Kapitel 54

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(Ein Monat später/ 17.11.2013)

„Wie immer ein schlechter Klamottengeschmack, Kotaro." Ich lehnte an der Zimmertür und beobachtete den Eulenkopf, wie er den Flur zu mir entlangschritt. Vor paar Monaten teilten wir dieses Zimmer, nun bin ich allein, denn sein Standort ist nun mal jetzt Kyoto. Er trug ein graue Jogginghose, der ein schwarzen Fleck auf dem rechten Hosenbein hat, dieser Entstand bei unserem ersten Trainingscamp, bei dem wir ein Experiment gestartet hatten, welches schief ging. Die Hose hatte mehr durch als so einige Drittklässler jetzt. Dazu trägt er den Hoodie seiner jetzigen Volleyballmannschaft. Die Haare des Außenangreifers hingen erstaunlicherweise zerzaust um sein Gesicht, nicht wie sonst nach oben gegelt. „Siehst selbst beschissen aus, Tetsuro", lachte er und schlug bei mir ein. „Happy Birthday, Bro!" Mein Grinsen, welches in der letzten Zeit seltener wurde, kehrte zurück. „Danke!" Er trat an mir vorbei und ließ sich auf sein ehemaliges Bett nieder, was zum Glück bis heute leer steht, weil ich keine neuen Zimmerpartner will. „Du willst dieses Mal dein Geburtstag ruhig verbringen? Wunder bei unserem energiegeladenen Tetsuro", meinte er. Ja, da hat er Recht. Ich kann aber froh sein, dass meine vergangene Persönlichkeit wieder kommt und meine Kraft sich regeneriert. Meine Familie hätte heute eh keine Zeit, schließlich sind meine Eltern gerade irgendwo in Osaka und Mako treibt sich in Peking mit irgendwelchen Studenten herum. Ich bin aber auch froh etwas Ruhe zu finden, denn in den letzten Tagen habe ich mich zu sehr mit Uni übernommen, damit ich von meinen Gedanken fliehen konnte. Das hatte auch ein positiver Einfluss in meinen Modulen. Und auch wenn alles anders gekommen wäre, heute sind die wichtigen Qualifikationsspiele bei denen jeder gerade ist, selbst Yaku und Kai haben sich dahin aufgemacht, wodurch keiner kommen könnte, außer Bokuto, da er zu spät bemerkte, dass man sich da anmelden muss, um reinzukommen, deshalb ist er bei mir.

„Geht es dir eigentlich nach der Trennung besser?", fragte er besorgt, als ich mich seufzend ihm gegenüber niederließ und den Fernseher anschaltete. „Ich muss wohl weiterleben, immerhin macht er es ja auch. Auch wenn es schmerzt, darf ich nicht aufgeben. Irgendwann schaffe ich es." Ich unterstütze meine Worte mit einem falschen Lächeln. Ich kann ihn nicht loslassen, aber mein Leben darf ich auch nicht vernachlässigen. Es kann noch zu einer verspäteten Reaktion kommen, bei der wir aufeinandertreffen. Pure Hoffnung, die erst am Ende stirbt. Auf seinen Lippen zeichnete sich ein trauriges Lächeln ab. Es ist wahrscheinlich nie einfach, wenn im eigenen Freundeskreis sich Leute trennen. „Na ja, hier dein Geschenk, aber das öffnest du erst später", rief er und überreichte meine Kiste, jene ich neugierig musterte. Was sich wohl darin verbirgt? „Schau das erste Spiel beginnt", sagte er und zeigte auf den Fernseher, wo die Spieler aufgerufen werden.

„Nummer eins, Außenangreifer, Taketora Yamamoto!" Unsere Schule spielt zuerst. Unsere... Kenma! „Nummer zwei, der Zuspieler, Kenma Kozume!" Ein Junge im roten Trikot und breitem Grinsen, welches ich noch nie von ihm gesehen hab, lief zu seinem Team und wank in die Kamera. Er wirkt so, als hätte er keine Scheu davor und wäre es gewohnt, obwohl er sich in den letzten Jahren davor gedrückt hatte gefilmt zu werden. Ich beobachtete mit geweihten Pupillen den Zuspieler der Katzen, ehe die nächsten aufgerufen werden.
„Die Nummer acht, Mittelblocker, Tokuma Yoshida!" Ein großgewachsener Erstklässler mit wuscheligen Haaren rannte nun los. Die Kamera fokussierte ihn und man erkannte das siegessichere Gesicht des Jungen. Er wank und schrie den Namen seiner Schule, das nenne ich purer Stolz. Der Stammspieler gesellte sich am Ende, soweit man es erkennen konnte, da die Kamera weiterschwank, zu dem Steller des Teams. Kurze Worte tauschten die beiden aus, doch der Ältere erfreute sich darüber. Das ist ein anderer Kenma, ein anderer Zuspieler, in diesem Team und nicht mehr der, den ich hatte. Eine Welle der Eifersucht überkam mich und mein Körper zitterte.

