Wilde Rose- Kapitel 29

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Die nächsten Tage bis zu seinem Geburtstag bekam Gawain das beflügelnde Gefühl durch Morgans Überraschungsbesuch nicht los. Königin Juna blickte ihrem Sohn misstrauisch nach, als dieser mal wieder breit grinsend an ihr vorbei zu seinem Zimmer lief. Ihr war schon die letzten Tage aufgefallen, dass er ungewöhnlich gut gelaunt war. Dieses Verhalten konnte ihres Erachtens nur eines bedeuten.

Neugierig schlich sie zum Zimmer ihres Sohnes und öffnete die Türe einen Spalt weit, um hineinzublicken. Ihr Sohn saß auf seinem Bett und las einen Brief. Da erregte ein Leuchten ihre Aufmerksamkeit. Gawain holte das Säckchen, das ihr so gefallen hatte, hervor und zog eine Kette mit einem Stein als Anhänger heraus. Er betrachtete sie einen Augenblick und legte sie sich schließlich glücklich um den Hals. Die Königin fragte sich, was das wohl für ein Anhänger sein mag, beschloss jedoch, es nicht gleich zu fragen. Sie wollte schließlich nicht, dass er wusste, dass sie ihn heimlich beobachtet hatte. Leise schloss sie die Türe wieder und machte sich auf den Weg zum Speisesaal.

Die Familie von Orkanien saß zusammen an der Tafel und aß das Geburtstagsessen. Zwischen ihnen herrschte, wie so oft, eine unangenehme Stille. Da fiel der Blick der Königin auf die Halskette ihres Sohnes und sie räusperte sich. „Schöner Anhänger. War das ein Geburtstagsgeschenk?"

Nun sah auch Lott zu seinem Sohn und wartete gespannt auf eine Antwort.

„Ähm, ja, war es", antwortete Gawain verunsichert.

„Von wem denn?", hakte die Königin weiter nach.

„Aus Camelot ... von der Tafelrunde", log der junge Prinz notgedrungen.

„Wie kitschick", bemerkte Lott trocken und kassierte einen vorwurfsvollen Blick seiner Frau, während Gawain rot anlief.

„Ja ... war bestimmt Guiniveres Idee. Soll ein magischer Schutzstein sein." Nervös lachte Gawain auf, um den Anschein zu erregen, dass er es genauso lächerlich fand wie sein Vater.

„Unfug", brummelte Lott. Einen Moment lang bleib es still, bis Gawain aufstand und schnellen Schrittes zur Tür lief.

„Gawain, bleib doch", bat Juna ihren Sohn, doch der ignorierte sie einfach und trat aus dem Saal. „Musst du immer auf ihm herumhacken? Du bist unmöglich! Und das an seinem Geburtstag!" Wütend blickte sie ihren Ehemann an, der nur durch gefühlslose graue Augen zurückstarrte.

„Irgendetwas ist falsch", bemerkte er mit rauer Stimme. Juna brach den Blickkontakt und schaute nachdenklich in die Leere. „Was weißt du?", fragte Lott harsch, was die Königin zum Aufschrecken brachte.

„Nichts", gab sie kleinlaut von sich.

„Juna, bitte." Lott bemerkte die Unbehaglichkeit seiner Gattin und gab sich Mühe, nicht ganz so bedrohlich zu klingen.

„Lott, ich weiß wirklich nichts, aber sein Verhalten ist auffällig."

„Inwiefern?"

„Naja, es scheint fast so, als hätte er sich verliebt ... ich könnte das aber auch ganz falsch deuten", fügte sie noch schnell hinzu. Sie wollte auf keinen Fall zu eilige Schlüsse ziehen.

Schockiert blickte Lott seine Gattin an. „Verliebt? In wen?"

„Ich weiß es nicht." Juna dachte angestrengt nach. Das wäre nicht gut, vielleicht war ihr Plan gescheitert oder er war bereits aufgegangen, wie es bei Korena damals der Fall gewesen war. Sie hoffte es inständig. Wortlos stand sie auf und wollte den Raum verlassen.

„Was tust du?", wurde sie von Lott aufgehalten.

„Ich rede mit ihm."

„Ich komme mit!" Der König sprang auf und wollte ihr folgen, doch Juna hielt ihn auf.

„Nein, ich glaube, es ist besser, wenn ich allein gehe."

Lott blickte seine Frau erst starr an, bevor er sich jedoch wieder resigniert auf den Stuhl sinken ließ und beleidigt seine Arme verschränkte.

Gawain stand am Fenster und starrte hinaus. Er spielte mit Morgans Anhänger. Der Knappe vermisste sie und hätte seinen Geburtstag viel lieber auf Camelot verbracht. Die nächsten Ferien würde er sich weigern, nach Hause zu reisen.

Da riss ihn ein zaghaftes Klopfen aus den Gedanken und er wandte sich zur Tür, welche sich langsam öffnete. Seine Mutter lugte herein und lächelte ihm entgegen, doch es war ein aufgesetztes Lächeln, das merkte Gawain sofort. Sie trat zu ihm ans Fenster.

„Alles klar bei dir?"

„Ja", antwortete er nur knapp und sah wieder nach draußen.

„Schön ..."

Einen kurzen Moment entstand eine unangenehme Stille zwischen den beiden. Die Königin räusperte sich kurz, um die Aufmerksamkeit ihres Sohnes wieder zu erlangen. „Ist der Anhänger wirklich von deinen Freunden?"

Gawain blickte sie erschrocken an. Seine Mutter schien etwas zu ahnen. Er beschloss, dass es nichts mehr brachte, sie anzulügen. Die ganze Wahrheit musste sie jedoch nicht wissen.

„Nein, er ist von Morgan."

„Ah, von der kleinen Zauberin." Diesmal brachte sie ihm ein ehrliches Lächeln entgegen.

„Ja, sie ist auch eine gute Freundin von mir."

„Freundin? Warum hast du das vorhin nicht gleich gesagt?"

„Sie ist immer noch eine Tintagel. Vater möchte bestimmt nicht, dass ich mit jemandem aus dieser Familie befreundet bin."

„Achso", sagte die Königin zwar ruhig, doch sah ihren Sohn dabei eindringlich an, wodurch dieser sichtlich nervöser wurde.

Juna nahm seine Hand zwischen ihre und zog ihn näher an sich heran. „Gawain du weißt, dass du mir alles sagen kannst? Du bist komisch in letzter Zeit."

„Danke", sagte er gespielt beleidigt, was Juna kurz auflachen ließ.

„Ich meine es ernst, okay?", wurde sie wieder ernst.

„Ja, ist gut." Gawain zwang sich ein Lächeln auf, um seinen Worten Nachdruck zu geben. Beide wandten sich wieder dem Fenster zu und blickten gemeinsam auf die Weiten Orkaniens.

In Juna regte sich ein ungutes Gefühl. Da musste mehr dahinterstecken, doch sie würde es ruhen lassen. Sie hoffte, dass sich ihr Sohn doch noch dazu entscheiden würde, ihr alles zu erzählen. Sie war schließlich seine Mutter.   

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