Erschöpft lag Gawain in Medusas Patientenbett. Sein Knie hatte bereits kurz nach Morgans Verschwinden wieder wehgetan, doch er hatte andere Sorgen und nichts gesagt.
Nach dem Kampf mit Tristan halfen dieser und Sagramor ihm zu der Heilerin, die sich sofort ans Werk machte.
„Gawain, ich bin mir sicher, dass mit deinem Knie soweit alles in Ordnung ist", erklärte Medusa mitleidig lächelnd.
„Aber wieso tut es ihm dann weh?", wollte Sagramor wissen, der seinem besten Freund nicht mehr von der Seite wich.
„Weißt du, Gawain, unser Körper und unser Geist sind miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Die Schmerzen können eine Reaktion deines Körpers sein, um deine Aufmerksamkeit zu erlangen. Er will dich darauf aufmerksam machen, dass es deinem Geist nicht gut geht. Außerdem ... wann hast du das letzte Mal eine Nacht durchgeschlafen?"
Einige Augenblicke guckte der Knappe nachdenklich im Raum umher, als stünde die Antwort irgendwo an der Wand geschrieben.
„Ich weiß nicht", gab er schließlich kleinlaut zu.
„Kein Wunder!", warf Sagramor ein. „Wenn du nicht gerade Nachtwache schieben musst, wachst du ständig auf wegen diesen Alpträumen, die du hast. Wenn ich am Morgen aufwache, bist du schon längst wieder mit Krauka unterwegs. Schläfst du überhaupt nochmal?"
Sagramor sah seinen Freund skeptisch an, der seinem Blick jedoch nur auswich.
„Das erklärt einiges", stöhnte Medusa schließlich. „Hier, trink das. Du wirst in null Komma nichts tief und fest schlafen. Du kannst dich hier bei mir ein paar Stunden ausruhen, dann kann dich keiner stören."
Sofort begann er zu protestieren. Er hatte gerade wirklich keine Lust zu schlafen. „Nein, ich muss ..."
„Du musst gar nichts!", unterbrachen die Heilerin und Sagramor ihn im Einklang, woraufhin sie sich amüsiert und verliebt anlächelten.
Genervt verdrehte Gawain die Augen. Hier würde er so schnell nicht wieder rauskommen.
Medusa saß bei Kerzenlicht in ihrem gemütlichen Zimmerchen und band Kräuterbündel, um sie zum Trocknen aufzuhängen.
Gawain hatte tatsächlich einige Stunden geschlafen, bis er die letzte Nachtwache seiner Strafe antreten musste. Wenn diese geschafft war, hatte er wenigstens eine Sorge weniger. Sie selbst hatte die Strafe von Anfang an nicht für gut empfunden, wollte sich jedoch nicht mit Ulfin anlegen und einen Rausschmiss aus Camelot riskieren.
Sie erschrak furchtbar, als sie von einem Schatten, der an ihrem Fenster vorbei huschte, aus ihren Gedanken gerissen wurde. Sie blickte hinaus, doch es war alles still. Hatte sie sich das nur eingebildet?
„Medusa."
Die Heilerin schrie panisch auf, als sie eine Stimme direkt hinter sich vernahm.
„O Gott, entschuldige." Schnell nahm Morgan ihre Kapuze ab und blickte ihre erschrockene Freundin schuldbewusst an.
„Morgan!" Überschwänglich sprang Medusa von ihrem Stuhl auf und fiel der Zauberin um den Hals. „Was machst du hier?"
„Ich brauche ein paar Zutaten für einen Zaubertrank von Merlin."
„Einen Zaubertrank?" Das zierliche Mädchen löste sich aus der Umarmung und sah Morgan fragend, aber neugierig an.
„Ja, ich erzähle dir gleich alles. Aber zuerst: Wie geht es Gawain?"
„Gawain?", fragte sie überrascht über das Interesse, doch wollte nicht urteilen. „Ehrlich gesagt geht es ihm nicht gut. Er schläft viel zu wenig und er war heute wegen seinem Knie bei mir."
„Sein Knie? Ich dachte, wir hätten das hinter uns, das ist doch jetzt über zwei Monate her." Besorgt und etwas panisch blickte die Zauberschülerin ihre Freundin an, die ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter legte.
„Beruhige dich Morgan, es ist alles in Ordnung. Es ist nur ein Streich seiner Psyche."
„Oh, ob das besser ist", betrübt senkte die Zauberschülerin den Kopf.
„Wieso interessiert dich das so? Ich dachte ihr hättet euch gestritten und du wärst sauer auf ihn."
„Nicht ganz. Können wir uns setzten? Ich habe dir viel zu erzählen."
