Wilde Rose- Kapitel 3

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Betrübt starrte Gawain seinen Freunden hinterher. Ein weiteres Mal blieb er allein zurück. Das dachte er jedenfalls, bis er merkte, dass er beobachtet wurde. Schnell drehte er sich um und blickte direkt in hellbraune, erschrockene Augen, welche sich schnell abwandten. Morgan saß nicht einmal zwei Meter entfernt auf demselben Platz wie schon beim Essen.

Was glotzte sie denn dauernd so? Gawain war es in letzter Zeit schon öfters aufgefallen. Dieses Mädchen war ihm ein Rätsel. Er dachte oft über sie nach. Sie war dauernt schlecht gelaunt oder maulte ihn an, aber man konnte auch richtig Spaß mit ihr haben. Das Problem dabei war, dass diese Zustände im Minutentakt wechselten und man nie einschätzen konnte, mit welcher Morgan man es gleich zu tun bekam.

„Ähm ...", Morgan hatte ihren Blick wieder auf ihn gerichtet.

„Was?", hisste Gawain zurück.

„Ich sollte dir von Merlin sagen, dass du heute noch bei ihm vorbeischauen sollst, dass er sich dein Knie nochmal anschauen kann."

Gawain verdrehte die Augen.

„Schön, mach ich."

„Okay ... das ist gut ..." Morgan lachte etwas gezwungen und nervös auf. „Wir könnten ja jetzt ... zusammen ..."

„Nein! Ich muss zu Ulfin", unterbrach Gawain sie schnell, als er merkte, welcher Vorschlag als nächstes kommen würde. „Aber danke."

Morgan stieg die Hitze in den Kopf, als sie nur noch ein kleinlautes „Okay." Hervorbrachte. Sie blickte kurz zu Boden doch fasste schnell neuen Mut.

„Dann könnten wir erst zusammen zu Ulfin gehen und danach bringe ich dich zu Merlin."

Gawain war genervt. Wie hartnäckig konnte ein Mensch sein? Was wollte sie denn? Doch irgendwie war er von diesem Vorschlag gar nicht so abgeneigt, wie er es gerne gewesen wäre.

„Von mir aus", antwortete er im mürrischen Ton ohne ihr in die Augen zu schauen und verschränkte die Arme, während sich auf Morgans Gesicht aus triumphierendes Lächeln formte.

Langsam gingen sie über den Innenhof Richtung Eingang des Hauptgebäudes. Morgans euphorisches Gefühl war längst verflogen und es lag eine seltsame Stille zwischen den beiden. Morgan hatte versucht ihm aufzuhelfen, nur um mit einem Todesblick vom Allerfeinsten beglückt zu werden. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Gesicht immer noch feuerrot war und Gawain würdigte sie keines Blickes mehr.

Was hatte sie sich dabei gedacht? Er hatte sie nie gemocht und er würde sie auch in Zukunft nicht mögen. Sie hoffte, dass es nur eine Phase war und ihre Gefühle für ihn bald wieder abklingen würden.

Als sie dann endlich vor Meister Ulfins Zimmer standen, klopfte Gawain an und ging wortlos hinein, während Morgan sich dazu entschloss einfach davor zu warten. Meister Ulfin hatte sowieso etwas gegen sie. Wahrscheinlich, weil sie eine Tintagel war und somit ein Feind seines Königs, selbst wenn dieser sie von klein auf in seinem Schloss wohnen ließ. Sie wollte ihn auf keinen Fall verärgern. Er war einer der besten Krieger auf Camelot und das sah man auch. Seine breite Statur verlieh ihm eine unheimliche Autorität, welche durch seine Muskeln nur noch mehr unterstützt wurde. Er war nicht von übermäßiger Größe, doch klein war er keineswegs. Seine schwarzen Haare hingen ihm in der Stirn und verbargen die Augenbrauen, wodurch braune, meist böse Augen direkt unter des Waffenmeisters Pony hervorblickten. Seine Art machte ihr manchmal schon etwas Angst. Ja, vor der Tür war sie gut aufgehoben.

Jedoch wurde es schnell langweilig und sie kam auf die Idee das Zaubern zu üben. Suchend blickte sie sich um und ihr fiel die Tür zur Toilette ins Auge, welche entsprechend beschildert war. Das war es, dachte Morgan, sie würde dieses Schild von der einen Tür entfernen und es auf Ulfins Tür wieder aufhängen.

