Camelot. Sie hatte schon viel von diesem Schloss gehört. Endlich hatte ihre lange Reise ein Ende. Ihr Beutel war schwer und der Umhang durchnässt vom Regen, der vor einiger Zeit eingesetzt hatte. Die Sonne ging bereits unter und tauchte das prächtige Gebäude in orangenes Licht. Also beschloss sie, um Einlass und einen Schlafplatz zu bitten. Als sie durch das Tor treten wollte, hielten die Wachen sie jedoch auf. Erschrocken lugte sie unter ihrer Kapuze hervor.
„Das Turnier ist erst morgen, Kleines", erklärte der rechte.
„Ich wollte um einen Platz zum Schlafen bitten."
„Das geht nicht. Unser Befehl lautet, niemanden einzulassen."
„Bitte, ich schlafe auch im Stall ..."
„Tritt ein, liebes Kind. Du hattest eine lange Reise", mischte sich ein dritter ein. Sie blickte zu dem alten Mann auf, der sie durch seinen weißen Bart anlächelte.
„Merlin, dem König wird das nicht gefallen", wollte die Wache noch protestieren, doch der alte Mann hatte seine Entscheidung getroffen.
„Lass das mal meine Sorge sein."
Die Wachen traten zur Seite und ließen die zierliche Gestalt eintreten. Sie lief zu dem alten Mann und blickte ihn durch ihre blauen Augen dankend an.
„Hallo, ich bin Merlin. Du kannst in meinem Baumhaus schlafen."
Der große Saal war voll. Alle saßen zusammen und freuten sich auf das Essen, welches bald serviert werden würde. Alle hatten einen Platz bei ihren Familien. Arthur und Morgan saßen mit Merlin an der großen Tafel. Nur Sagramor stand verloren am Rand. Gawain blickte sich im Saal um und stellte fest, dass Sagramors Familie fehlte.
„Mutter, darf Sagramor bei uns sitzen?"
„Gerne, hol ihn doch her."
Die Lage zwischen seinen Eltern und ihm hatte sich wieder etwas beruhigt. Er war ihnen noch eine Erklärung schuldig, aber die konnte warten. Seine Familie kannte Sagramor gut. Er war in den Ferien schon öfters mit zu Gawain gekommen. Er konnte nicht dauernd die Reise nach Griechenland und zurück auf sich nehmen, um die Ferien bei seiner Familie zu verbringen. Doch Gawain wollte seinen besten Freund auch nicht immer auf Camelot zurücklassen.
Er winkte Sagramor einladend zu, um ihm zu signalisieren, dass er bei ihnen sitzen könne. Der Grieche zögerte kurz, kam dann schließlich doch, um sich neben Gawain niederzulassen.
„Na? Hast du dich wieder beruhigt?", fragte der Dunkelhaarige mit vorwurfsvoller Stimme.
„Was? Oh", da fiel es Gawain wieder ein, „das heute Vormittag tut mir leid." Gawain nuschelte die Entschuldigung vor sich hin, ohne Sagramor dabei anzuschauen. Doch das reichte diesem schon. Er kannte Gawains Stolz und wusste, dass ihm eine Entschuldigung schwerfiel.
„Schon gut, ich weiß ja, dass dich das Ganze belastet."
Die beiden Jungen grinsten sich an. Ein Streit hielt nie sehr lange an. Gawains Mutter hatte das Gespräch belauscht und blickte neugierig herüber. Sie wusste, dass Sagramor mehr wusste als sie selbst.
„Wo ist deine Familie?" Gawain wollte schnell das Thema wechseln, als er bemerkte, dass seine Mutter aufmerksam zuhörte. Sagramor blickte traurig nach unten.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht haben sie es doch nicht geschafft."
„Ach was, die werden schon kommen."
Plötzlich erhob sich Uther Pendragon von seinem Stuhl und räusperte sich. Alle Gespräche verstummten augenblicklich und jeder schaute gespannt zum großen König.
