Die letzten Tage vergingen wie im Flug. Meister Ulfin nahm die Knappen in dieser Zeit immer nochmals besonders hart ran. Gawain guckte ihnen aufmerksam zu und speicherte jede Information und Bewegung ab, um es in den Ferien nachzuholen.
Zwischen dem Training waren sie damit beschäftigt, ihren Abschluss zu planen. Es war immer ein Gefühlschaos. Einerseits freute man sich auf seine Heimat, auf seine Familie, das Faulenzen und so behandelt zu werden, wie es bei dem Status eines Prinzen üblich war. Andererseits mussten sie ihre Freunde verlassen und die Tafelrunde musste sich für zwei ganze Monate trennen. Doch dieses Mal würde Gawain nicht nur seine Freude vermissen, sondern vor allem ein ganz besonderes Mädchen.
„Tja, morgen bist du weg."
Morgan sah Gawain traurig an. Sie waren bei Merlin und bereiteten etwas Essen für die anstehende Feier vor. Gawain blickte ebenfalls betrübt auf seine Freundin herab.
„Wir können uns ja schreiben", sagte er dann enthusiastisch lächelnd, als hätte er den Einfall des Jahrhunderts gehabt.
„Toll, das macht es viel besser." Morgans Worte waren von Sarkasmus durchtränkt und sie klang schon fast etwas eingeschnappt. Gleichzeitig wusste sie, dass Gawain ebenfalls traurig war, es nur nicht so zeigte, wie es andere taten, also legte sich ihre Wut schnell wieder. Er konnte schließlich auch nichts dafür.
„Wie lange braucht man zu Pferd nach Orkanien?", fragte sie.
„Zwei Tage. Aber die Greifenpost von Camelot schafft das in einem halben, also sind deine Briefe schnell bei mir." Gawain lächelte sie aufmunternd an und sie konnte nicht anders als ebenfalls zu lächeln.
„Toll und ich darf dann zwei Tage warten", Morgan verdrehte die Augen, doch plötzlich begannen sie zu funkeln und ihre Miene hellte auf. „Vielleicht ... Ach egal."
Gawain blickte sie fragend an, doch hakte nicht weiter nach.
„Das heißt auch, du musst zwei Tage reiten. Geht das überhaupt mit deinem Knie?" Morgan blickte ihn besorgt an, doch er verdrehte nur seine Augen.
„Mein Knie? Ich mache mir eher Sorgen um meinen Hintern." Bei dieser Bemerkung musste Morgan lachen und schlug ihm spielerisch gegen die Schulter.
„Gawain! Ich meine es ernst. Du bist Monate nicht geritten und dann willst du gleich einen so langen Ritt auf dich nehmen."
„Ich reite es ja nicht am Stück."
„Ja, aber ist das nicht gefährlich? Es könnte schnell überlastet sein. Wo schläfst du? Schläfst du unter freiem Himmel? Oder gar nicht? Sag mir bitte nicht, dass du nicht schlafen wirst." Morgan begann in ihrer Aufregung immer schneller zu reden und raufte sich die Haare. Sie hatte keine Ahnung, was Gawain auf solchen Reisen immer erwartete. Klar, Gawain hatte sie schon oft bestritten, aber nie mit kaputtem Knie.
„Morgan, beruhige dich. Wir werden genügend Pausen einlegen und schlafen werde ich bei Tristan. Leoness liegt quasi auf dem Weg. Dort treffe ich mich dann auch mit einem Boten meines Vaters, der mich dann bis nach Orkanien begleitet", erklärte Gawain kurz den Plan, welcher sich seit Jahren nicht geändert und immer funktioniert hatte.
Morgan atmete tief durch und widmete sich wieder dem Obst. Gawain blickte sie einige Momente skeptisch an und bemerkte auch recht schnell, dass sie immer noch sehr bedrückt war.
„Morgan", sagte er mit sanfter Stimme, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Doch sie zuckte nicht einmal mit den Augenliedern.„Morgan, sieh mich an", versuchte er es nochmal. Doch wieder keine Reaktion, außer aggressives Obstschneiden. Sachte legte Gawain seine Hand auf Morgans schneidende Hand und ließ sie so innehalten. „Hey!" Diesmal war seine Stimme bestimmt und Morgan guckte ihn endlich an.