Sie konzentrierte sich auf das Schild und hob ihren Zauberstab. Das Schild knarrte leise, wackelte und löste sich schließlich von der Tür. Langsam ließ sie es Richtung Zieltür hinüberschweben. Es schmiegte sich an sie ran und ...

En lauter Knall brachte Morgan um ihre Konzentration. Das Schild hatte Feuer gefangen und das Äußere von Ulfins Tür ebenso.

„Mist, Mist, Mist!" Morgan verfiel in Panik. Sie wusste es. Die Bewegung hätte mehr aus dem Handgelenk kommen müssen.

Schon sprang die brennende Tür auf und ein erschrockener Meister Ulfin streckte seinen Kopf aus der Tür.

„Sapalott, was war das denn für ... AHHH! Es brennt!"

Meister Ulfins Augen weiteten sich, als er die Flammen an seiner Tür erblickte. Er sprang aus seinem Zimmer heraus und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Doch schnell härtete sich sein Blick wieder, als er wütend in Morgans Richtung schaute.

„Morgan Tintagel! Warst du das?"

„Ja, ich ..."

„Bring das wieder in Ordnung!"

„Moment, ich ..."

„JETZT!" Ulfins laute Stimme hallte durch die Flure des Schlosses, als sich sein Gesicht rot zu färben begann. Rot vor Wut.

Jetzt bekam Morgan es mit der Angst zu tun. Sie richtete ihren Zauberstab auf die Flammen, schloss die Augen und atmete tief durch.

„Sit aqua mecum!" Augenblicklich schoss ein heftiger Wasserstrahl aus der Spitze ihres Zauberstabs direkt in die Flammen, welche nach kurzer Zeit erloschen. Alles was übrig blieb, war eine kaputte Tür.

„Was fällt dir eigentlich ein? Das war ein Anschlag! Scher dich weg! Was machst du hier überhaupt? Ich werde mich beim König beschweren, ich ..."

„Meister Ulfin. Sie ist mit mir hier." Die Stimme von Gawain drang aus Ulfins Zimmer als er langsam durch den verkokelten Türrahmen humpelte und ... sich ein Grinsen verkneifen musste? Morgan konnte es kaum glauben. Sie dachte sie wäre jetzt bei ihm komplett unten durch, nachdem sie einen „Anschlag" auf seinen Lehrer verübt hatte.

„Wenn das so ist." Ulfin senkte seine Stimme wieder. „Sie sollte jetzt trotzdem lieber gehen"

„Ja, wir gehen, wir waren eh fertig."

„Ganz recht, Gawain. Dann machen wir es so. Bis morgen zum Training und sei pünktlich." Mit diesen Worten wandt sich Ulfin ab, lief kopfschüttelt zurück in sein Zimmer und starrte die Überreste seiner Tür an.

Gawain und Morgan begaben sich Richtung Ausgang, als Gawain ein leises Lachen von sich gab. Morgan blickte ihn verwundert an.

„Was ist so lustig?"

„Du hättest mal Ulfins Gesicht sehen sollen, als es geknallt hat. Er ist ganz schön erschrocken."

Bei dieser Vorstellung musste Morgan auch lachen. Sie blickte in Gawains fröhliches Gesicht und da war es wieder. Dieses Kribbeln. Sie hatte ihn zum Lachen gebracht und das brachte ihr wiederum unglaubliche Glücksgefühle.

„Was war deine Mission?", fragte Gawain sie immer noch grinsend und mit erwartungsvollem Blick.

„Ich wollte eigentlich nur etwas üben. Da habe ich das Schild an der Klotür gesehen und dachte mir es wäre lustig, wenn es auf Ulfins Tür hinge ... aber irgendetwas ist schief gegangen."

„Ha! Wer braucht schon eine falsch ausgeschilderte Tür, wenn man eine brennende haben kann?"

Dieser unerwartete Kommentar brachte Morgan schließlich auch zum Lachen.

Sie spazierten über den Innenhof Richtung Baumhaus und vergnügten sich mit seltsamen Geschichten über schiefgegangene Streiche, die sie auf Camelot schon getrieben hatten.

Gawain ließ sich endlich in ihrer Gegenwart fallen und legte seine steife, mürrische Art ab. Als sie am Baumhaus ankamen, war Morgan unglaublich glücklich diesen Schritt gewagt zu haben, auch wenn der Anfang etwas holprig gewesen war. Sie hatte das Gefühl endlich einen Zugang zu ihm gefunden zu haben.

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