Wilde Rose- Kapitel 11

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Die drei Knappen machten sich bettfertig, während Theodor im Zimmer herumwuselte und munter aus seinem Leben erzählte. Er schnappte sich Tristans Laute und strich ihr über die Saiten.

„Miiimimimimimiiii"

„Theodor, lege bitte meine Laute wieder weg. Es ist zu spät, sie zu spielen."

Tristan ging zu seinem Bruder und nahm ihm das Instrument aus der Hand. Theodor ließ sich davon nicht beirren und spazierte zum nächsten Objekt.

„Sapperlot, was ist das!?"

„Lass deine Finger von meinem Clipeus!" Sagramor kam panisch angerannt.

„Deinem was?"

„Meinem Clipeus. Original aus Konstantinopel", erklärte er mit gehobenem Zeigefinger.

„Pff, langweilig, sieht aus wie ein normaler Schild." Theodor verschränkte die Arme und blickte sich im Zimmer um.

Sagramor guckte ihn beleidigt an, beschloss aber, seinen wunderschönen Clipeus nicht weiter zu verteidigen, sondern zu akzeptieren, dass der Junge die Besonderheit dieses Meisterwerks, wie so viele, nicht erkannte.

Theodors Blick fiel auf Gawain, der in seinem Nachtgewandt, auf der Kante seines Bettes saß. Er war damit beschäftigt, einen Verband von seinem Knie zu wickeln. Das wollte Theodor nicht verpassen und er beschloss hinzugehen.

„Was hast du da?" Theodor blickte mit großen, neugierigen Augen erst auf das Knie und dann direkt in das Gesicht des großen Knappen.

Gawain hielt inne, er wollte nicht, dass Theodor sein Knie sah.

„Theodor, ich kann gerade nicht."

„Bist du verletzt?"

„Offensichtlich."

„Wie ist das passiert? Tut das weh?"

„Theodor", Tristan kam herübergelaufen und zog den Kleinen von Gawain weg, „lass das. Komm, ich bringe dich zu unseren Eltern."

„Och nö, ich möchte hier schlafen."

„Das geht heute nicht. Vielleicht nach dem Turnier."

Plötzlich klopfte es an der Tür.

„Siehst du Theodor, jetzt kommen sie dich holen und sind sauer, weil sie sich fragen, wo du so lange bleibst."

Tristan blickte böse auf seinen kleinen Bruder herab, der schuldbewusst zu Boden sah.

„Darf ich reinkommen?" Eine weibliche Stimme erklang von der anderen Seite der Tür. Die Anspannung fiel von den Brüdern ab, als sie erkannten, dass es nicht die Stimme ihrer Mutter war.

Tristan öffnete die Tür und Korena trat herein. Gawain zog schnell sein Gewand über sein Knie.

„Danke, Tristan", lächelte sie. Tristan lächelte zurück.

„Gerne, Prinzessin. Komm, Theodor, gehen wir."

Die Brüder verließen den Raum und Korena trat auf Gawain zu. Ihr Gesicht war ernst.

„So, keine Ausreden. Was ist mit deinem Knie passiert?"

„Es ist wirklich nicht schlimm. Ich weiß gar nicht was alle für ein Problem haben."

„Nicht schlimm?", mischte sich Sagramor ein. „Ich habe es gesehen, es sah überhaupt nicht gut aus. Und was war heute Vormittag?" Gawain blickte Sagramor böse an, doch dieser ließ sich nicht einschüchtern, sondern schaute genauso böse zurück.

„Was war heute Vormittag?" Korena blickte erwartungsvoll zwischen den beiden Jungen hin und her.

„Er ist zusammengebrochen."

„Was?" Korena sah ungläubig in das Gesicht ihres geliebten Bruders.

„Sagramor was redest du da? Es war nicht so schlimm, wie es vielleicht aussah. Und 'zusammengebrochen' ist wirklich übertrieben." Gawain war sauer. Wie konnte Sagramor ihm so in den Rücken fallen?

„Jungs, es reicht. Wir beruhigen uns alle erstmal wieder. Gawain, ich würde mich gerne selbst davon überzeugen, wie schlimm es ist." Korenas Tonfall war bestimmend, aber nicht streng. Sie strahlte diese typische Ruhe und Einfühlsamkeit aus, die Gawain sehr gut von ihr kannte. Er starrte beide nochmal böse mit verschränkten Armen an und überlegte. Er beschloss schließlich nachzugeben. Seine Schwester würde sowieso nicht aufgeben.