„Komm schon, Kopf hoch", lächelte er und hob mit seiner freien Hand sanft ihr Kinn an. „Es sind doch nur zwei Monate", ermutigte er sie. Morgan wurde schließlich weich und musste auch lächeln, während sich beide tief in die Augen guckten.
„Ja, nur zwei Monate", erwiderte sie leise und blickte gierig auf seine Lippen, die immer näherkamen. Morgan schloss ihre Augen, während sie freudig darauf wartete, bis sie seine Lippen auf ihren spürte. Ihr Herz pochte wild, als sie seinen Atem spürte und zusammenzuckte, als die Tür aufsprang.
„Hey, wie weit seid ihr mit dem Essen?"
Gawain ließ schnell von Morgan ab und saß steif auf der Bank neben ihr, während Morgan die Augen wieder öffnete und die Prinzessin böse und enttäuscht anblickte.
„Oh, störe ich gerade?" Peinlich berührt stand Guinivere nun mitten im Raum und grinste die beiden schuldbewusst an. Sie blickte von Morgan zu Gawain, der immer noch stocksteif und knallrot neben der Zauberin saß. Wortlos verließ Guinivere das Baumhaus wieder, doch der Moment war hinüber.
Mit starrem Blick betrat die Rothaarige den Innenhof, wo die anderen bereits auf sie warteten.
„Und wie weit sind sie?", fragte Arthur sogleich.
„Keine Ahnung", quiekte seine Freundin. Die Knappen guckten sich verwundert an.
„Was ist los?" Arthur betrachtete die Prinzessin von oben bis unten, doch konnte nicht erkennen, was falsch war.
„Ich habe es kaputt gemacht", rückte Guinivere schließlich bedrückt mit der Sprache raus.
„Was kaputt gemacht?", fragte nun Tristan, der genauso wenig verstand wie seine Freunde.
„Gawain ... wollte sie gerade küssen. Gawain!" Hob sie nochmal extra hervor.
„Ja und? Sie sind ein Paar", bemerkte Arthur, der das Problem immer noch nicht ganz verstanden hatte.
„Jaha, das weiß ich selbst. Aber ich hatte das Gefühl, dass die ... romantischen Interaktionen ... alle von Morgan ausgingen."
„Pff, Quatsch", rief Sagramor nun aus und zog alle Aufmerksamkeit auf sich. „Was guckt ihr so geschockt, ihr kennt ihn doch, er trägt seine Gefühle nicht gerne nach außen. Ihr wisst gar nicht, was die beiden treiben, wenn sie allein sind."
Die anderen warfen ihm skeptische und angewiderte Blicke zu. Sagramor grinste beschämt, als er bemerkte, dass die Formulierung nicht die Beste gewesen war.
„So meine ich das nicht ...", wollte er sich und vor allem Gawain und Morgan verteidigen.
„Was weißt du, was wir nicht wissen?", erkundigten sich Tristan grinsend und lehnte sich mit hochgezogenen Augenbrauen gegen die Burgwand, als er gespannt auf die Antwort des Griechen wartete.
„Wollen wir das überhaupt wissen?", fügte Arthur hinzu und sah mit großen Augen zwischen seinen Freunden hin und her.
„Leute, ich ..." Sagramor wurde rot. Wie konnte er sich hier noch herausreden?
„Komm, Sagramor, wir machen nur Spaß", löste Guinivere die Situation schließlich auf und klopfte dem kleinen Knappen freundschaftlich auf den Rücken.
„Da kommen sie." Tristan deutete Richtung Baumhaus und lenkte alle Aufmerksamkeit auf Gawain und Morgan, die mit dem verschiedensten Obst aus Merlins Haus heraustraten.
Als der Karren beladen war, machten sich Guinivere, Arthur und Tristan auf den Weg zur Tafelrunde, um diese herzurichten. Gawain und Sagramor gingen ins Zimmer der Knappen, um Gawains letzten Sachen zusammenzusuchen. Morgan nutze die Gunst der Stunde, um Merlin endlich nach einem ganz bestimmten Zauber zu fragen.
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Wilde Rose
FanfictionRitter werden! Das ist Gawains Ziel, welchem er, zusammen mit seinen Freunden, in der Ritterschule auf Camelot immer näher kommt. Zusammen mit Sagramor, Tristan, Arthur und Guinivere bildet er die Tafelrunde, die vor bald drei Jahren von ihnen gegrü...