Wilde Rose- Kapitel 22

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„Guten Morgen, ihr Turteltäubchen!"

Morgan schrak aus dem Schlaf hoch. Sie lag nicht in ihrem eigenen Bett. Die Verwirrung wich aber schnell der Erleichterung, als ihr der letzte Abend wieder einfiel. Sie sah zu Gawain hinüber, der sich verschlafen nach der Lärmquelle umblickte.

Merlin und Medusa standen schelmisch grinsend vor dem Bett.

„Frühstück?", fragte Merlin nur trocken.

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Morgan saß stundenlang am Bett und unterhielt sich mit Gawain. Er durfte öfters aufstehen und auch längere Strecken über den Schlosshof spazieren. Morgan immer an seiner Seite, was auch bei den anderen nicht unbemerkt blieb.

„Sag mal, Guinivere, weißt du irgendetwas?" Arthur saß mit den anderen an der Tafelrunde mitten im Wald von Taol Krenn. Es war ein magischer Ort. Die steinerne Tafelrunde war von einem Kreis aus Menhiren umgeben. In jeden Menhir waren magische Zeichen und Runen eingeritzt und auch die Tafel war kunstvoll mit Schnörkeln verziert, die dem aufmerksamen Auge eine Karte des Waldes offenbarte.

„Was meinst du?" Die Prinzessin guckte ihren Freund verdattert an.

„Na, Gawain und Morgan."

Jetzt lag auch die volle Aufmerksamkeit von Tristan und Sagramor auf ihr, doch die Rothaarige zuckte nur mit den Schultern.

„Morgan ist wie eine Schwester für dich, frag sie doch selbst", antwortete sie frech und grinste ihren Freund selbstgefällig an.

Da tauchte plötzlich ein Abbild von Merlins Gesicht aus dem Korb voller Essen vor Sagramor auf. Erschrocken schrie der Grieche auf und fiel fast von seinem Sitzstein, bis er realisierte, dass es nur der alte Zaubermeister war.

„Kinder, kommt schnell mit nach Camelot. Der König wird über Medusa urteilen."

Bei dieser Nachricht sprang Sagramor sofort auf und rannte in Richtung Schloss. Seine angebissene Wurst flog in hohem Bogen auf den Waldboden. Die anderen blickten sich kurz an, bevor sie ebenfalls aufsprangen und ihrem kleinen Freund folgten.

Im Thronsaal des Schlosses waren bereits alle wichtigen Personen des Hofes versammelt. Darunter Ulfin, Merlin und natürlich der König. Vor ihm stand Medusa, die mit ehrwürdigem Blick zu ihm hinaufblickte. Am Rande saßen Gawain und Morgan. Arthur, Tristan und Guinivere trafen als letztes ein. Sagramor hatte sich bereits in die erste Reihe durchgeschlagen.

„Ruhe!" Ulfins laute Stimme durchfuhr den ganzen Saal und brachte ihn augenblicklich zum Schweigen.

„Wir haben uns heute hier versammelt, um über Medusa zu urteilen", begann König Uther. „Medusa. Du kamst ungeladen an meinen Hof und wolltest Hofärztin werden, um hier wohnen zu können. Du wolltest dein Können unter Beweis stellen, also haben wir dir Gawain, einen wertvollen Knappen und Sohn eines Verbündeten, anvertraut. Er befand sich in einem kritischen Zustand, doch wie ich sehe, scheint er wieder auf den Beinen zu sein." Der gesamte Saal blickte zu Gawain hinüber, der am liebsten im Boden versunken wäre.

Der König blickte Medusa streng an. „Du hast dich an die Abmachung gehalten und ihm das Leben gerettet. Jetzt bin ich dran. Medusa, hiermit erkläre ich dich offiziell zur Hofärztin Camelots." Der König trat hervor und schüttelte Medusa respektvoll die Hand. Der Saal applaudierte und die neue Hofärztin strahlte über ihr ganzes Gesicht.

An diesem Tag wurde ordentlich geräumt. Gawain war bereit, zurück ins Zimmer der Knappen zu ziehen und Medusa bekam endlich ihren eigenen Raum zum Wohnen und Arbeiten.

Guinivere und Tristan halfen Arthur, seine Sachen zurück ins Baumhaus zu räumen. Morgan bezog Gawains Bett mit frischen Laken, natürlich mit einem gekonnten Schwenk des Zauberstabs. Gawain war froh, zurück in sein Zimmer zu dürfen, auch wenn er hier ebenfalls die meiste Zeit im Bett verbringen würde.

Medusa rückte die Utensilien in ihrem Zimmer zurecht, doch sie war nicht allein. Sagramor war bei ihr. Der Grieche packte an wo er konnte, und versuchte, ihr jeden Wunsch zu erfüllen.