„Liebe Gäste! Willkommen auf meinem Hof. Wir haben uns nicht nur hier versammelt, um ein großartiges Turnier unserer Jungend zu genießen, sondern auch, um unsere Allianz zu feiern. Ich freue mich, so wunderbare Königreiche zu Britannien zählen zu können." Bei diesen Worten pausierte er, um freudig in die Runde zu lächeln. Im Saal brach ein kleiner Applaus aus, bevor der König fortfuhr. „Außerdem bin ich stolz, eine solch talentierte Truppe auf meinem Hofe ausbilden zu dürfen. Liebe Knappen, ich wünsche euch viel Erfolg auf dem morgigen Turnier. Zeigt den anderen, was es heißt, auf Camelot zu lernen. Ich hoffe ihr wisst, was das für ein Privileg ist. Auf die Jugend!" König Uther hob seinen Kelch und die anderen taten es ihm gleich, bevor sie alle tranken und die Bediensteten mit dem Essen kamen.
Nach dem Essen gingen die Gespräche von Neuem los. Gawain sah aus dem Augenwinkel, wie Meister Ulfin auf sie zukam. Sein Ausbilder nahm sich einen Stuhl gegenüber seinen Eltern und ließ sich nieder.
„König Lott von Orkanien und seine Gattin", begann er freudig. Gawains Mutter schenkte ihm ein Lächeln, während die Miene seines Vaters wie versteinert blieb. Ulfin ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken.
„Sie können gespannt auf die Performance Ihres Sohnes sein. Wenn ein Knappe von Camelot gewinnt, dann er. Mein Training hat sich ausgezahlt."
„Das hoffe ich für Sie, Meister Ulfin. Ich habe meinen Sohn schließlich nicht umsonst hierhergeschickt."
König Lott und Meister Ulfin starrten sich einige Momente in die Augen, bis Ulfin den Kontakt unterwürfig abbrach.
„In der Tat", bestätigte er nervös. „Oh, Sagramor. Du wirst sicherlich auch gut abschneiden. Der Gruppensieg für Camelot ist schon so gut wie sicher. Dann gehe ich mal wieder. Ich wollte noch den König von Leoness sprechen."
Meister Ulfin lief schnell davon und verschwand bei der Familie von Leoness.
„Ich hätte niemals gedacht, dass König Uther Pendragon mal eine Tintagel an seine Tafel lädt", bemerkte Lott mit spöttischem Unterton.
„Lott, lass das doch. Das Mädchen kann nichts für seine Abstammung. Er wird seine Gründe haben. Gawain, warum ist sie hier?"
„Sie ist der Zauberlehrling von Merlin. Sie wohnt schon seit sie klein ist bei ihm."
„Sie kann also zaubern?" Die Königin wusste, dass ihre Frage nach Gawains Antwort unnötig war, doch sie war froh endlich ein Gespräch führen zu können.
„Ja und das schon ziemlich gut", antwortete er wahrheitsgemäß. Morgan lernte zwar noch und war noch lange nicht perfekt, aber sie hatte Gawain schon des Öfteren beeindrucken können.
Das Gespräch nahm ein jähes Ende, als ein kühler Luftzug den Saal durchfuhr und sich jeder zur großen Tür wandte, die schwungvoll aufgestoßen wurde. Drei stämmige, dunkle Gestalten betraten den Raum. Sie waren in dicke Mäntel gehüllt und trugen runde Helme auf dem Kopf. Ihre Schaals hatten sie bis unter die Nase gezogen, was ihre Gesichter unerkenntlich machte. Sie stampften bedrohlich in den Raum. Jeder der Gestalten war mit zahlreichen Waffen ausgestattet. Niemand wusste wer sie waren, was sie wollten und wie sie hereingekommen waren. Die Wachen und Meister Ulfin griffen nach ihren Schwertern, bereit diese zu ziehen, um die Königsfamilien zu verteidigen.
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Wilde Rose
FanficRitter werden! Das ist Gawains Ziel, welchem er, zusammen mit seinen Freunden, in der Ritterschule auf Camelot immer näher kommt. Zusammen mit Sagramor, Tristan, Arthur und Guinivere bildet er die Tafelrunde, die vor bald drei Jahren von ihnen gegrü...