„Großvater! Ihr habt es geschafft!" Sagramor sprang freudig von seinem Platz auf und lief den Gestalten entgegen.
„Sagramor." Eine warme, tiefe Stimme drang unter einem der Schaals hervor und der vorderste der Unbekannten trat mit offenen Armen auf Sagramor zu.
Der ganze Saal verlor seine Anspannung, als sie erkannten, dass die Herren von Konstantinopel angekommen waren. Die griechischen Gäste brachen in ein fröhliches Gelächter aus, als Sagramor einen nach dem anderen in die Arme schloss.
Jetzt konnte man auch die Gesichter erkennen. Die braungebrannte Haut, die dunklen Haare und die treuen, braunen Augen. Es war unverkennbar Sagramors Familie.
„Kalt hier", bemerkte Sagramors Großvater.
„Die verrückten Nordmänner nennen das 'Sommer' ", grinste Sagramor mit gespielt spöttischem Unterton.
„König Thanos von Konstantinopel. Wie lange ist unsere letzte Begegnung schon her?"
König Uther unterbrach die Familienzusammenführung nur ungern, doch wollte auch diesen Gästen einen angemessenen Empfang entgegenbringen. König Thanos von Konstantinopel war außerdem kein gewöhnlicher König. Er herrschte über das Imperium Griechenland.
Die Könige gaben sich ebenwürdig die Hand.
„Schon zwölf Jahre mein Lieber, als wir die Waffen niederlegten und Frieden schlossen."
Die griechischen Gäste wurden ebenfalls mit Essen versorgt und die Unterhaltungen begannen von Neuem.
Merlin blickte sich suchend nach einem schwarzen Haarschopf um. Er wollte Morgan von ihrem Besucher erzählen. Er fand sie in einer Ecke stehend. Sie schien etwas zu beobachten.
„Morgan, worüber denkst du nach?", fragte Merlin, als er sie erreicht hatte. Seine Schülerin zuckte zusammen.
„Merlin. Hast du mich erschrocken."
Merlin reckte neugierig seinen Kopf in die Höhe und schaute in die Richtung, in die Morgan gerade noch gestarrt hatte. Da fiel ihm ein gewisser großgewachsener Rotschopf ins Auge.
„Ah, ich sehe schon, Gawain." Merlin blickte grinsend auf die Tintagel herab. Seine Jugendzeit war schon über 200 Jahre her, aber manchmal wünschte er sich, sie nochmal erleben zu können. Die erste große Liebe musste schon etwas Schönes sein.
„Quatsch, Merlin. Ich habe mir nur unsere Gäste angeguckt."
„Den Stolz hat er von seinem Vater, das Störrische auch. Gawain erinnert mich oft an Lott, als dieser hier auf Camelot lernte, wie ein Ritter zu kämpfen. Doch wenn man Gawain besser kennt, erkennt man auch seine Gutmütigkeit und sein großes Herz, welches er von seiner Mutter hat. Seine Schwester ist ebenfalls ein besonders reizendes Mädchen." Erzählte Merlin und beobachte dabei die Familie aus Orkanien. Als er fertig war, wandte er sich wieder Morgan zu, die Gawain wieder verträumt anstarrte. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf und blickte ihren Meister an.
„Ähm, ja Merlin. Das ist schön ... aber deswegen bist du doch nicht zu mir gekommen, oder?"
„Nein, das bin ich in der Tat aus einem anderen Grund. Ich wollte dich darum bitten, etwas Essen zusammenzupacken und mir ins Baumhaus zu folgen."
„Okay." Morgan tat, um was Merlin sie gebeten hatte, ohne seine Absichten zu hinterfragen. Sie wusste, dass er einen guten Grund hatte, den er ihr nicht lange verheimlichen würde.
Als sie den Rest der Speisen eingesammelt hatte, folgte sie Merlin wie besprochen ins Baumhaus.
„Hallo? Wir sind wieder da. Wir haben dir etwas zu Essen mitgebracht", rief Merlin, nachdem er die Tür hinter der bepackten Morgan geschlossen hatte.
Morgan sah erstaunt zu, wie eine zierliche Gestalt zögerlich vor dem Bett hervortrat. Das Mädchen musste in ihrem Alter sein. Sie spielte mit ihren zwei Zöpfen, die aus ihrem hüftlangen, gelockten, pechschwarzen Haar geflochten worden waren und ihr bleiches Gesicht mit den neugierigen blauen Augen umschlossen. Als sie Merlin und Morgan mit dem Essen erblickte lächelte sie den beiden entgegen.
„Morgan, das ist Medusa. Sie wird unser Gast sein. Medusa, das ist meine Schülerin Morgan."