„Tetsuro, alles gut?" Mein Kopf schnellte in die Richtung meines besten Freundes. Gezwungen gingen meine Mundwinkel nach oben: „Ja, alles super. Lass weitergucken. Mein Team wird gewinnen."

„Somit geht der zweite Satz auch an die Nekoma-Oberschule! Die Sieger dieses Matches steht fest", rief der Moderator. Gespannt beobachtete ich das Geschehen auf dem Feld. Der Puddingkopf klatscht bei seinen Kameraden ein und dann legte der schwarzhaarige ein Arm um ihn. Wieder dieser Schmerz. Hätte ich nun Alkohol in meinem Zimmer, wäre die Flasche leer. „Vielleicht sollten wir was anderes gucken, du hast ja Geburt-..." „Nein!", widersprach ich. Hier habe ich die Möglichkeit meinen Ex zu sehen, der mit kompletter Begeisterung Volleyball spielt. Seine Annahmen und Blocks sind überdurchschnittlich für ihn. Aber die Zuspiele sind die besten, die ich je gesehen hab und der beste Anfang für dieses Turnier, wie der Moderator das kommentierte. Diesen Jungen kann man nicht mit dem damaligen Kenma vergleichen. In ihm sieht man den stolzen Vize und Stammsteller. Es ist erschreckend was mit der Zeit passiert. Das Team mit den weiß-roten Trikots verließ das Feld und sofort überkam mich die Trauer ihn erst in geraumer Zeit wieder Spielen zu sehen. In seiner Topform, der anderen auch, werden sie gewinnen. Egal, wie sehr ich das alte Team geliebt hab, die Leute, die ich gerade spielen gesehen hab, waren ultimative Verbindung jedes Spielers durch den Steller. Mein Traum war es so eine Vorlage zu bekommen.

„Jetzt kommen doch erstmal die Interviews, oder?", wollte Bokuto zur Ablenkung wissen. „Ja, aber bestimmt sind es dieselben Spieler wie letztes Jahr, wie dieser Sakusa aus der Itachiyama, aber sonst ist keiner der damaligen 'Favoriten' anwesend, beziehungsweise viele haben deren Abschluss schon." Bokuto war auch ein Aushängeschild der Oberschulturniere, sowie Sakusa. Ich finde die Interviews immer sehr interessant, da man Dinge über die Volleyballer erfährt, die sonst verborgen geblieben wären.

„Willkommen zu den heutigen Qualifikationsspielen für das Frühlingsturnier! Ich bin Akane Kato und heute habe ich interessante Spieler gefunden. Lasst uns beginnen", begrüße die Sportjournalisten die Zuschauer. Ihre braunen Haare wippten bei jedem Schritt. Ihr Blick fixierte einen Menschen an, der noch nicht vom Kameramann gefilmt wurde. „Hallo, haben sie einen kurzen Moment für eine Fragerunde? Ich bin Akane Kato vom lokalen Sportmagazin", stellte sie sich bei dem Spieler vor und dann stockte mein Herz. „Klar, ich hätte kein Problem. Jungs, wartet ihr noch kurz", erklang die Stimme von ihm. Kein Stottern und keine Nervosität in der Stimme. Selbstbewusst steht er vor der Kamera.

Kenma hat keine Angst vor der Öffentlichkeit.
„Ich mache aus!" Bokuto griff überfordert zur Fernbedienung, die ich schnell ihm entzog. „Ich will hören, was er sagt", wisperte ich. Unbedingt will ich das wissen. Nur die besten werden von diesem Magazin ausgesucht und genau das war Kozume heute, ein talentierter Spieler, der nicht mehr im Schatten steht. Meine Ohren dröhnten. Adrenalin schoss durch meine Venen. Die Lippen des Vizekapitäns bewegten sich wie in Zeitlupe, oder die Zeit stand für mich still. Fragen über Fragen wurden beantwortet und mein Fokus galt nur ihm.

Seinen leuchtenden Augen
Seinen zarten Lippen
Seinen seidigen Haaren

Und der chemischen Reaktion der Liebe, welches in mir stattfand. Noch immer bin ich verliebt.
Die Flüssigkeit sammelte sich in meinen Augen.

„Kuro, sei ehrlich und belüg dich nicht selbst", bat er mich.

„Bokuto, ich habe den größten Fehler meines Lebens begangen."

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