Wilde Rose- Kapitel 5

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Als Guinivere zusammen mit ihren Freunden auf Camelot einritt, hörte sie zwei ihr wohl bekannte Stimmen, die sich mal wieder stritten. Sie blickte zu ihren Freunden, die sich ebenfalls wissende Blicke zuwarfen.

„Was glaubt ihr, worum geht es jetzt schon wieder?", fragte sie in die Runde, während sie von ihrem Pferd stieg. Die anderen taten es ihr gleich und zuckten mit den Schultern.

Sie drehten sich alle in Richtung von Merlins Baumhaus, als die Besitzer der Stimmen in ihr Blickfeld kamen.

„Nerv mich nicht, Morgan!", rief Gawain mit wütender Stimme, während er versuchte vor seiner Verfolgerin wegzulaufen, was sich mit kaputtem Knie als schwierig erwies.

„Ich will doch nur helfen!" Morgans Stimme klang schon fast verzweifelt.

„Ich brauche deine Hilfe aber nicht!"

„Wieso bist du so?" Morgan blieb, nur ein paar Meter von den anderen entfernt, abrupt stehen. Auch Gawain blieb stehen, drehte sich um und blickte Morgan wütend an.

„Wie bin ich denn?", fragte er mit genervter Stimme.

„Du weißt was ich meine!" Langsam wurde Morgan wütend. „Über mich wird gesagt, dass ich Stimmungsschwankungen hätte. Aber du? Erst willst du mich nicht einmal angucken, dann lachen wir miteinander und jetzt zickst du wieder rum. Wurde gerade im Baumhaus dein Stolz verletzt? Der scheint ja das Wichtigste für dich zu sein!"

Einen Moment war es still, bevor Gawain die Augen verdrehte, sich abwandte und zum Schlosseingang humpelte. Morgan schaute ihm mit verschränkten Armen nach, bevor sie sie löste, ihr Blick weich wurde und sie sich mit gesengtem Blick zurück zum Baumhaus begab.

„Arthur, kannst du dich um mein Pferd kümmern?", fragte Guinivere ihren Freund und blickte ihn mit großen, flehenden Augen an.

„Wenn du so fragst", antwortete Arthur mit einem Lächeln.

„Danke, du bist der Beste!", sagte Guinivere ebenfalls lächelnd und drückte ihm die Zügel in die Hand. Sie gab ihm noch einen schnellen Kuss auf die Wange ehe sie zum Baumhaus rannte.

Als sie ihr Ziel erreichte, klopfte sie an die alte Holztür, welche kurz darauf von dem großen Zauberer höchst persönlich geöffnet wurde.

„Hallo Merlin, ist Morgan da?"

„Hallo Guinivere", grüßte der Magier mit seinem typischen sympathischen Lächeln auf den Lippen. „Ja, Morgan ist gerade hier herein gestürmt gekommen, sie sah nicht gerade gut gelaunt aus.

„Es gab Streit, deswegen bin ich hier."

„Na, wenn das so ist. Komm rein!", sagte Merlin mit ruhiger Stimme und trat zur Seite, um Guinivere mit einer einladenden Geste hineinzulassen.

„Sie ist oben in ihrem und Arthurs Zimmer."

„Alles klar, danke Merlin," sagte Guinivere noch schnell, als sie bereits dabei war die Stufen zum Zimmer zu besteigen.

Oben angekommen blickte Guinivere durch das Bodenloch in den Raum. Es war ein geräumiges Zimmer mit wenig Einrichtung. Boden, Wände und Decke aus Holz. An der linken Zimmerwand stand ein Schrank. Gegenüber Arthurs Bett mit seiner Truhe am Fußende und einer Art Trennwand am Kopfende. Dahinter stand, von Guinivere aus nicht sichtbar, Morgans Bett, auf dem sie ihre Freundin vermutete. Also kletterte sie durch das Loch in das Zimmer und lief zielstrebig um die Trennwand herum. Dort saß Morgan tatsächlich an die Wand gelehnt auf ihrem Bett.

Guinivere blieb vor ihr stehen und blickte zu ihrer Freundin, in deren Gesicht sie verschiedene Emotionen erkennen konnte.

„Bist du wütend oder traurig?", erkundigte sie sich deshalb geradeheraus.

„Pff ...", genervt verschränkte Morgan ihre Arme und ging Guiniveres Blick aus dem Weg.

„Morgan, was war denn los?", fragte sie mit ruhiger Stimme. Sie wollte nicht lockerlassen.

