Krauka preschte durch die weite Graslandschaft Orkaniens. Die arme Stute atmete schwer, doch gehorchte ihrem Reiter, der sie immer weiter vorantrieb.
Nachdem sein Vater mit der Hiobsbotschaft rausgeplatzt war, war Gawain in eine Art Schockstarre verfallen. Von seinen Gefühlen überrumpelt, hatte er seinen Vater noch einige Zeit angestarrt. Als er gemerkt hatte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen, hatte er kurzerhand beschlossen, Reißaus zu nehmen und seinen Vater im Wald stehen zu lassen.
Seine Trauer hatte sich schnell in Wut umgewandelt, als er seine Stute über die Wiesen jagte. Erst als er an der steinigen Küste ankam, brachte er sie endlich zum Stehen und stieg ab.
Während Krauka sich auf die Suche nach etwas Essbarem begab, starrte Gawain auf das Meer hinaus, das ihn vom Festland und somit von Morgan trennte. Die See war rau und unruhig. Einige Zeit stand Gawain einfach am Wasser. Er spürte den Wind in seinen Haaren, hörte den Wellen und dem Klang der Hufe zu und roch die frische Priese, die vom Meer aus aufs Land getrieben wurde. Das half ihm oft dabei, sich zu beruhigen und nach einiger Zeit konnte er wieder klare Gedanken fassen.
Es war von Anfang an geplant. Schon als er Amora als kleiner Junge, der nicht einmal sicher gehen konnte, kennenlernte, hatten ihre Eltern geplant, sie später zu verheiraten. Das hatten sie bei Korena und William auch getan. Wieso hatte er das nicht früher erkannt?
Jetzt stand er hier und es war zu spät. Er wusste nicht, was er tun sollte. Auf der einen Seite wollte er sich wehren, seinem Vater die Stirn bieten und zu Morgan zurückkehren. Auf der anderen Seite hatte sein Vater jedoch nichts Unrechtes getan. Es war üblich, seine Kinder nach Nutzen zu verheiraten, doch fair war es nicht.
Er wusste, dass sein Vater selbst dieser Regel entkommen war. Er hatte sich seine Gemahlin, Königin Juna, selbst ausgesucht und auch seine Mutter hatte sich in ihn verguckt. War es Liebe? Er wusste es nicht. Doch er wusste, dass die Hochzeit nur stattfinden durfte, weil ein ausreichender politscher Vorteil daraus entstehen konnte.
Auch Morgan passte in dieses Bild. Sie war adelig, wenn auch von niederem Rang, und gehörte dem Königreich Britannien an. Doch sie war eine Tintagel. Diese Familie wurde nur im Königreich behalten, dass sie sich keinen Gegnern anschließen konnten. Sie waren Feinde Uthers, somit Feinde Britanniens und somit Feinde Orkaniens.
Wütend schreiend kickte Gawain einen Stein ins Wasser. Er wünschte, seine Schwester wäre hier. Sie wusste immer, was zu tun war oder hatte aufmunternde Worte, wenn das mal nicht der Fall war.
Er fasste den Entschluss, ihr zu schreiben, sobald er zu Hause war. Sie war die einzige, mit der er wirklich reden konnte. Bei ihr konnte er sich fallen lassen und konnte seine Gefühle zeigen, ohne sie zu unterdrücken, wie es ihm sein Vater beigebracht hatte.
In seiner Kindheit war sie diejenige gwesen, die ihn getröstet hat, wenn er sich weh getan hat. Zu ihr kam er damals ins Bett gekrochen, um vor dem Gewitter Schutz zu suchen. Zu seinen Eltern konnte er schließlich nicht, sonst hätte er Ärger bekommen.
„Wer Angst hat, verliert. Das ist unsere Devise, Gawain. Geh zurück in dein Bett", hallte die Stimme seines Vaters in seinem Kopf und er konnte sich ein ironisches Lachen nicht verkneifen.
Die Beziehung zu seinem Vater war noch nie einfach gewesen. Manchmal dachte Gawain, sein Vater hasste ihn. Doch er hatte auch schöne Erinnerungen. Er hatte ihm zum Beispiel geduldig das Bogenschießen beigebracht und das Kämpfen mit dem Schwert. Wobei er den Schwertkampf eher durch Schmerz gelernt hatte. Er hatte noch eine verblasste Narbe davon, die ihn immer daran erinnern sollte zu kämpfen, wenn er nicht wollte, dass sowas nochmal passierte. Als wäre es damals seine Schuld gewesen.
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Wilde Rose
FanfictionRitter werden! Das ist Gawains Ziel, welchem er, zusammen mit seinen Freunden, in der Ritterschule auf Camelot immer näher kommt. Zusammen mit Sagramor, Tristan, Arthur und Guinivere bildet er die Tafelrunde, die vor bald drei Jahren von ihnen gegrü...