Wilde Rose- Kapitel 27

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Die Tage zogen durch das Land. Gawain war viel auf der Insel unterwegs. Er besuchte seine Lieblingsorte. Orte aus seiner Kindheit und schließlich den Ort, der ihm schon oft als Rückzugort gedient hatte. Es war eine Art Geheimversteck, welches er sich seit seiner Kindheit hergerichtet hatte. Bis jetzt war es unentdeckt geblieben.

Krauka graste friedlich vor der ... Hütte? Gawain konnte nicht genau definieren, was es nun war. Es glich einer Behausung, die einst in einen Erdhügel gebaut worden war. Er schätze, es war ein Unterschlupf, von Völkern erbaut, die schon vorher auf Orkanien gelebt hatten.

Die Hütte war voller Erinnerungen, guten und schlechten. Er hatte sich immer hier zurückgezogen, wenn sein Vater ihn mal wieder angeschrien oder sie sich gestritten hatten. Doch auch ein ganz persönlicher Schatz lag hier versteckt. Gawain wollte gerade die kleine Truhe öffnen, um einen Blick hineinzuwerfen, als Krauka ein nervöses Schnauben von sich gab. Sie hatte etwas gewittert.

Gawain versteckte die Truhe provisorisch und stürmte hinaus zu seiner Stute, die aufmerksam in eine Richtung starrte. Es war eine Kutsche. Sie waren da! Freudig stieg Gawain auf den Rappen und galoppierte zum Schloss, wo seine Eltern schon dabei waren, ihre Gäste zu begrüßen. Er sprang vom Pferd und lief auf die junge Frau im blauen Kleid und den langen hellblonden Locken zu.

„Amora!", rief er freudig. Die junge Frau blickte sich suchend um, bis ihr Gawain in die tiefblauen Augen fiel und augenblicklich ein Lächeln ihr zärtliches Gesicht zierte.

„Gawain!" Sie überbrückten schnell die letzten Meter und fielen sich gegenseitig in die Arme.

„Mensch, bist du groß geworden", scherzte sie und boxte ihm spielerisch gegen die Schulter.

„Hey", Gawain rieb sich die betroffene Stelle und zog einen Schmollmund. Zusammen liefen sie ins Schloss und sogleich weiter in Gawains Zimmer. Sie hatten sich viel zu erzählen. Amora war seine beste Freundin. Sie kannten sich, seit sie Babys waren. Doch in den letzten Jahren hatten sie immer weniger Zeit gehabt, die sie miteinander verbringen konnten, was nicht zuletzt an Gawains Ausbildung lag.

„Na?" Amora ließ sich auf sein Bett fallen. „Was hast du das letzte Jahr so getrieben?" Gawain setzte sich zu ihr und begann zu erzählen. Die letzten Wochen samt seiner Verletzung ließ er dabei aus.

„In unseren Dörfern wird schon getuschelt. Die Knappen von Camelot und so weiter. Sie reden über euch und eure Taten. So mancher hat es schon in den falschen Hals bekommen."

„Was meinst du?" Fragend blickte Gawain sie an.

„Naja, sie haben Angst, dass Uther etwas damit zu tun hat."

„Ah ja, das ist aber nicht so. Und selbst wenn, was wäre das Problem?"

„Krieg." Sie blickte ihm mit Besorgnis in die Augen, doch Gawain verstand nicht ganz. „Gawain überleg doch mal. Sie denken, dass Uther eine Armee aufbaut, die besser ist als alle, die jemals existiert haben. So soll er die Königreiche zerschlagen wollen, um die alleinige Herrschaft über ganz Britannien zu erlangen."

„Schwachsinn! Er steht doch schon an höchster Stelle. Außerdem sind wir vier Knappen und eine Prinzessin. Ich verstehe was anderes unter einer Superarmee", erwiderte Gawain. „Aber schön, dass uns alle für so gut halten", scherzte er, doch Amora fand es nicht lustig.

