Die Freunde saßen mit Merlin vor dessen Baumhaus an einer Tafel und tauschten sich über ihre Ferien aus. Morgan erzählte zusammen mit Sagramor und Arthur, was sich auf Camelot getan hatte und wie depressiv und noch schlechter gelaunt Meister Ulfin schien, da seine Liebste weg gewesen war.
Sie klopfte Gawain lachend den Rücken, als dieser sich an seinem Wasser verschluckte, nachdem Sagramor aus freiem Himmel erzählte, dass er mit Medusa zusammengekommen war.
Tristan und Guinivere schwärmten von ihren Königreichen und erzählten, was sie dort mit ihren Familien alles erlebt hatten. Guinivere war mit ihrem Vater auf die Jagd gegangen, was ihre Mutter gar nicht so lustig fand. Sie war schließlich eine Dame.
Morgan amüsierte sich köstlich, als Tristan von seinem kleinen, quirligen Bruder erzählte. Sie schielte ab und an zu Gawain hinüber, dem manchmal ein Grinsen über das Gesicht huschte, sich jedoch sonst wenig beteiligte, auffällig ruhig war und in Gedanken schien.
„Wie waren deine Ferien, Gawain?", fragte Tristan schließlich, der die geistliche Abwesenheit seines Freundes wohl auch bemerkt zu haben schien.
„Ähm, ja. Ganz gut." Sofort blickten ihn alle Anwesenden, überrascht über die knappe Antwort, an. Gawain wich ihren Blicken nur aus und kratzte sich nervös am Hinterkopf.
„Alles in Ordnung?" Besorgt legte Morgan eine Hand auf Gawains Oberschenkel. Der Knappe blickte sie kurz an, bevor er wieder auf seine Hände sah. Er zögerte kurz, doch antwortete schließlich: „Ja, alles gut."
Doch jeder spürte, dass das eine Lüge war. Sie ließen es jedoch auf sich ruhen und wollten nicht weiter nachbohren, was bei Gawain zumeist sowieso nichts brachte.
„Los, Kinder! Es wird schon spät und die Reise war sicherlich anstrengend. Ihr müsst eure Sachen noch einräumen", durchbrach Merlin schließlich die angespannte Stille und die Freunde taten, was der alte Zauberer riet, froh darüber, der unangenehmen Situation entfliehen zu können.
Als Gawains Augen auf die des alten Zaubermeisters trafen, hielt er kurz inne. Merlin hatte schon die ganze Zeit die Augen kaum von ihm genommen. Er zog die Augenbrauen nachdenklich zusammen, als er versuchte, den Blick des Magiers zu deuten. Es waren einerseits Mitgefühl und Bedauern, doch auf der anderen Seite erkannte er auch Enttäuschung. Als würde Merlin ihm einen Vorwurf machen wollen. Doch, wegen was?
Bevor sich Gawain noch mehr Gedanken machen konnte, nahm Morgan ihn bei der Hand und zog ihn mit zum Zimmer der Knappen.
Während Tristan auf die Toilette verschwand, half Morgan Gawain dabei, seine Taschen auszuräumen. Medusa und Sagramor saßen derweil auf dem Bett und tuschelten.
„Wie ist der Kampf diesmal ausgegangen?", wandte Sagramor sich schließlich an seinen besten Freund.
„Welcher Kampf?", erkundigte Morgan sich sogleich und hielt inne, während sie den Griechen eindringlich ansah. Auch Medusa blickte neugierig zwischen den Jungs hin und her, gespannt auf eine Antwort.
„König Lott fordert jedes Jahr einen Kampf zwischen ihm und Gawain, um sich von seinem Fortschritt zu überzeugen", erklärte Sagramor knapp und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Freund zu.
„Es lief gut für mich, bis er mir ins Knie getreten hat."
„Er hat was?", riefen beide Mädchen schockiert und auch Sagramor zog ungläubig die Augenbrauen nach oben.
„So ist er eben. Er nutzt deine Schwächen aus. So ist es auch in einer richtigen Schlacht", erklärte Gawain gefasst, als verstünde er nicht, was das Problem war.
„Das war es aber nicht! Das kann er doch nicht machen. Zeig mal her." Morgan kam herangestürmt und wollte augenblicklich nach dem Knie sehen.
„Morgan, das war am Anfang der Ferien. Was willst du da jetzt noch finden?", wehrte sich Gawain gegen seine besorgte Freundin, die bereits dabei war, ihn zum Bett zu schieben.
„Oh." Die junge Zauberin hörte augenblicklich auf, als sie bemerkte, wie dumm es war und lächelte verlegen zu Gawain hinauf. Dieser konnte nicht anders, als ebenfalls zu lächeln.
„Danke, dass du dich sorgst."„Ich möchte dein Knie trotzdem mal sehen. Hast du alles so benutzt, wie ich es dir gesagt habe?", warf Medusa ein und kam zu den beiden hinübergelaufen, die sich bereits in den Augen des anderen verloren hatten.
Genervt verdrehte Gawain die Augen. „Jaja, fast jeden Tag."
„Fast?" Medusa zog vorwurfsvoll eine Augenbraue nach oben, als Gawain nur mit den Schultern zuckte, als wüsste er nicht, was er falsch gemacht hatte. Medusa schnalzte daraufhin mit der Zunge.
„Hinsetzten!", befahl das viel kleinere Mädchen mit so einer Bestimmtheit, dass Gawain ihr augenblicklich folgte.
„Wow, das musst du mir beibringen", scherzte Morgan beeindruckt und auch Sagramor staunte nicht schlecht.
Als Morgan in dieser Nacht in ihrem Bett lag, kreisten ihre Gedanken um Gawain. Sein Knie hatte ganz gut ausgesehen, doch sein Verhalten war auffällig. Sie hatte kein gutes Gefühl, doch wusste auch nicht genau, woran es liegen könnte. Warum erzählte Gawain ihr denn nichts? Hatte er kein Vertrauen in sie?
Auch der Knappe war wach. Ihn plagte ein schlechtes Gewissen. Er hätte es Morgan sagen sollen, doch er fand weder den richtigen Augenblick noch die richtigen Worte. Er versuchte sich einzureden, dass sich das alles klären wird, dass alles schon irgendwie gut werden wird. Doch er wusste selbst, dass das nur Wunschdenken war.
Er wusste, dass er sich der Situation stellen musste, Morgan nicht länger etwas vorspielen konnte. Doch er wusste auch, dass es alles kaputt machen würde. Ihre Beziehung war sowieso schon auf schwachem Fundament gebaut und sein Vater kam wie ein Rammbock, der es schon in kurzer Zeit schaffte, es zum Einsturz zu bringen.
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Wilde Rose
FanfictionRitter werden! Das ist Gawains Ziel, welchem er, zusammen mit seinen Freunden, in der Ritterschule auf Camelot immer näher kommt. Zusammen mit Sagramor, Tristan, Arthur und Guinivere bildet er die Tafelrunde, die vor bald drei Jahren von ihnen gegrü...