Wilde Rose- Kapitel 6

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Arthur stand an die Wand gelehnt vor der Tür zum Zimmer der Knappen. Guinivere kam zuvor niedergeschlagen zurück in den Stall, wollte aber nicht sagen was los war. Sie bat ihn jedoch darum mit Gawain zu reden, diesen Wunsch konnte er ihr nicht verwehren. Also lief er mit Tristan und Sagramor zu deren Zimmer, in das sich Gawain zurückgezogen hatte. Arthur entschied, es sei besser Sagramor hineinzuschicken und selbst mit Tristan vor der Tür zu warten. Sagramor war schließlich am besten mit Gawain befreundet. So standen sie bereits seit mehreren Minuten vor dem Zimmer und warteten auf Sagramor. Schließlich schwang die Tür auf und der Grieche trat heraus.

„Und?", wollte Arthur sofort wissen, als die Tür zurück ins Schloss gefallen war.

„Nichts", sagte Sagramor resigniert und zuckte mit den Schultern.

Das überraschte jedoch niemanden der Knappen. Gawain war schon immer ein Sturkopf gewesen und behielt seine Probleme und Gefühle für sich.

„Wir lassen ihn einfach in Ruhe. Bringt ja doch nichts. Ich gehe mich jetzt um sein Pferd kümmern." Mit diesen Worten wandte Sagramor sich ab und ließ seine Freunde allein im Gang zurück.

„Ich wollte mich mit Guinivere treffen, das ist doch in Ordnung, Tristan?"

„Jaja, geh nur. Ich finde schon eine Beschäftigung."

So trennten sie sich und gingen alle ihren eigenen Bedürfnissen nach.

Am nächsten Tag stand schon morgens das erste Schießtraining mit dem Bogen an. Tristan und Arthur waren bereits dabei die Zielscheiben aufzubauen, während Ulfin die Bögen spannte. Da kamen Sagramor und Gawain um die Ecke

„Und du bist dir sicher, dass du das machen willst?", fragte Sagramor skeptisch.

„Ja", antwortete Gawain nur knapp.

„Ich habe dein Knie heute Morgen selbst gesehen und es sah nicht gerade gut aus."

„Merlin hatte nichts davon gesagt, dass ich nicht Bogenschießen kann."

„Wie du meinst. Ich halte es jedenfalls für eine schlechte Entscheidung."

„So. Schluss jetzt mit dem Tratsch!", unterbrach Ulfin die Diskussion.

„Bogenschießen. Ihr wisst, wie es geht. Wir werden jetzt nur noch üben, üben, üben! Dreimal am Tag, um eure Technik zu verfeinern, und somit eure Treffsicherheit zu steigern!"

Tristan, Arthur und Sagramor stöhnten bei diesen Nachrichten missmutig auf. Dreimal am Tag Bogenschießen. Das konnte ein Spaß werden. Nur Gawain bewahrte seine Haltung und blickte Ulfin mit motivierten Augen an.

„Also los, wer möchte anfangen?"

Guinivere hatte sich währenddessen mit ihrer Zofe, Madame Birgitt, etwas abseits niedergelassen und guckte den Jungs dabei zu, wie sie sich darum stritten, wer anfange musste. Ihre Zofe war schon Jahre lang an ihrer Seite und kam auch mit ihr nach Camelot. Sie war eine kleine, rundliche, feine Dame, die für Guinivere schon fast eine Mutterrolle übernommen hatte. Sie brachte ihr bei, wie man sich als Prinzessin und zukünftige Königin zu verhalten hatte, wie man Harfe spielte, tanzte und stickte. Naja, sie versuchte es zumindest. Guinivere machte es ihr nicht gerade einfach, denn sie hatte andere Interessen.

Madame Birgitt blickte verliebt zu Meister Ulfin herüber. Bei den beiden hatte es bereits vor Jahren gefunkt und sie waren inzwischen ein verheiratetes Ehepaar. Das barg ab und zu seine Schwierigkeiten, da Madame Birgitt für den König von Camillard, Guiniveres Vater, arbeitete und Meister Ulfin für den König von Camelot. Doch Guiniveres Vater war ein gutmütiger Mann und hatte der Hochzeit der beiden bereitwillig zugestimmt. Er hatte ebenfalls zugestimmt, die alten Traditionen abzulegen und sich Guinivere ihren eigenen Gatten aussuchen zu lassen, nachdem er seine geliebte Tochter fast an einen Betrüger zwangsverheiratet hatte.

Die Prinzessin spürte, wie sich jemand neben ihr niederließ. Es war Morgan.