„Okay, setz dich", gab die Zauberschülerin schließlich nach. Morgans Arme entspannten sich wieder und sie wandt ihren Blick auf ihre Matratze. Guinivere kam ihrem Angebot dankend nach und lies sich auf dem Bett nieder. Sie warf Morgan einen neugierigen, erwartungsvollen Blick zu.

„Also", begann Morgan schließlich, „ich mache es kurz."

Und so begann sie zu erzählen, was sie in den vergangenen eineinhalb Stunden mit Gawain erlebt hatte. Vom Zauberunfall bei Ulfin, über den Spaß im Innenhof, bis hin zur Behandlung vom Knie, ein paar Details auslassend.

„Okay, wie kam es dann zum Streit?", wollte Guinivere wissen, als Morgan ihre Erzählung beendet hatte.

„Ich habe ihm nur gesagt, dass mir die Sache mit seinem Knie leidtut und, dass ich ihm gerne helfen würde und er zu mir kommen kann, wenn er reden möchte."

„Ach, Morgan, du weißt doch wie Gawain ist. Ich glaube, er würde nicht einmal mit Sagramor über so etwas reden."

„Ja, aber wir hatten uns zuvor so gut unterhalten ... Ach, ich weiß doch auch nicht!", rief Morgan aus und warf ihre Hände dabei verzweifelt in die Luft. Sie blickte hilfesuchend zu Guinivere, als könnte diese all ihre Probleme lösen. Doch sie blickte Morgan nur fragend an.

„Wieso interessiert es dich plötzlich so sehr wie sich Gawain fühlt? Und wieso bist du so fertig wegen dem Streit? Ihr habt schon so oft gestritten und das auch extremer."

„Ihr seid alle meine Freunde, auch Gawain. Wir sind uns nicht immer einig, da hast du recht. Aber wie oft hast du dich schon mit Gawain gestritten? Oder Arthur und die anderen?"

„Ich weiß. Wir geraten auch des Öfteren mit ihm aneinander, aber das nimmt uns alle nicht so mit und nach ein paar Minuten ist das Thema auch wieder gegessen."

„Quatsch! Mich nimmt das nicht so sehr mit, wie du gerade denkst. Ich will ihm nur helfen ... als Freundin ... also nicht so Freundin, sondern normal Freundin ..."

„Morgan."

„Was?"

„Irgendetwas hat sich geändert", sagte Guinivere mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht.

„Wie? ... Was hat sich geändert?"

„Naja, als Freundin merkt man so etwas.", erklärte Guinivere ruhig.

„Was merkst du denn?" Morgan fing langsam an nervös zu werden.

„Ich habe schon vor einiger Zeit gemerkt, dass sich deine Einstellung zu Gawain geändert hat. Morgan ... bist du verliebt?"

„Ich? Verliebt?", fragte Morgan gespielt schockiert.

„Morgan, jetzt spiele mir nichts vor."

„In Gawain? Haha Guinivere, sei nicht lächerlich. Er hasst mich!" Morgan verschränkte ihre Arme erneut, zog einen Schmollmund und guckte demonstrativ in eine andere Richtung.

„Morgan, komm schon. Du kannst ja nichts für deine Gefühle und hassen tut er dich ja nicht."

Morgan antwortete nicht mehr. Wenn Guinivere es herausgefunden hatte, wer weiß dann noch davon? Sie hatte es bestimmt bereits Arthur erzählt und Tristan hatte sowieso ein Gespür für so etwas.

Guinivere merkte, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte und entschloss sich zurückzuziehen. Sie war sich jetzt sicher, dass sie mit ihrer Vermutung recht hatte und Morgan sich verliebt hatte. Sie konnte ihre Freundin verstehen, die Umstände für diese Liebe waren schwer. Doch sie wusste auch nicht, wie sie ihr helfen konnte. Mit Gawain reden? Das wäre bestimmt „informativ". Sie kannte ihn bereits lange genug, um zu wissen, wie gut er Gefühle verstecken konnte. Das war also keine Option.

Sie verabschiedete sich von Morgan und beschloss Arthur im Stall aufzusuchen. Sie brauchte jetzt seinen Komfort. Sie war sehr froh, dass ihre Beziehung nicht kompliziert war. Naja, bis auf den Fakt, dass sie Tristan mit ihrer Entscheidung das Herz gebrochen hatte. Das war jedoch schon fast ein Jahr her und Tristan war bestimmt schon darüber hinweggekommen.

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