Wilde Rose- Kapitel 30

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„Gawain!"

Der junge Ritterschüler lag in seinem Bett. Die Sonne war gerade am Aufgehen und die ersten warmen Strahlen drangen in sein Zimmer.

„Gawain!"

Er hatte nicht gerade gut geschlafen. Der Stress vom Tag hatte wohl auch auf seine Träume Einfluss genommen. Da war wieder dieses komische Tier gewesen ...

„Hey!"

Erschrocken schlug er die Augen auf. Sein Vater blickte streng auf ihn herab und verschränkte seine Arme.

„Steh auf, zieh dich an, wir gehen ausreiten." Lott wartete nicht einmal auf eine Antwort, bevor er sich abwandte und das Zimmer verließ.

Mit einem genervten Stöhnen drehte Gawain sich zum Fenster, wobei er von der Morgensonne geblendet wurde. Die Ferien sind ja sehr erholsam, dachte der Prinz von Orkanien sarkastisch und verdrehte die Augen. Schwerfällig kämpfte Gawain sich aus seinem Bett und reckte sich. Er zog sich wahllos eine Hose an, warf sich ein Hemd über und stapfte so in den Hof, wo sein Vater bereits wartete. Die Pferde waren bereits gesattelt.

„Da bist du ja endlich", brachte sein Vater ihm harsch entgegen und stieg auf sein Pferd auf. Wortlos lief Gawain zu seiner Stute und streichelte ihr zur Begrüßung über die weichen Nüstern, bevor er ebenfalls aufstieg. Die ersten Minuten ritten die beiden wortlos nebeneinanderher, bis Lott schließlich die Stille brach: „Krauka sieht gut aus. Du scheinst ein Händchen für Pferde zu haben."

Überrascht blickte Gawain auf den Rappen herab und wandte sich schließlich breit grinsend seinem Vater zu. „Danke", sagte er stolz.

Doch des Königs Miene blieb wie versteinert, wodurch das Grinsen auch schnell aus des Jungen Gesicht fiel. Es machte sich ein beklemmendes Gefühl in ihm breit.

„Vater ... ähm ... wieso wolltest du mit mir ausreiten gehen?", fragte er verunsichert. Er wagte es nicht, seinem Vater in die Augen zu gucken. Er hatte Angst vor der Antwort. Lott wandte sich seinem Sohn zu, der verunsichert zu ihm hinauflugte.

„Ich wollte nur Zeit mit dir verbringen."

Skeptisch guckte Gawain ihn für ein paar Sekunden an, bevor Lott den Augenkontakt brach und wieder stur geradeaus starrte. Wie aus dem Nichts bildete sich ein seltenes Grinsen auf dem Gesicht des störrischen Königs und er blickte herausfordernd zu seinem Sohn hinüber. Plötzlich trieb er sein Pferd in den Jagdgalopp und preschte davon.

Krauka tänzelte nervös, während Gawain nur überrascht seinem Vater hinterherschaute, bis er verstand und sich dasselbe schelmische Grinsen auf seinem Gesicht bildete.

Gerade blickte Lott über seine Schulter, als sein Sohn auch schon hinter ihm erschien und in großen Galoppsprüngen näherkam.

„Bis zur Kreuzung!", rief Lott ihm über die Schulter zu, als Gawain nah genug an ihn herangeritten war. Er trieb sein Pferd nochmal ordentlich an und preschte seinem Sohn erneut davon. Siegessicher näherte er sich in vollem Tempo der Kreuzung, als Gawain plötzlich neben ihm auftauchte und die Pferde Nase an Nase nebeneinanderher galoppierten.

„Krauka, komm schon!", rief der Jüngere seiner Stute zu, welche mit angelegten Ohren augenblicklich einen Zahn zulegte. Sie zogen an Lott vorbei und kamen schließlich mit ein paar Metern Vorsprung an der Kreuzung an. Gawain trabte noch ein paar Mal im Kreis, bevor er den Rappen beruhigen und durchparieren konnte. Mit einem Steigen beendete er seine Performance und brachte die Stute endlich zum Stehen, als Lott sein Pferd breit grinsend ebenfalls durchparierte.