„Endlich!", freute sich Medusa, die bisher, wie alle anderen, nicht verstand, was genau vorgefallen war.
Morgan grinste ihre Freundin an, die bereits mit gespanntem Blick auf dem Bett saß und sie zu ihr winkte. Wie konnte ein Mensch nur so unfassbar neugierig sein?
Sie hatte die junge Heilerin tierisch vermisst.
Am Morgen saß Sagramor im Hof und schärfte seinen Dolch. Er war tief in Gedanken versunken. Der Grieche konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Gawain Morgan etwas angetan hatte.
Ja, Gawain war manchmal ruppig, unhöflich und egoistisch. Doch er besaß eine Eigenschaft, die Sagramor wie keine andere schätzte: Loyalität.
„Sagramor, willst du mit uns ausreiten gehen?" Von Arthurs Stimme aus seinen Gedanken gerissen, sah er auf. Besagter Knappe, sowie Guinivere und Tristan saßen bereits auf ihren Pferden und blickten ihn erwartungsvoll an.
„Und Gawain?", stellte er eine Gegenfrage, die Arthur die Augen verdrehen ließ.
„Er gehört nicht mehr zur Tafelrunde."
„Tolle Tafelrunde, schließt Leute aus", bemerkte der Dunkelhaarige spöttisch.
„Er hat es nicht anders verdient. Jetzt sei nicht beleidigt und komm mit", mischte die Prinzessin sich ein.
„Woher wissen wir, dass er es wirklich verdient hat?", schrie der kleine Knappe und sah seine Freunde wütend an.
„Er hat Morgan verletzt und sie ist ausgezogen. Das ist Grund genug. Morgan ist wie Familie für mich, Sagramor. Gerade du solltest verstehen, wie schmerzhaft es ist, von seiner Familie getrennt zu sein", entgegnete Arthur und wurde dabei ebenfalls etwas lauter.
„Erzähl du mir nichts von Familie. Wir in Konstantinopel wissen wenigstens, wie man miteinander umgeht und dass man niemanden verurteilen soll."
Die beiden Jungen funkelten sich bedrohlich an, doch ehe Arthur kontern konnte, stellte sich Tristan mit seinem Pferd zwischen die Streithähne.
„Arthur, Sagramor hat recht. Wir wissen nicht, was vorgefallen ist und sollten nicht urteilen, geschweige denn streiten", erklärte er ruhig mit gehobenem Zeigefinger und geschwollener Brust, bevor er sich dem Griechen zuwandte. „Sagramor, du bist ein guter Freund. Du solltest Arthur verstehen können. Er macht sich nur Sorgen um Morgan."
„Okay, was schlägst du vor, Tristan?", fragte Guinivere, froh darum, dass es nicht schon wieder eskalierte.
„Ich schlage vor, dass wir alle ausreiten gehen und uns dann Gawain widmen werden. Er wird schon mit der Sprache rausrücken, wenn wir ihm mit Verständnis begegnen."
„Schöne Idee, Tristan. Aber ich möchte lieber gleich meinem Freund helfen, statt meine Zeit mit einem Ausritt zu verschwenden", erläuterte Sagramor seinen Standpunkt und Tristan nickte ihm verständnisvoll zu.
„Wenn du nichts mehr mit der Tafelrunde unternimmst, werden wir nicht zu Gawain gehen", erwiderte Arthur und verschränkte die Arme.
„Du bist so kindisch", begann Sagramor wieder lauter zu werden.
„Es muss nicht immer nach dir gehen, du sturer Esel!", tat der Braunhaarige es ihm gleich.
„Nach mir? Wer hat bei der Tafelrunde denn immer das Sagen? Oh, ja, der große Sir Arthur."
Schockiert stand Tristan zwischen seinen streitenden Freunden, die sich alle drei Beleidigungen und Vorwürfe um die Ohren schlugen. Völlig überfordert gab er sich geschlagen und schüttelte nur ungläubig den Kopf.
„Hallo, Leute."
Augenblicklich verstummten die aufgebrachten Freunde und alle sahen mit offenem Mund dem schwarzhaarigen Mädchen hinterher, welches lächelnd vorbei schlenderte. Erst als sie schon nicht mehr zu sehen war, fand Arthur seine Stimme wieder.
„Morgan?"
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Wilde Rose
FanfictionRitter werden! Das ist Gawains Ziel, welchem er, zusammen mit seinen Freunden, in der Ritterschule auf Camelot immer näher kommt. Zusammen mit Sagramor, Tristan, Arthur und Guinivere bildet er die Tafelrunde, die vor bald drei Jahren von ihnen gegrü...