„Danke, Sagramor, das sieht echt super aus." Der Raum war klein, jetzt jedoch sehr gemütlich. Er hatte zwei Betten, eines für Medusa, eines für ihre Patienten. Es gab eine kleine Arbeitsfläche und ein großes Regal, welches schon voll mit Gläsern befüllt mit Kräutermischungen, Tinkturen und Salben stand. Von der Decke hingen Kräuterbündel zum Trocknen, welche der Luft einen herrlichen, frischen Duft verliehen.

„Ich bringe das hier jetzt zu Gawain." Medusa hielt zwei Fläschchen hoch.

„Ich komme mit!", rief der Knappe voller Tatendrang, was ein Lächeln auf Medusas Lippen zauberte.

„Danke, Morgan. Ich habe dieses kalte Zimmer mit meinem Strohbett schon vermisst." Gawain saß auf besagtem Bett und blickte sich im Zimmer um. Alles war so wie immer. Ihre Schilder hingen an der Wand, an Tristans Bett lehnte seine Laute und auf Sagramors Bett herrschte das pure Chaos.

In diesem Moment kam besagter Grieche in das Zimmer, dicht gefolgt von Medusa.

„Hallöchen, Kamerad", trillerte er fröhlich an Gawain gewandt. Gawain sah ihn nur skeptisch an. Was ist denn mit dem los? Liegt vielleicht am schönen Wetter, dachte er und winkte ihm kurz zu.

„Hier, ich habe dir was mitgebracht." Medusa hielt Gawain die Fläschchen entgegen. Der Knappe nahm sie in seine Hände und beäugte die darin enthaltenen Flüssigkeiten neugierig.

„Danke."

„Das hier ist gegen Schmerzen, das nimmst du einfach bei Bedarf. Wenn es nicht hilft, kommst du auf jeden Fall zu mir. Das andere ist entzündungshemmend, das nimmst du jeden Morgen und Abend. Kann ich mich auf dich verlassen?"

Gawain nickte.

„Ich achte darauf", bestätigte Sagramor mit geschwollener Brust. Medusa lächelte, doch Gawain verdrehte nur seine Augen und tauschte einen genervten Blick mit der amüsierten Morgan aus.

„Danke, Sagramor. Ach, und noch was. Schone dein Knie! Kein Sport, auch nicht im Bett." Medusa zwinkerte der Zauberschülerin zu, die augenblicklich knallrot wurde und sie böse anschaute.

„Sagramor, welches ist eigentlich dein Bett?" Die Heilerin blickte interessiert auf die zwei noch freien Betten.

„Das hier." Zielstrebig ging Sagramor auf das Bett gegenüber der Tür zu. Das Bett von Tristan.

„Nein, das ist Tristans. Sagramors ist offensichtlich das unordentliche", mischte Gawain sich ein.

Empört blickte Sagramor seinen Freund an, eine leichte Röte im Gesicht. Gawain wackelte nur grinsend mit den Augenbrauen. Das war zu viel, dachte Sagramor. Er schnappte sich kurzerhand das Kissen von Tristans Bett und warf es in Gawains Richtung. Dieser fing es jedoch mit Leichtigkeit ab. Die Mädchen schauten einige Momente zwischen den Jungs hin und her, da sie befürchteten, ein Streit würde ausbrechen. Doch als Gawain lachte und Sagramor ihn beleidigt anguckte, konnten auch sie ihr Lachen nicht mehr zurückhalten.

Die nächsten zwei Wochen verflogen förmlich, doch es waren die schönsten zwei Wochen in Morgans Leben. Sie verbrachte viel Zeit mit Medusa im Wald, doch noch viel mehr mit Gawain. Sie lernte seine anderen Seiten kennen, die unter dem bisher, taffen, gefühlsarmen Knappen verborgen geblieben waren. So zum Beispiel seine Liebe zu Pferden und das innige Band zwischen ihm um seiner Stute Krauka, welche freudig gewiehert hatte, als er endlich wieder in den Stall kam.

Das Einzige, was Morgan schade fand, war, dass Gawain seine Gefühle zu ihr vor seinen Freunden versteckte. Die Tafelrunde hatte sie erst nur skeptisch beobachtet, doch nach wenigen Tagen war allen bewusst, dass die beiden zusammengefunden hatten.

Sagramor begann Medusa förmlich hinterherzurennen. Eines Tages stand er sogar plötzlich im Wald, wo die Mädchen gerade Kräuter sammelten. Morgan war furchtbar genervt, doch Medusa schien es zu gefallen.

In wenigen Tagen würden die langen Ferien der Knappen beginnen. Tristan, Gawain und auch Prinzessin Guinivere würden nach Hause zu ihren Familien reisen, um mit ihnen die große Sonnenwende zu feiern. Sagramor würde dieses Mal auf Camelot zurückbleiben. Gawains Vater hatte es verboten, dass er die Ferien in Orkanien verbrachte. Gawain sollte sich auf etwas anderes konzentrieren. 

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