Kapitel 30

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Eines Tages nahm Ambra ihn mit auf einen Ausflug. Sie gingen zu einem kleinen Tümpel in der Nähe und setzten sich auf einen Stein.

Djalë, ich werde dir heute etwas über mein Volk erzählen. Es ist eine wichtige Lektion und du musst darüber Bescheid wissen, denn es ist auch dein Volk."

Vor Jahrtausenden entstanden die Rassen der Dämonen, Menschen, Engel und einer vierten Rasse, die bereits ausgestorben ist – die Deva. Doch die Rassen kamen nicht miteinander aus, also entschieden die Götter, die Welt in drei Bereiche aufzuteilen – den Himmel als Heimat der Engel, die Erde bzw. Menschenwelt als Heimat der Menschen und Deva und die Hölle als Heimat der Dämonen.

Was viele nicht wussten, gab es jedoch eine Welt neben dieser hier. Es ist eine Art Schattenwelt, wo die Seelen der Verstorbenen verweilen. Alles ist ein großer Kreislauf, Seelen verlassen die irdische Welt und kehren irgendwann wieder zurück. Dabei wurden jedoch die Seelen von Menschen, Dämonen und Engeln ebenso getrennt gehalten.

Die Schattenwelt der Dämonen ist nur aus der Hölle erreichbar, die der Engel nur aus dem Himmel. Für die Menschen war jedoch keine vorgesehen, also wurde entschieden, dass sie entweder in die Hölle oder in den Himmel in ein für sie vorgesehenes Gebiet dort gehen sollten. Seelen, die Schuld auf sich geladen haben, sollten ihre Strafen in der Hölle verbüßen, die andere kamen in den Himmel.

Wir Soul Reaper sind Wesen, die nur zu einem Zweck erschaffen wurden. Unsere Aufgabe ist es, zu entscheiden, wohin die Seelen kommen, das Strafmaß für die Seelen festzulegen und die Seelen zu ihrem Zielort zu begleiten. Die Sterbenden können uns nicht sehen, doch wir können uns ihnen, kurz bevor sich ihre Seele vom Körper löst, offenbaren.

Mit unserer Hand bauen wir eine Verbindung zu der Seele auf, indem wir den Nabel – den Sitz der Seele – berühren. Wir sehen ihr gesamtes Leben und entscheiden dann, was mit der Seele passieren soll."

Ambra machte eine Pause. Sereph hatte ihr aufmerksam zugehört und wartete neugierig, was sie noch zu erzählen hatte.

„Vor fünfzig Jahren traf ich deine Mutter zum ersten Mal. Sie lag im Sterben und ich sollte ihre Seele ernten. Schon als ich sie zum ersten Mal sah, wusste ich, dass sie anders war. Ich habe mich zuvor noch nie einer sterbenden Seele offenbart, doch bei ihr tat ich es zum ersten Mal. Ich wollte, dass sie mir in die Augen sieht.

Die Augen sind auch die Spiegel der Seele, man kann in ihnen lesen, um was für ein Wesen es sich handelt. Ihre Augen waren die schönsten und reinsten, die ich gesehen hatte. Diese Augen zeigten keine Angst, nein, sie zeigten Erstaunen und eine Wärme, die ich in all den Jahrtausenden meiner Existenz nicht gefühlt habe.

Ich habe nie über meine Tätigkeit nachgedacht, sie nie in Frage gestellt, doch zum ersten Mal zögerte ich. Ich berührte ihren Nabel und lernte alles über sie, was es zu wissen gab. Doch es gab nichts, was mich abstieß. Sie war das wunderbarste Wesen, das mir je begegnet war – leidenschaftlich, wild, aufrichtig und liebenswürdig. In diesem Moment wusste ich, dass ich sie nicht mitnehmen konnte, denn ich wollte an ihrer Seite sein. Wenn sie das Reich der Verstorbenen erst betreten hätte, hätte ich sie nie wiedergesehen, sie wäre einfach verschwunden. Also entschloss ich mich, sie zu retten. Ich gab ihr einen Teil meiner Seele und rettete ihr Leben.

Wir flohen von dem Schauplatz des Todes hierher und schlossen den Bund der Gefährten. Trotz vieler Schwierigkeiten bauten wir uns hier ein Leben auf und einige Jahren danach empfing Lidia dich – unser Wunder. Du machst unser Glück perfekt, Djalë."

Sereph spürte eine Wärme und Verbindung zu seiner Mutter, die er vorher noch nie gespürt hatte. Seine Mama hatte ihm bereits von dem Bund der Gefährten und dem sagenhaften Herz erzählt, doch das, was seine Mutter hier erzählte, zeugte von solch einer Tiefe, die sein junger Verstand noch nicht fassen konnte.

Hope - ein schicksalhafter Augenblick (BAND 5) ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt