Wilde Rose- Kapitel 44

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„Was machst du hier? Das ist gefährlich", begann Morgan besorgt auf Gawain einzureden.

„Ja, eben! Du kannst doch nicht einfach bei solchem Wetter mitten in der Nacht davonschleichen. Ich habe mir Sorgen gemacht!", entgegnete Gawain entrüstet.

„Ich kann zaubern", erwiderte Morgan schnippisch.

„Ich kann kämpfen", konterte er im selben Ton.

Einige Momente starrte Morgan ihn nur mit großen Augen an, bevor sie auf ihn zustürmte und sich in seine Arme fallen ließ.

„Ich habe dich so vermisst", schluchzte sie, als schon die ersten Tränen kullerten.

„Ich dich auch", erwiderte Gawain sanft und drückte sie fest an sich.

Einen Moment lang genoss er die Berührung einfach und sog den süßen Duft ihrer Haare ein, ehe er sich von ihr löste und sie fragend ansah. „Was machst du hier?"

Beschämt blickte sie zu Boden. Wie sollte sie das bloß erklären?

„Ähm, naja ... Ich habe eine wichtige Zutat für einen Zaubertrank gebraucht. Sie wächst nur hier und man kann sie nur bei Vollmond pflücken."

„Also hat Merlin dich geschickt. Ist der verrückt? Dem werde ich ..."

„Nein, Gawain", unterbrach sie den wütenden Knappen direkt. „Er weiß nichts davon. Das ist ein eigenes Projekt von mir."

„Oh, achso. Was ist das denn für eine Zutat?", erkundigte er sich neugierig.

Morgan hob den Zeigefinger, um ihm zu deuten, dass er kurz warten sollte und begann, in ihrer Tasche zu wühlen.

Breit lächelnd zog sie eine rosarote, leuchtende Rose heraus. Gawain staunte nicht schlecht über diese Schönheit. Sie erinnerte ihn an die Rose in seinem Traum. Ihn würde es nicht einmal wundern, wenn Merlins Kopf auftauchen würde.

„Schön, nicht wahr? Sie wächst nur hier in dieser Höhle. Ich bin so froh, dass du da bist. Ich habe mich beobachtet gefühlt und im Buch stand irgendetwas von einer gefährlichen Kreatur." Gawain wurde vom aufgeregten Geplapper Morgans aus seinen Gedanken gerissen.

„Ja, damit habe ich schon Bekanntschaft gemacht."

„Was?" Der jungen Zauberin wich augenblicklich die Farbe aus dem Gesicht.

„Ja. Ist irgend so ein Pferdedings mit Spinnenbeinen, einer hässlichen Fratze und nem Stachel am Schwanz. Ich konnte gerade noch in die Höhle flüchten", erklärte Gawain, als wäre es eine Kleinigkeit gewesen.

Morgan zog ihn auf die Beine und begann, ihn panisch von oben bis unten nach Verletzungen abzusuchen. „Bist du verletzt? Geht es dir gut? Hat es dich erwischt?" Aufgeregt umrundete sie ihn noch einmal, während sie dreimal so gut wie dieselbe Frage stellte, bevor Gawain sie sachte, aber bestimmt festhielt.

„Mir geht es gut. Die Frage ist nur, wie wir zurück nach Camelot kommen."

Morgan hielt inne und dachte nach. „Vielleicht ist es ja weg."

Unüberlegt rannte sie zum Ausgang und streckte ihren Kopf heraus.

„Morgan, nicht!" Gawain hechtete hinterher und konnte sie gerade noch an den Füßen wieder hineinziehen, bevor das Biest sie mit seinen scharfen Zähnen erwischen konnte. 

Erschrocken schrie sie auf. Das war knapp. Zitternd schmiege sie sich an die Brust des Knappen. „Danke", wimmerte sie leise. „Was sollen wir bloß tun?"

„Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als zu kämpfen", seufzte Gawain. „Hier, nimm meinen Schild. Ich gehe raus und locke das Vieh von der Höhle weg."

„Und was mache ich?", fragte die Zauberin, die den Schild nur missmutig entgegennahm.

„Du rennst so schnell du kannst von dieser Lichtung. Mein Schild bietet dir Schutz."

„Bist du des Wahnsinns? Ich soll dich hier einfach zurücklassen?", entgegnete Morgan erzürnt und guckte ihn böse an.

„Wir haben keine andere Wahl. Ich werde das schon schaffen. Ich muss es nur so schwer verletzten, dass es mir nicht mehr folgen kann", erklärte er selbstsicher.

„Hörst du dir eigentlich selbst zu?" Entgeistert stampfte sie auf den Boden und sah ihn wutentbrannt an.

„Hast du einen anderen Plan? Einer muss gehen und Hilfe holen und der andere muss so lange hierbleiben und versuchen zu überleben. Das bist garantiert nicht du!"

Darauf konnte sie nichts mehr erwidern. Ihr gefiel der Plan nicht, doch Gawain hatte recht.

„Okay", seufzte sie mit gesenktem Blick.

Vorsichtig lugte Gawain aus der Höhle. Er war froh zu sehen, dass die Sonne bald aufging und es nicht mehr stockdunkel war.

Er blickte noch einmal zurück zu Morgan. Der Knappe lächelte sie an, um ihr Selbstbewusstsein zu vermitteln, doch die Zauberin erkannte seine Angst. Nichtsdestotrotz lächelte sie, so gut es ihr möglich war, zurück.

„Also dann." Entschlossen stapfte er aus der Höhle, den Griff seines Schwertes fest umschlossen. Nervös blickte er sich um, doch das Tier war nirgends zu sehen.

„Hey, komm raus!", rief er in den Wald und schlug die Klinge seines Schwerts ein paarmal gegen einen großen Stein, um Lärm zu erzeugen.

Es hatte gewirkt. Schon nach wenigen Augenblicken kam das Biest aus dem Wald auf ihn zugeschossen.

Gawain begann zu rennen, weiter in die Lichtung hinein. Weg von der Höhle, weg von Morgan. Weit genug entfernt blieb er stehen und drehte sich zu dem Biest um, welches schnell näherkam.

Ängstlich guckte Morgan Gawain und dem Vieh hinterher. Sie schlug die Hände vor dem Mund zusammen, als das Wesen einen großen Satz direkt auf ihn zu machte. Doch Gawain wich den Hufen aus und setzte direkt einen Schwerthieb hinterher.

Das war der Moment. Sie musste Hilfe holen! Schnell rannte sie über die Lichtung und hinein in den Wald. Sie lief ungeschickt den Hügel hinauf. Oben angekommen, wagte sie es nochmal, sich umzudrehen.

Gawain nutzte den wuchtigen, unbeweglichen Körper des Viehs und wirbelte um es herum, um es zu verwirren und zu keinem Angriff kommen zu lassen.

Morgan musste grinsen. Dumm war er nicht. Doch sie wusste auch, dass er das nicht lange durchhalten konnte. Sie musste sich beeilen.

Gerade als sie wieder loslief, fuhr sie zusammen, als der Knappe erschrocken aufschrie.

Schnell kehrte sie wieder um und sah, dass er sein Schwert verloren hatte.

„Gawain!", rief sie geschockt aus, als das Biest anfing, wie wild zu versuchen, mit dem Schwanz auf den Knappen einzustechen, während dieser verzweifelt versuchte, wieder an sein Schwert zu kommen.

Was soll ich bloß tun? Denk, Morgan, denk.

Die Panik war in ihrem ganzen Körper zu spüren. Sie konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen. Für einen Moment schloss sie die Augen und atmete tief durch.

Sie spürte die kühle Luft auf ihrem Gesicht, den Wind in ihrem Haaren. Hörte das leise Rascheln in den Bäumen, spürte den festen Grund unter ihren Füßen, die Magie in ihren Adern.

Entschlossen öffnete sie die Augen wieder und zog ihren Zauberstab.

„Et scintillae pluvia!", rief sie, als sie den Stab in die Höhe streckte.

Augenblicklich schossen helle Funken hervor in den Himmel, die sicher weit über Camelot hinaus noch sichtbar waren.

Dann rannte sie wieder auf die Lichtung zu.

„Gawain, ich komme!"

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