„Hey, geht es wieder?", erkundigte sich die Prinzessin besorgt und bezog sich dabei auf die gestrige Situation.

„Ja. Ich bin aber nicht hier, um das Thema wieder aufzubringen. Lass uns über etwas anderes reden."

„Klar", sagte Guinivere und schenkte Morgan ein Lächeln.

Das Training lief für jeden der jungen Knappen unterschiedlich. Gawain machte seinem Status des Lieblingsschülers alle Ehre und ging als bester vom Platz. Tristan und Sagramor teilten sich das Mittelfeld und Arthur war weit abgeschlagen. Als Strafe musste er die Sachen allein wegräumen.

„Arthur, warte!", rief Guinivere ihm zu und hielt ihn so davon ab, die Zielscheibe abzubauen. Der Trainingsplatz war inzwischen leer, es waren nur noch sie beide.

„Wir üben das jetzt", teilte Guinivere ihm mit und lächelte ihn aufmunternd an. Guinivere reichte ihm den Bogen und die beiden begaben sich auf zwanzig Meter Abstand zur Zielscheibe.

„Stell dich vor mich", befahl sie ihm. „So, jetzt spanne den Bogen."

Arthur tat, was Guinivere von ihm verlangte. Sie trat von hinten an ihn heran, griff seine beiden Unterarme und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Dabei fixierte sie ihre Augen auf die Zielscheibe. Sie dirigierte den Bogen mit leichtem Druck an seinen Unterarmen in die richtige Position.

„Achte auf die Pfeilspitze", flüsterte sie in sein Ohr, was eine Gänsehaut in seinem Nacken verursachte.

„Präge dir ihre Position genau ein und lass dann los", sagte sie, ohne die Laustärke ihrer Stimme zu erhöhen.

Arthur fokussierte sich auf die Pfeilspitze und ihre Position gegenüber der Zielscheibe. Er lies die Sehne los und ...

„Guinivere, ich liebe dich!", rief er freudig aus, als der Pfeil genau die Mitte traf.

„Ich weiß", antwortete sie mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Zufrieden mit sich selbst ließ sie von Arthur ab und stellte sich neben ihn. Er war dank ihr wieder im Rennen.

Zehn Tage vergingen, in denen die Knappen viel trainierten. Neben den klassischen Zielscheiben schießen gab es noch zwei weitere Kategorien. Einmal mussten sie ihre Ziele, welche in einer Reihe aufgestellt waren, von einem Balken runterschießen, dafür hatte sie fünf Versuche für fünf Ziele. Dann gab es noch die Königsdisziplin, das „Ringeschießen". Die Knappen mussten dabei aus fünfzehn Metern Entfernung durch einen kleinen Ring schießen. Sie hatten drei Versuche und es wurde gewertet, wie viele davon durch den Ring trafen.

Merlins Salbe wirkte Wunder. Gawain trainierte die kompletten zehn Tage mit und spürte nichts. Naja, bis auf nachts. Dann merkte er, dass er doch etwas lange gestanden hatte.

Morgan ließ ihn in Ruhe, doch schien ihm nicht aus dem Weg zu gehen. Er spürte manchmal ihre Blicke, wenn sie am Rande des Trainingsplatzes saß und beim Training zuguckte. Er hingegen ignorierte sie einfach. Merlin hatte es nicht gutgeheißen, dass Gawain mittrainierte und so, seiner Meinung nach, die Wirkung der Salbe missbrauchte. Doch der alte Zauberer verbot es ihm nicht, er sollte es selbst abwägen, ob es ihm das Wert war. Und ja, Gawain war es das wert, er wollte auf dem Turnier unter den Augen seines Vaters glänzen. Es ging hier nicht nur um seine Ehre, sondern um die Ehre des Königreichs seines Vaters, was den Druck auf Gawain nochmals zusätzlich erhöhte.

Auch Meister Ulfin stand unter enormen Druck. Er war der Ausbilder auf einer der besten und bekanntesten Ritterschulen. Er arbeitete für den König Camelots höchstpersönlich, der über allen anderen Königen stand. Er war der Imperator über das Königreich Britannien, welches sich aus mehreren verbündeten Königreichen zusammensetzte. Wie die der Eltern von Guinivere, Tristan und Gawain.

Es waren nur noch zwei Tage bis zum Turniertag. Morgen würden ihre Eltern ankommen. Es war nicht nur ein Turnier, um die Ausbildungsstände der umliegenden Ritterschulen zu testen und zu vergleichen, es war ein großes Spektakel, welches die Allianzen und somit das komplette Imperium stärken sollte.

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