Einen kurzen Augenblick starrten sie sich nur gegenseitig in die Augen, bevor ein Leuchten ihre Aufmerksamkeit erweckte.

„Was ist das?", fragte sie interessiert und griff nach dem Säckchen, von dem das Leuchten ausgegangen war.

„Hey, gib das her!" Gawain wollte ihr das Säckchen wieder aus den Händen reißen, doch Amora wich ihm aus.

„Oh, ein Brief." Sie zog besagten Brief heraus und blickte neugierig auf das Siegel. „Wie schön, wer benutzt Rosensiegel?"

„Lass das, gib es her!" Langsam wurde Gawain panisch. Er hatte Morgan bisher verschwiegen und das aus gutem Grund.

„Schrei mich nicht an!" Amora blickte ihm wütend entgegen. „Ist das ein Liebesbrief? Ein Brief deiner Freunde, wie ihr eure Superarmee weiter ausbauen könnt, oder was?"

Als Gawain ihr keine Antwort gab, sprang sie auf und warf Gawain den Brief, sowie das Säckchen entgegen. „Na dann, viel Spaß damit." Sie reckte ihre Nase in die Höhe und schritt beleidigt aus dem Zimmer.

Erleichtert griff Gawain nach dem Brief und betrachtete das Siegel. Es war tatsächlich eine Rose. Dieses Siegel hatte Morgan zuvor noch nie benutzt. Er öffnete den Brief vorsichtig, darauf bedacht, das Siegel nicht zu zerstören und begann zu lesen.

Lieber Gawain,

ich hoffe, deine Ferien laufen weiterhin gut. Ich vermisse dich auf Camelot. Medusa ist oft anderweitig beschäftigt, Sagramor ist oft einfach verschwunden und Arthur trauert Guinivere hinterher.

Sonst lerne ich fleißig weiter mit Merlin, um meine Zauberkunst zu verbessern. Zur Sonnenwende darf ich ihn wieder zum Zauberertreffen begleiten, ich bin schon so aufgeregt!

Wie verbringst du die Feiertage? Ich wünschte, wir könnten sie zusammen erleben.

Ich hoffe, du antwortest bald!

Liebe Grüße

Morgan

P.S. Wie gefällt die das neue Siegel?

Während des Lesens hatte sich ein sanftes Lächeln auf Gawains Lippen gebildet. Er freute sich schon, wenn sie sich endlich wieder sehen konnten. Während er in Gedanken bei Morgan war, merkte er nicht, wie sich wütende Schritte seinem Zimmer näherten. Er zuckte heftig zusammen, als es gegen die Tür hämmerte. Zum Glück konnte er den Brief gerade noch so verstecken, bevor sein Vater ins Zimmer stürmte und ihn sauer anblickte.

„So geht man nicht mit Gästen um!"

„Vater, es tut mir leid, ich ..."

„Das musst du Amora sagen. Ich will, dass sowas nicht noch einmal vorkommt! Was fällt dir eigentlich ein?", schimpfte der König weiter und baute sich bedrohlich vor seinem Sohn auf. Der blickte geschockt zu ihm hinauf, bevor er selbst aufstand und seinem Vater mit zornigem Gesicht gegenüberstand.

„Ich bin alt genug, das selbst zu klären! Sie sollte sich bei mir entschuldigen! Was fällt ihr bitte ein, in meinen Sachen rumzuschnüffeln?"

Diese Ohrfeige würde noch lange nachschallen. Schockiert taumelte Gawain einige Schritte zurück.

„Wage es nicht noch einmal, so über unsere Gäste zu reden, hörst du?" Bedrohlich blickte Lott auf seinen Sohn hinab, der sich plötzlich ganz klein fühlte. „Jetzt hast du Zeit, über dein Verhalten nachzudenken." Lott wandte sich ab und trat aus dem Zimmer hinaus. Als Gawain merkte, was sein Vater vorhatte, hechtete er hinterher. „Vater, nein!"

Doch es war zu spät. Er hörte nur noch das Klicken des Schlosses, als das Zimmer von außen zugesperrt wurde.

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