Wilde Rose- Kapitel 45

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Schockiert wich Gawain dem großen spitzen Stachel aus, der immer wieder auf ihn zuschnellte. Nur wenige Meter vor ihm lag sein Schwert, seine einzige Chance. Doch er kam einfach nicht ran. Immer wenn er erneut darauf zurennen wollte, griff das Biest erneut an. Es schien genau zu wissen, dass er ohne das Schwert wehrlos war.

„Ignis radius!" Plötzlich wurde es von einem Strahl aus glühenden Flammen getroffen. Es schrie auf und wandte sich zu dem neuen Angreifer um. Gawain nutzte den Moment der Unachtsamkeit des Tieres und holte sich sein Schwert zurück.

Das Biest war bereits dabei, auf Morgan loszugehen, als Gawain mit erhobenem Schwert und lautem Gebrüll von hinten angriff. Gerade als er dem Vieh einen Hieb verpassen wollte, schlug es mit dem Schwanz aus und Gawain ging zu Boden.

„Nein!", rief Morgan entsetzt, als sich das Biest dem gestürzten Knappen zuwandte und ihm erbarmungslos einen Stich in den rechten Unterbauch versetzte. Gawain schrie auf und hielt sich die Wunde, die sofort stark zu bluten begann.

Das Biest thronte über dem schwer atmenden Jungen. Es schaute ihm direkt in die Augen und begann sein Maul zu verzerren, sodass es so schien, als würde es ihn angrinsen. Seine Pupillen verengten sich zu engen Schlitzen, als es mordlustig auf ihn hinabblickte und zum finalen Stich ausholte.

Gawain schloss die Augen. Das war's. Wenigstens würde sein Vater stolz sein, dass er im Kampf gestorben war.

Geschockt sah Morgan dabei zu, wie das Biest zu Gawain hinabgrinste und seinen Stachel erneut anhob, bereit, den Todesstoß zu geben. Nein! Das konnte sie nicht zulassen.

Laut schreiend rannte sie auf Gawain zu. Er sollte ihr nicht umsonst seinen Schild überlassen haben. Entschlossen kniete sie sich zwischen Gawain und dem Vieh nieder. Gerade noch rechtzeitig hob sie den Schild, um den Stachel abzuwehren.

Morgan kniff die Augen zusammen. Die Wucht war so groß, dass der Schild etwas zersplittert war. Einem weiteren Angriff würde das Holz nicht standhalten.

„Ignis radius immaris!" Ihren Zauberstab nun auf das Biest gerichtet, trafen es die Flammen mit voller Wucht. Diesmal war es nicht nur ein kleiner Strahl. Morgan hatte ihre komplette Magie gebündelt und die Flammen schossen mit großer Gewalt aus ihrem Zauberstab.

Das Vieh schrie und wandte sich im Versuch, den permanenten Flammen zu entfliehen, doch es schien keinen allzu großen Schaden zu nehmen.

Angestrengt ließ Morgan den Schild fallen und umschloss ihren Stab nun fest mit beiden Händen, um der Wucht ihres eigenen Zaubers standhalten zu können.

Geblendet vom Feuer hob Gawain schützend eine Hand vor seine Augen, während die andere auf der Wunde verweilte. Er bemerkte, wie Morgan am ganzen Körper zitterte. Lange konnte sie es nicht mehr durchhalten.

Halb blind tastete er nach seinem Schwert, das nur wenige Zentimeter neben ihm auf dem Boden liegen musste. Als er es endlich zu fassen bekam, warf er es mit aller Kraft nach dem Biest. Es schrie erneut fürchterlich auf, als es vom Schwert direkt in die schuppige Brust getroffen wurde. Von einem Augenblick auf den anderen begann es langsam zu zerfallen.

Morgan sah dem Biest dabei zu, wie es sich auflöste, bis es verschwunden war. Erleichtert stoppte sie den Zauber und sackte förmlich zusammen, als all die Anspannung von ihr abfiel.

Es wurde ruhig auf der Lichtung, die inzwischen in das rotgoldene Licht der aufgehenden Sonne getaucht wurde. Die einzigen Hinweise auf einen Kampf, waren der fast gespaltene Schild, Gawains angekokeltes Schwert und die schwer atmende Zauberschülerin. Sie holte noch einmal tief Luft, als ihr auffiel, dass es sich hinter ihr nicht regte.

Schnell wandte sie sich zum regungslosen Knappen. Es hatte sich bereits eine blutige Lache gebildet und Gawains Gewand war rot verfärbt.

„Nein, Gawain", wimmerte sie und kroch, geschwächt vom Zauber, zu ihm. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und rieb mir ihren Daumen sanft über seine blassen Wangen.

„Gawain, komm schon." Doch das Flehen brachte nichts, seine Augen blieben geschlossen. „Wach auf! Tu mir das nicht an!", schrie sie verzweifelt und rüttelte seine Schultern, als ihr bereits eine Flut an Tränen die Wangen hinunter kullerten.

Die Freunde der Tafelrunde ritten durch den Wald. Sie hatten die ganze Nacht nach Gawain gesucht, doch nichts gefunden, bis sie gegen Sonnenaufgang einen seltsamen Funkenregen über Taol Kren vernahmen. Seitdem galoppierten sie immer weiter in die Richtung, bis sie zu einer Lichtung kamen.

Arthur brachte sein Pferd zum Stehen und sah sich suchend um. Schon bald erkannte er eine Gestalt mitten auf der Lichtung, die über einer anderen Gestalt kauerte.

„Morgan!", rief er augenblicklich, als er die Zauberschülerin erkannte.

Hastig sprang er vom Pferd und sprintete hinüber. Er ließ sich neben ihr fallen und nahm das weinende Mädchen in die Arme. Doch als Arthur auf die am Boden liegende Person sah, erschrak er fürchterlich.

„Morgan, was ist passiert?", wollte er mit zitternder Stimme wissen, doch Morgan war nicht in der Lage zu antworten.

„Gawain!" Sagramor war ebenfalls vom Pferd gesprungen und rannte auf seine Freunde zu. Er kniete sich neben seinem besten Freund nieder und starrte mit großen Augen zwischen seinem blassen Gesicht und der blutigen Wunde hin und her.

„Es ist alles meine Schuld", brachte Morgan zwischen ihren Schluchzern hervor.

„Nein, Morgan. Sag sowas nicht", versuchte Arthur sie zu beruhigen, doch die Zauberschülerin schüttelte nur den Kopf.

„Alles nur wegen dem dämlichen Trank und der dämlichen Rose." Erneut überkamen sie die Tränen und sie ließ sich in Arthurs Arme sinken, als dieser sie fest umschloss, hin- und herwiegte und ihr tröstende Worte zuflüsterte.

Guinivere und Tristan beobachteten alles aus einiger Entfernung. Sie blickten sich traurig an und dann zu Boden.

Sie waren zu spät.

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