Morgan lächelte die Fremde nun ebenfalls an, sie kam ihr auf Anhieb sympathisch vor.
Morgan, Merlin und Medusa setzten sich an den runden Tisch in der Mitte des Baumhauses und Medusa begann zu essen. Da schimmerte eine Brosche an ihrem Umhang auf und zog Morgans Aufmerksamkeit auf sich. Das edle Stück bildete eine wunderschöne Rose ab. Morgan verspürte bei diesem Anblick ein wohliges Gefühl. Die Brosche änderte etwas in ihr und sie verspürte sogleich ein tiefes Interesse und eine Vertrautheit gegenüber der Fremden. Sie wollte unbedingt mehr über sie erfahren.
„Entschuldige die Frage, aber was machst du hier?", ergriff sie schließlich das Wort.
„Das ist eine längere Geschichte. Ich wurde auf unseren Reisen von meinen Eltern getrennt. Ich weiß jedoch, dass sie nach Camelot wollten, um nach alten Vorfahren von uns zu suchen. Also habe ich mich ebenfalls auf den Weg hierher gemacht, in der Hoffnung sie seien schon hier."
„Interessant, du hast Pendragons als Vorfahren?", fragte Morgan erstaunt.
„Nein, ich meine die Herzogen von Tintagel."
„Wie bitte?" Nun war sie noch erstaunter und interessierter.
„Ja, ich war bereits am Schloss, oder jedenfalls dem Rest davon, aber die Bewohner waren nicht besonders nett", plapperte Medusa nun munter drauf los.
Morgan klappte die Kinnlade runter. Die Fremde war mit ihr verwandt?
„Ich bin eine Tintagel. Das auf dem Schloss waren meine Schwestern und mein Cousin."
„Das ist ja super!" Medusa strahlte über das ganze Gesicht.
„Aber wie? Also wer? ..." Morgan fand die Worte nicht, sie war jetzt völlig durch den Wind.
„Inwieweit wir verwandt sind? Sehr fern. Meine Eltern sagen, dass sich meine Urgroßmutter von ihren Geschwistern abgekapselt hat, da sie deren Ansichten nicht teilte. Sie heiratete und verließ mit ihrem Ehemann das Land. Bei der Hochzeit hatte sie den Namen Tintagel abgelegt, um so nicht mehr mit der Familie in Verbindung gebracht zu werden."
Morgan konnte nicht fassen, was sie gerade zu hören bekommen hatte. Von dieser Geschichte hatte sie noch nie etwas gehört. Wenn es wirklich so ablief, würde es sie aber auch nicht wundern. Die Tintagels hatten ihren Stolz und über so ein schwarzes Schaf wurde sicherlich nicht mehr gesprochen. Als Merlin bemerkte, wie sprachlos Morgan war, ergriff er das Wort.
„Medusa, erzähl Morgan doch was du Besonderes kannst. Das würde sie bestimmt interessieren."
„Ja, gerne. Ich bin Heilerin. Ich kenne mich sehr gut mit Heilkräutern aus. Das habe ich von meinen Eltern gelernt. Auf unseren Reisen konnten wir uns viel Wissen aus anderen Kulturen aneignen."
„Heilerin?" Das wurde ja immer besser. Morgan musste augenblicklich an Gawain denken.
„Medusa," begann Merlin, „du solltest dich König Uther Pendragon vorstellen. Wir haben keinen Hofarzt und ich bin sicher, dass du ihn von dir überzeugen kannst. So kannst du auf Camelot bleiben und auf deine Eltern warten."
„Das wäre super!" Medusa strahlte bei diesen Neuigkeiten. Als Hofärztin bei Uther Pendragon zu arbeiten, würde ihr viele Vorteile bringen.
Im großen Saal wurden die Knappen schlafen geschickt. Sie sollten sich für morgen ausruhen. Arthur ging noch mit Guinivere auf das Zimmer ihrer Eltern. Er war ganz bleich geworden, als er erfuhr, dass die Prinzessin ihn ihren Eltern vorstellen wollte. Die übrigen Knappen gingen auf ihr Zimmer, gefolgt vom kleinen Theodor.
König Lott blickte ihnen hinterher.
„Korena?"
„Ja, Vater?"
„Kannst du mir ein Gefallen tun?"
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Wilde Rose
FanfictionRitter werden! Das ist Gawains Ziel, welchem er, zusammen mit seinen Freunden, in der Ritterschule auf Camelot immer näher kommt. Zusammen mit Sagramor, Tristan, Arthur und Guinivere bildet er die Tafelrunde, die vor bald drei Jahren von ihnen gegrü...