Kapitel 34

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„Kenken, du scheiß Bastard! Hör auf so zu spielen! Seit Runden verkacke ich nur. Und Ey! Yuyu, hör auf mich auszulachen. Ich dachte wir sind Freunde", heulte Tora ins Mikro. Gott, bei dem bekomme ich immer Kopfschmerzen. „Tora, beruhig dich. Es ist nur ein Spiel", versuchte Yuki ihn zu besänftigen. Immer das gleiche mit denen. Es ist so ohrschädigend mit Halbglatze und Zwerg online zu spielen. „Das ist nicht nur ein Spiel. Es ist alles! Ich besiege dich auch gern in der nächsten Runde", provozierte ich meinen besten Freund und erhielt darauf ein beleidigtes Schnauben. Videospiele... Ich liebe es. Mein Blick glitt von meinem Monitor weg und fixierte mein Handy, welches permanent vibrierte. Nachrichten über Nachriten und dann natürlich auch unendliche Sturmanrufe. Kuro, der Typ kann sich auch nicht einmal normal melden. Mit ihm hatte ich seit dem Nationalspiel, was fast ein Monat her ist, nicht wirklich geredet. Klar, er war oft bei mir und da haben wir nur gezockt oder ich bin eingepennt, denn wenn ich in seiner Nähe einschlief, hatte ich keine Alpträume. Sonst lernte er nur, weil jetzt seine Abschlussprüfungen waren. Es ist ein Monat her seitdem ich Mikasa belauscht hab. Ein Monat ist es her, seitdem ich offen gegen meine Verheerung kämpfe und allen etwas vorspiele. Ich hab Tetsuro nie etwas erzählt und das tut mir leid. Er ist der Mensch, der mir am wichtigsten ist und ich rede nicht mit ihm, dafür könnte ich mich schlagen. „Leute, ich gehe off", murmelte ich in mein Mikro, ehe ich mein Headset abnahm und alles runterfahren ließ. Mit zittrigen Händen griff ich nun nach dem Apparat, damit ich den Anruf annehmen konnte. Ich liebe es seine Stimme zu hören. Ein Heiltrank.

„Hey, Kitten, kommst du auf mein Dach? Ich warte auf dich, denn ich will mit dir reden und bitte renn nicht von mir weg. Bitte", seine Worte sind wie eiskalte Klingen, die drohen meine Fassade aufzuschneiden. Was denke ich da? Meine Rüstung ist längst gefallen. Es ist egal, was ich tue. Denn mir ist nun der Sieg oder die Niederlage egal. Ich hab beides akzeptiert. Nun versuche ich einfach so lange zu leben bis ich nicht mehr kann. Mir ist es nun egal, welchen Weg ich nehme, ob ich mich verlaufe, stehen bleibe oder in eine Sackgasse gerate. Es ist alles okay, immerhin ist es doch nur ein Game und wenn man in einem Spiel stirbt, ladet sich nochmal alles von vorne, wenn man es durchgespielt hat, kommt doch das nächste Spiel. Und so ist es doch auch hier. Glaub ich. Mit einem seufzen erhob ich mich von meinem Stuhl und ging auf mein Dachfenster zu, damit ich mich wieder, wie an meinem Geburtstag, hochziehen konnte. Doch ich musste es nicht, denn da stand er schon und hielt mir lächelnd eine Hand hin, die ich ohne zu zögern ergriff. Kuro half mir hoch und führte mich wieder zu seinem Dach, wo eine blaue Decke lag. Der Himmel war schon in rötlichen Farben getränkt und ein kühler Wind streifte meine Haut. Seine Wärme, seine Hand, gab mir eine unglaubliche Sicherheit und ließ mich wieder lebendig fühlen. Mein pechschwarzer Dämon wurde geschwächt, wie von einer speziellen Attacke auf den Boden gerungen oder durch eine Magie besänftig, doch nicht besiegt. Der Sturm ist nur in seiner Ruhepause. Wie bei einer Mittagspause im Kaufcenter, ehe wieder ein Ansturm von Kunden kommt. Ich ließ mich mit einem Kribbeln im Bauchbereich neben ihm nieder.

„Wollen wir Volleyball spielen", fragte er mich mit einem schiefen Lächeln und ich hob verdutzt eine Augenbraue. „Erstens: Wir sind auf einem fucking Dach und zweitens: nein", antwortete ich schmunzelnd und Kuro legte seine rechte Hand an meinen Hinterkopf, hingegen die andere auf meinem Rücken lag. In wenigen Sekundenbruchteilen zog er mich zu sich und drückte mich fest an sich. Meine Lider schlossen sich automatisch und ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Ich wusste ganz genau wonach er roch. Er hatte definitiv vor weniger als einer Stunde geduscht und sein Duschgel riecht wie jedes Männer-Duschgel und Shampoo. Es kostet in der Drogerie ungefähr vierhundert Yen und er benutzt nur eins seit Jahren. Kuro mag es nicht neue Dinge zu kaufen und diese zu testen, wenn er sich an eins gewöhnt hat, bleibt er dabei. Kuro ist ein ganz normaler achtzehn Jähriger Schüler, der Chemie mag und versucht simpel zu sein, obwohl er gefühlt eine eigene Wissenschaft ist. Kurologie oder Tetsurologie, Tetsurokunde, Kurographie, Kurometrie, Tetsuromatik, das wären potenzielle Namen. Fuck, ich drifte wieder ab. Konzentration! „Du warst in letzter Zeit nicht mehr wie sonst. Ich hab Angst. Ich will dich nicht verlieren, Pudding. Bitte, rede. Bitte, ich will deine Stimme hören!" Kuros Griff wurde fester und ich nahm das heftige Schlagen seines Herzens war. Hab ich ihn so sehr verletzt? Hab ich unweigerlich mein Teampartner verletzt? Scheiße...

