochene schaute mich an, „Wollen wir die letzten Jahre bei einigen Gläsern durchgehen?"

„Solle das ein Date werden?"
„Nein, ich will dich nur abfüllen. Also?
„Ich hab schon zugesagt und wir werden sehen, wer mehr verträgt. Komm mein Auto steht da gleich." Ich nickte und wank der rothaarigen zum Abschied zu. Danke, Ito, dass du mir diese Möglichkeit gegeben hast. Er öffnete sein schwarzes, großes Auto und setzte sich hinter das Steuer, sofort ging ich auf die andere Seite und ließ mich auf dem Beifahrer nieder. „Früher hast du gesagt, du bräuchtest kein Auto", erinnerte ich mich zurück. Kurz antwortete er nicht, da er vom Parkplatz auf die Straße Tokios fuhr. Welche Bar er sich wohl ausgesucht hat? Oder das endet als Entführung, weil er noch immer Wut gegen mich hegt. Ich hoffe auf das erste. „Ja, das stimmt, aber nach meinem Abschluss zog ich nach Sendai, weil es da ruhiger ist. In Tokio hab ich mich nicht wohlgefühlt, immerhin leben hier Millionen Menschen. Dazu zeigte ich mich in der Öffentlichkeit, da ist es in einem ländlicheren Präfektur einfacher. Da ich jedoch nicht immer mit dem Zug hierher kommen wollte, musste ich den Führerschein machen. Ich bestand alles und ab diesen kleinen Erfolg begann der Aufbau von 'Bouncing Ball'." Seine Stimme klang träumerisch. Das hast du gut gemacht, Kenma.

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