„Beeindruckend", gab er ehrlich zu.

„Sie hasst es einfach, nicht Erste zu sein." Gawain zuckte gelassen mit den Schultern, als er das Grinsen selbstgefällig erwiderte.

„Sie oder du?", lachte der König, als sie im Schritt den Weg entlang ritten, die Pferde immer noch schwer atmend, woraufhin der Knappe nur noch einmal mit den Schultern zuckte. Die Stimmung war endlich aufgelockert und der König erzählte seinem Sohn stolz, wie das in der Familie liegen würde und dass er ein guter Reiter sei. Er erzählte ihm von den Spitzenpferden, die bereits auf Orkanien gezüchtet worden waren und in ganz Britannien von Rittern und Königen gefragt waren.

Er erzählte von seinem ersten eigenen Pferd, welches er, wie jeder Ritterschüler, mit achtzehn Jahren bekommen hatte und wurde traurig bei dem Gedanken daran, wie er es in einer Schlacht verloren hatte. Gawain hörte nur aufmerksam zu und lächelte bei den schönen Erinnerungen seines Vaters. Er genoss die lockere Stimmung, die in den letzten Jahren immer seltener geworden war.

Sie ritten entspannt und zufrieden auf ihr Schloss zu. Lächelnd blickte Lott zu seinem glücklichen Sprössling herüber, als ihm der Grund des Ausritts wieder in den Sinn kam. Er hatte Gawain etwas zu sagen.

„Gawain, warte."

Verdutzt blickte Gawain zu seinem Vater, welcher sein Pferd plötzlich zum Stehen gebracht hatte. Auch er blieb stehen und wartete gespannt auf den Grund. Als er in das Gesicht seines Vaters schaute, erkannte er, dass sich wieder der verklemmte, strenge Ausdruck hineingeschlichen hatte. Das bedeutete nichts Gutes, so viel stand schonmal fest.

„Du weißt, dass deiner Mutter und mir dein Wohlergehen wichtig ist?"

Naja, wenn er ehrlich war, wagte er das manchmal zu bezweifeln.

„Ja?", brachte er dennoch eher fragend hervor, nicht wissend wo das hinführen sollte.

„Ich möchte nur das Beste für dich." Sein Vater blickte ihn eindringlich an und Gawains Herz begann schneller zu schlagen. Ja, das hatte gar nichts Gutes zu bedeuten. „Aber ich muss auch an Orkanien denken. Du als zukünftiger König trägst eine große Verantwortung."

„Was?" Langsam wurde Gawain ungeduldig und hisste seinen Vater mehr an als er es wollte. Lott warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, bevor er fortfuhr.

„Du trägst eine große Verantwortung und Orkanien ist auch in Zukunft auf Allianzen angewiesen. Ich finde, dass du bald reif genug bist zu heiraten", rückte der König endlich mit der Sprache heraus.

Geschockt sah Gawain ihn an. Wenn er jetzt damit rausrückte, schwebte ihm sicherlich auch schon die richtige Braut vor.

„Wen?", fragte er etwas heißer, als sich ein dicker Klos in seinem Hals bildete.

„Amora."

Dem jungen Prinzen wurde heiß und kalt zugleich. Von der einen Sekunde auf die andere wurde er von Emotionen überrumpelt. In einem Moment wollte er fliehen, wollte seinen Vater zur Rede stellen und sich wehren, im anderen verließ ihn sein Kampfgeist, sein Mut und er beugte sich der Entscheidung seines Vaters.

Gerade als Gawain dachte, dass sich sein Leben zum Besseren gewendet hatte, kam sein Vater und zerstörte es wieder.

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