„Ich-... Stell dir vor, ich bin ein Handy, welches stundenlang ohne Pause bedient wurde. Ich verliere viel Energie und meine Batterie ist stark geschwächt, weshalb ich anfange zu glühen, doch niemand lädt mich auf. Mein Akkustand fällt immer weiter und ich bin gerade bei dem Punkt, bei dem das Handy sich fast ausschaltet. Es tut mir leid, Tetsuro." Ich versuchte ihm meine Gefühle so einfach wie möglich zu erzählen, aber nichts Dramatisches, damit er keine Sorge verspürt. Ich darf ihn nicht verletzten. „Kann ich irgendwas tun? Es ist meine Schuld! Es muss mir leid tun", seine Stimme klang gebrochen darin spielten sich so viele Emotionen ab. Er erdrückte mich fast schon, doch ich sagte nichts. Ich will ihn noch nicht von mir drücken. Es kommt zwar alles zu plötzlich, das mag ich auch nicht, aber ich muss reden, sonst würde Keiji auspacken. Bei dem Gedanken stellen sich meine Nackenhaare auf. „Es ist nicht deine Schuld. Da ist nichts, was du tun könntest."

„Du wirst mich nicht verlassen?"
„Ich gehe nirgendwohin. Aber Kuro-..."

„Nein! Kenma, ich kenne dich seit Ewigkeiten," er drückte mich von sich und legte dann seine Hände an mein Gesicht, „Ich sehe dich. Ich sehe, was in dir wütet und ich will nicht, dass du gehst! Bitte tu dir nichts. Bitte lass mich nicht allein. Nur du und ich. Das sind unsere Worte, aber ohne dich haben sie keine Bedeutung. Bitte, lass mich dir helfen. Ich kann nicht einfach so daneben stehen, während du leidest. Ich-..." Ich musste ihn unterbrechen, sonst würde mein Biest erwachen und die Kontrolle übernehmen. Meine Hände ruhten nun auf seinen, langsam aber bestimmt löste ich seine Hände von meinem Gesicht. Ich verschränkte meine Finger mit seinen und hielt dabei durchgehend Blickkontakt. Yuki meinte, wenn man jemanden beruhigen will, sollte man Blickkontakt bewahren und dem Menschen das Gefühl geben, dass man nur zu zwei existiert. „Ich brauchte nur Zeit für mich. Ich will dich auch nicht verlieren, aber ich kann nichts versprechen. Tetsuro, wir waren immer zusammen und das bleiben wir auch. Ich gehe noch nicht." Seine Augen waren rot, darin stehen Tränen, die jede Sekunde ausbrechen könnten, er hatte starke Augenringe und seine sonst so stabile Aura ist verschwunden. Nun muss ich für ihn stark bleiben, auch wenn ich nun gern zusammenbrechen würde. „Es tut mir leid!" Wieder klang seine Stimme so zerbrechlich, wie nie zuvor. Meine Finger lösten sich von ihm und ich stand mit wackeligen Beinen auf. Mein Kopf schmerzt, aber solange es funktioniert, ist alles okay. Alles wird okay sein, denn ich hab ihn gefunden. Ich hab den Menschen gefunden, den ich liebe und für den ich alles geben würde, auch mein letzten Atemzug.

„Ich versuche weiter zu machen, denn ich hab ein einzigen Grund. Ich brauche keine Hilfe, denn ich will nur, dass der Schmerz ein Ende findet. Ich kann keine Ewigkeit versprechen, die nicht existiert, aber ich kann dir eins versprechen: Egal was ist, ich werde dich immer lieben, Tetsuro Kuro." Ein stürmischer Wind machte sich breit und ließ meine Haare aufwirbeln. Kuro saß allein auf der Decke und schaute zu mir auf. Ich konnte nicht mehr über mein Gefühlszustand sagen, denn dafür fehlen mir die Worte. Ich kann ihm auch nichts versprechen. Ich machte ein weiteren Schritt von ihm weg. Und Kuro sprang auf und rannte auf mich zu. Er hat wirklich Angst.

„Bleib für mich! Du kannst nicht alles in dir verschließen! Ich weiß, du bist verletzt und das ist meine Schuld, aber du musst wissen, du bist nicht allein! Wir sind zusammen. Ich habe viele Fehler gemacht, angefangen mit einer schlichten Lüge. Bitte geh nicht weiter. Bitte bleib bei mir. Bitte stirb nicht, Kenma! Wirst du mich verlassen?" Eine Bitte, die ich nie zum Versprechen machen werde. Tetsuro ist unglaublich aufgewühlt und sein Sturm ist nun nach draußen gekommen und ich bin der Spieler, welcher diesen Boss besiegen muss. Die letzte Frage, die er wisperte, hat eine Antwort verdient, auch wenn ich nicht weiß, ob mein Herz und Gehirn einer Meinung sind.

„Nur du und ich. Psh, ich bin bei dir. Hör auf mein Herzschlag und schließ deine Augen. Die Sonne geht zwar unter, aber ich bin bei dir. Ich bin hier." Ich nahm meinen Freund ich den Arm und strich ihm behutsam über den Rücken. Ich würde gern ihm jegliches Leid entziehen, doch das kann ich nicht. Ich würde gern mich von ihm abwenden, damit er wirklich glücklich werden kann, doch ich bin zu egoistisch, um ihn gehen zu lassen. Ich will ihn nicht an Mikasa verlieren, obwohl ich weiß, dass die beiden zusammen gehören.

„Wirst du mich verlassen, Pudding?"
„Niemals."

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