Wilde Rose- Kapitel 42

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„Krauka." Die Stute, die bereits am Schlafen war, schreckte hoch. Sie hob den Kopf und stellte aufmerksam die Ohren auf, doch entspannte sich wieder, als sie ihren Reiter erkannte.

Gawain begann den Rappen hastig zu satteln und aufzutrensen. Er zog sie aus der Box und sprang auf. Nur widerwillig trabte Krauka mit lautem Hufgetrappel über den Innenhof und das Tor hinaus.

Wo sind die Wachen?, fragte er sich noch beim Rausreiten, doch zerbrach sich nicht weiter den Kopf darüber. Dazu war keine Zeit.

Er galoppierte Krauka an und ritt eilig Richtung Wald, als es begann zu winden und heftig zu regnen.

Sagramor wurde von lautem Donnern geweckt. Donnern? Nein, es waren Hufe. Genervt drehte er sich um, er wollte doch nur schlafen. Sein Blick streifte durch das Zimmer und blieb an Gawains Bett hängen. Es war leer.

Verwundert setzte sich der nur in Unterhose gekleidete Grieche auf. Wo war er nur?

Hastig lief er zum leeren Bett hinüber und sah zum Fenster hinaus, wo er eine Gestalt auf einem schönen Rappen zum Tor rausreiten sah. Krauka?, dachte er verwundert, Das kann doch nicht sein.

„Tristan! Tristan, wach auf." Schnell lief er zum Bett des blonden Knappen und rüttelte diesen aus dem Schlaf.

„Sagramor, was ist denn los?", fragte er verschlafen und sah den Griechen durch nur halb geöffnete Augen an.

„Gawain ist weg. Ich habe gesehen, wie er mit Krauka rausreitet. Es soll stürmen!"

„Was hat er vor?"

„Ich weiß es nicht."

„Schnell, ziehen wir uns an, holen Arthur und Guinivere und gehen ihn suchen. Nicht, dass er noch in Schwierigkeiten gerät." Tristan setzte sich auf und guckte Sagramor entschlossen an, der genauso entschlossen zurücknickte.

Leise tapsten die Knappen zum Zimmer der Prinzessin. Sie wussten beide, dass es schlimme Folgen haben konnte, wenn sie außerhalb ihrer Betten erwischt werden würden.

„Guinivere", flüsterte Sagramor, als sie sich ins Zimmer geschlichen hatten und vor ihrem Bett standen.

Die Prinzessin reckte sich kurz, bevor sie die Augen aufschlug.

„Ah!" Augenblicklich saß sie aufrecht im Bett. „Sagramor, Tristan, was macht ihr denn hier? Ich habe mich fürchterlich erschrocken."

Doch nicht nur die Augen der Prinzessin starrten sie verwirrt an. Auch der braune Strubbelkopf Arthurs lugte unter der Bettdecke hervor.

„Arthur, gut, dass du auch da bist. Gawain ist verschwunden, er braucht unsere Hilfe", begann Tristan zu erklären, während Arthur sich aus der Decke kämpfte.

„Das ist sein Problem", entgegnete er nur, immer noch beleidigt.

„Das kann nicht dein Ernst sein!", regte sich Sagramor sogleich auf und die Situation schien wieder fast zu eskalieren.

„Nicht in diesem Ton, Sagramor. Arthur, Guinivere, bitte. Danach kann er euch erklären, was wirklich passiert ist", versuchte Tristan die Gemüter zu besänftigen.

„Nein, raus!", zickte Guinivere und die beiden Knappen gehorchten, bevor Madame Birgitt noch auf sie aufmerksam wurde.

„Na super, tolle Freunde", bemerkte Sagramor und verschränkte wütend die Arme vor der Brust.

„Warte hier, ich hole meine Laute."

„Was willst du mit der Laute? ... Tristan!" Erschrocken schlug der Grieche die Hände vor seinem Mund zusammen. Das war laut. Doch der junge Dichter eilte unbeirrt davon, ohne sich noch einmal zu ihm umzudrehen.

Einige Zeit verging und Sagramor stand missmutig vor der Tür und fror, bis Tristan freudestrahlend mitsamt seinem Instrument zurückkam und ohne anzuklopfen das Zimmer betrat. Der kleine Knappe guckte nur verdutzt hinterher, bis er selbst wieder hineinhechtete, bevor die Türe ins Schloss fiel.

„Meine werten Freunde und Freundinnen. Vorhang auf für Tristan von der Tafelrunde. Troubadour und Beziehungsexperte." Tristan stand mitten im Raum und kündigte sich selbst an. Er stimmte eine liebliche, doch zugleich traurige Melodie an und begann zu singen:

„Gawain und Morgan schwer verliebt,

Doch Vaters Wille ihn betrübt.

Er zwang ihn mit Amora in die Ehe,

Ihm war es gleich, wie Gawain flehte.

Um Frieden ging es ihm allein,

Soll Schande der Familie sein."

Arthur, Guinivere, sowie Sagramor sahen ihn mit offenem Mund an. Das war also sein großartiger Plan, dachte der Grieche sich im Stillen.

„Hört ihr uns jetzt zu oder muss ich weitersingen?", fragte der blonde Knappe das Paar mit einem triumphierenden Lächeln.

„Eine ... arrangierte Ehe?", wollte Arthur wissen, nicht sicher, ob er es richtig verstanden hatte.

„Ja. Gawain hatte keine Chance gegen seinen Vater. Er kann nichts dafür und wollte Morgan auf keinen Fall wehtun", erklärte Tristan nochmals ruhig.

„Wir haben ihm Unrecht getan", gab Arthur schließlich geknickt zu und sah zu Guinivere hinüber die traurig nickte.

„Los, los! Zeit, es wieder gut zu machen. Raus aus dem Bett und anziehen!", fand auch Sagramor seine Stimme wieder und klatschte aufgeregt in seine Hände.

Die beiden Jungen warteten draußen, während sich Arthur und Guinivere anzogen.

Als sie rauskamen, blickte Arthur seine Freunde voller Tatendrang an. „Was ist der Plan?"

Sagramor und Tristan guckten sich kurz an, als sie merkten, dass sie keinen Plan hatten.

„Naja, reiten wir in den Wald und hoffen, dass wir ihn finden", versuchte Sagramor zu erklären und dabei möglichst positiv zu klingen.

Arthur und Guinivere blickten die beiden ungläubig an, bevor Arthur schließlich sein Schwert zog und es in die Luft reckte.

„Für die Tafelrunde?", fragte er mit einem schelmischen Grinsen.

„Für die Tafelrunde!", riefen die anderen begeistert, während die anderen beiden Knappen ebenfalls ihre Schwerter in die Höhe hielten und die Prinzessin einen ihrer Pfeile zog.

Fröhlich lachten die Freunde, endlich wieder vereint, als die genervte Stimme des Königs durch den Gang hallte: „Ruhe!"

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