Wilde Rose- Kapitel 2

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Als alles wieder auf seinem Platz stand, beschlossen die jungen Knappen, sich Abendessen zu organisieren. Tristan und Arthur liefen schonmal voraus, um Guinivere ebenfalls einzuladen. Sagramor half Gawain auf die Beine, welcher sich auf einer Art Gehstock stützte. Zusammen liefen sie Richtung Speisekammer.

„Wir wollten später alle zusammen ausreiten gehen. Aber wenn du willst, kann ich mit dir hier bleiben ..." Sagramor blickte Gawain an und wartete auf seine Antwort. Gawain sah zu dem, einen Kopf kleineren, dunkelhaarigen Griechen hinab und erkannte wieder dieses Schuldgefühl in seinen Augen. Gawain hatte schon häufig versucht ihm klarzumachen, dass es genauso seine eigene Schuld war. Die Regeln waren klar: keine Kämpfe außerhalb des Trainings. Daran hatten sie sich beide nicht gehalten.

„Nein, du kannst ruhig mitreiten," begann er schließlich. „Ich werde schon eine Beschäftigung finden ... apropos reiten: Willst du morgen mein Pferd bewegen?"

„Klar, kann ich machen. Ich werde dafür sorgen, dass der Ausritt nicht allzu lange geht. Du könntest ja mit Migarou kuscheln?" fügte er hinzu, als sich ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht bildete.

Migarou, so hieß Guiniveres Katze. Er mochte dieses Vieh nicht, er kratzt und pinkelt ihm auf seine Schuhe und das Beste? Er war keine normale Katze, er war eine Werwolfkatze. Man könnte meinen, dass das Tier sich bei Vollmond in ein Monster verwandelte, aber das wäre schließlich zu einfach. Diese Katze verwandelte sich bei jedem Reiz, bei dem sie es für Nötig hielt, zudem spuckte er Feuer. Nur gut, dass er in diesem Zustand noch zwischen Freunden und Feinden unterscheiden konnte. Gawain lachte auf, genau das war auf jeden Fall sein Plan.

„Das kann ich machen, nachdem ich mit Meister Ulfin gesprochen habe."
Sagramor schaute verwirrt. „Was willst du denn bei Ulfin?", fragte er.
„Ach nichts Besonderes, ich wollte nur kurz über das Training reden."
„Aha." Sagramor blickte zurück zum Boden.

Endlich angekommen warteten die anderen schon, doch nicht nur Guinivere war zum Essen mitgekommen. Da saß auch ein schwarzhaariges Mädchen. Morgan Tintagel. Sagramor und Gawain ließen sich gegenüber der beiden Mädchen nieder. Morgan blickte auf, Gawains und ihr Blick trafen sich. Schnell senkte Morgan ihren Blick wieder, grinste leicht und bekam rosige Wangen. Was war das denn? Gawain war verwirrt, doch tat so, als hätte er nichts bemerkt.

Den Rest des gemeinsamen Essens blickte Morgan kein einziges Mal mehr in seine Richtung, er starrte sie dafür umso öfter an. Hatte er sich verguckt?

Da war es wieder, dieses Kribbeln. Sobald Gawain den Raum betreten hatte, musste sie sich die größte Mühe geben, nicht wie eine Idiotin über beide Ohren zu grinsen. Doch als er sich ihr gegenübersetzte und sich ihre Blicke trafen, konnte sie einfach nicht anders. Schnell senkte sie ihren Blick, als sie merkte, wie ihre Wangen anfingen warm zu werden. Mist. Hatte er es gesehen? Einfach so tun als wäre nichts gewesen.

Morgan hatte es schon kommen sehen, sie hatte sich schon seit einem Jahr zu ihm hingezogen gefühlt, doch verliebt war sie nicht. Das dachte sie jedenfalls bis zu seinem Unfall.

Nachdem Merlin mit ihm fertig war, beauftragte dieser Morgan damit, ein Auge auf den Knappen zu haben, solange Merlin sich mit Ulfin besprach. Sie holte sich ein Buch und setzte sich in die Nähe des Bettes, indem der immer noch ausgeknockte Ritterschüler lag. Sie schlug das Buch auf und las die ersten Zeilen. Doch dann blickte sie auf und in das Bett. Es war ihr heute noch unangenehm darüber nachzudenken, dass sie minutenlang dort gesessen hatte und in Gawains Gesicht gestarrt hatte. Bei diesem Gedanken gruselte sie sich manchmal vor sich selbst. Erst als die Tür aufflog und Merlin sein Baumhaus betrat fing sie sich wieder.

War es das, was sie dachte, das es war? War sie verliebt? Aber warum in Gawain? Er hatte etwas gegen sie und sie musste sich unbedingt ihn aussuchen. Hätte sie sich nicht in Tristan oder Sagramor verlieben können?

Okay, er war unglaublich attraktiv. Er überragte die anderen Knappen inzwischen um einiges, war breit gebaut und muskulös. Seine Haare hatten diese besondere Farbe, dieses dunkle rot, das fast schon in kastanienbraun überging. Sein Gesicht war jetzt schon eher kantig. Durch die, oft zusammengezogenen Augenbrauen, wirkte er etwas grimmig.  Sie mochte seine Augenbrauen, durch sie kamen seine grauen Augen gut zur Geltung. Er hatte eine Stubsnase, sie glaubte er wäre beleidigt, wenn ihm das einer sagen würde. Und dann diese Sommersprossen. Sie zierten sein Gesicht, doch nicht nur das. Seine Arme waren auch bepunktet, sowie seine Brust. Und die kleine Narbe am Kinn, sie fragte sich, was er wohl angestellt hatte.

„Und du Morgan?"

„Ähm, was?" Morgan fuhr in sich zusammen und blickte direkt in die strahlend grünen Augen der Prinzessin Guinivere, die erwartungsvoll dreinschauten.

„Träumst du?", fragte sie grinsend. „Ich wollte wissen, ob du mit auf den Ausritt kommst?"

„Ich kann doch gar nicht reiten."

„Weiß ich doch, wir dachten du reitest bei mir mit."

Morgan überlegte kurz, sie wollte die Tafelrunde nicht stören und musste noch einen Zaubertrank zu Ende bringen.

„Nein, danke. Ich kann nicht", widerfuhr sie schließlich.

„Wie du meinst", sagte Guinivere etwas enttäuscht, bevor sich alle verabschiedeten, um die Pferde zu holen. Alle? Nein, einer blieb sitzen und starrte mit betrübtem Blick seinen Freunden hinterher.          

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