Behutsam legte er sein linkes Knie auf das Bett und zog sein Gewand etwas nach oben. Er wollte gerade selbst damit beginnen den restlichen Verband zu entfernen, als er die sanften Hände seiner Schwester spürte.

„Lass mich das machen. Entspanne dich", sagte sie leise, fast schon flüsternd. Sagramor war ebenfalls nähergekommen und verfolgte mit neugierigem Blick, wie Korena den Verband löste.

„Ach du meine Güte!" Die Prinzessin blickte erschrocken auf das, nun freie, Knie hinab. Damit hatte sie nicht gerechnet. Das Knie war so geschwollen, dass man es schon fast nicht mehr als ein solches erkennen konnte. Alles war rot und quer darüber ein Schnitt, welcher nachgeblutet hatte. Sie blickte auf, in das schmerzverzerrte Gesicht ihres Bruders.

„Was ist passiert? Das sieht ja furchtbar aus."

„Das war meine Schuld. Wir haben ohne Rüstung gekämpft und ich habe ihn getroffen." Sagramor blickte schuldbewusst zu Boden, nicht mehr fähig einem der Geschwister in die Augen zu blicken.

„Und es wurde nicht behandelt?"

„Doch. Merlin hat es genäht. Doch es wurde immer schlimmer. Er konnte es nicht heilen, nur den Prozess der Entzündung verlangsamen. So wie ich es verstanden habe, kann Magie nur Magisches heilen." Sagramor erklärte der besorgten Schwester seines besten Freundes die gesamte Geschichte. Danach war es einen Moment still, bis Korena das Wort wieder ergriff.

„Gawain, warum hast du unseren Eltern alles verschwiegen?"

„Weil ich nicht wollte, dass Mutter sich Sorgen macht und ich Angst vor der Reaktion Vaters hatte. Er hätte mich doch nur für ein Weichei gehalten und hätte mir gepredigt, wie viel Training ich doch verpassen würde."

„Quatsch, Gawain. Vater ist zwar streng, aber guck dir das doch mal an. Er hätte sich genauso Sorgen gemacht, hätte er das gewusst. Er liebt dich doch."

Korena lächelte Gawain aufmunternd an und Gawain konnte nicht anders als zurückzulächeln. Doch schnell wurde Korenas Gesicht wieder ernst.

„Ich möchte nicht, dass du am Turnier teilnimmst."

„Doch, ich muss ..."

„Du musst gar nichts, außer dein Knie schonen und zusehen, dass das wieder in Ordnung kommt. Deine Gesundheit geht vor", unterbrach sie ihn augenblicklich.

„Wieso denn? Mir geht es doch gut. Die Schmerzen sind auszuhalten."

„Ich werde zu Ulfin gehen und ihn darum bitten, dich nicht am Turnier teilnehmen zu lassen." Korenas Stimme war wieder streng und bestimmend, sie blickte Gawain eindringlich an.

„Das kannst du nicht machen! Korena, ich will doch nur am Turnier teilnehmen. Danach werde ich mich ausruhen, versprochen. Bis dahin wird Merlins Salbe genug sein."

Korena dachte nach. Sie konnte es nicht ertragen, wenn es ihrem kleinen Bruder schlecht ging. Doch sie wusste genauso wie wichtig ihm das Turnier war. Außerdem war er alt genug, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und deren Konsequenzen zu tragen.

„Also gut, aber danach ist Schluss. Und ich werde mich selbst um die Überwachung der Einhaltung kümmern."

„Ja, danke Korena." Gawain strahlte übers ganze Gesicht. Korena freute sich über diesen Anblick und stand auf, um in ihr eigenes Zimmer zu gehen. Sie wünschte den Jungs eine gute Nacht und verließ den Raum.

Gawain verband sein Knie neu und legte sich danach zufrieden in sein Bett, Sagramor hatte sich auch bereits hingelegt. Als Tristan den Raum betrat wünschte er seinen Kameraden ebenfalls eine gute Nacht, bevor er sich selbst ins Bett fallen ließ.

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