Wilde Rose- Kapitel 7

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Heute war es so weit. Heute würden die Gäste ankommen und die letzten Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Auch die Knappen waren mit eingespannt. Sie dekorierten zusammen mit Guinivere und Morgan den Speisesaal. So standen die Knappen Ulfin nicht im Weg rum. Guinivere wollte unbedingt helfen und hatte Morgan ebenfalls dazu überreden können. Madame Birgitt beaufsichtigte das ganze und achtete kleinlichst darauf, dass alles nach den Wünschen des Königs ablief.

Gawain war froh, seine Eltern heute nach Monaten wiedersehen zu können, gleichzeitig war er unglaublich nervös. Er hatte ihnen nichts von seiner Verletzung erzählt. Sie sollten es nicht erfahren. Er hatte Merlin davon abgehalten es ihnen zu berichten und behauptet er würde es selbst tun. Seine Mutter hätte sich unglaubliche Sorgen gemacht und sein Vater würde ihm eine Predigt halten, wie viel Training er doch verpassen würde und dass er sich nicht so anstellen solle.

Bis jetzt war dieser Plan auch aufgegangen, doch er hatte nicht mit dem Turnier gerechnet. Noch weniger damit, dass sein Knie nach so langer Zeit nicht besser geworden war.

Er half so viel er konnte und trug schon den halben Vormittag Blumen von einer Ecke zur anderen, bis Madame Birgitt endlich zufrieden war.

„Gawain?", rief Guinivere von der anderen Seite des Saals und fuchtelte wild mit den Armen, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.

„Siehst du die Vase dort neben dir? Kannst du sie mir rüberbringen?", fragte sie ihn mit lauter Stimme, um die Distanz und die Nebengeräusche zu überwinden.

Gawain blickte sich suchend um und fand schließlich besagte Vase gleich neben ihm.

Guinivere sah, wie sich Gawain die Vase unter den Arm klemmte und sich auf den Weg zu ihr machte. Sie entschloss sich ihm entgegenzugehen, da seine Schritte etwas schwerfällig aussahen.

Doch kurz bevor sie ihn erreichen konnte, schrie er plötzlich auf und ließ die Vase fallen, währen seine Knie nachgaben und er zu Boden ging.

„Gawain!" Guinivere überbrückte die letzten Meter in einem Sprint und kniete sich neben Gawain auf den Boden. Die anderen hatten sich auch schnellen Schrittes auf den Weg zu ihnen gemacht und standen nun alle um Guinivere, Gawain und der zerbrochene Vase herum. Der Knappe war blass und fasste sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an sein Knie.

„Morgan, geh schnell und hol Merlin", bestimmte Guinivere schließlich und legte ihre Hand tröstend auf Gawains Schulter.

„Nein!", rief Gawain und blickte bittend in Guiniveres Augen. Morgan, welche sich schon auf den Weg gemacht hatte, blieb wieder stehen und schaute Guinivere mit fragendem Blick entgegen. Guinivere überlegte einen Moment, doch entschied sich dazu Gawains Bitte nachzugehen. Sie wollte sich nicht mit ihm streiten.

„Okay", seufzte sie, „wie du meinst. Arthur, Sagramor, könnt ihr ihm auf die Bank dort drüben helfen?"

Arthur und Sagramor setzten sich augenblicklich in Bewegung und hievten Gawain auf die Beine. Eher auf ein Bein, er konnte sein linkes nicht mehr belasten. Sie legten jeweils einen seiner Arme um ihre Schultern und gingen langsam zur Bank, während Madame Birgitt auch schon mit einem Besen angestürmt kam, um die Scherben zu beseitigen.

An der Bank angekommen, ließ Gawain sich auf dieser nieder und zog scharf die Luft ein. Er hatte schon die letzten Tage gemerkt, dass die Salbe ihre Wirkung etwas verloren hatte, doch so schlimm war es noch nie gewesen. Arthur und Sagramor guckten besorgt auf ihn herab, bevor sie sich gegenseitig in die Augen blickten und sich annickten. Arthur wandt sich ab und ging den anderen beim Dekorieren helfen. Sagramor blieb bei ihm und setzte sich neben seinem besten Freund.

„Was war denn los?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.

„War das nicht offensichtlich?", antwortete Gawain mit zusammengebissenen Zähnen.

„Schon, aber diesmal war es extrem. Hast du Merlins Salbe heute aufgetragen?"

„Ja."

„Wirkt sie nicht mehr? Solltest du damit nicht zu Merlin gehen?"

„Nein, ich gehe nicht zu Merlin!", schrie Gawain ihn aus heiterem Himmel an.

„Spinnst du?" Sagramor warf seinem besten Freund einen wütenden Blick entgegen. So etwas ließ er sich nicht gefallen. „Ich lasse mich nicht von dir anschreien, nur weil ich mir Sorgen mache!"

Mit diesen Worten sprang er auf und stapfte mit geballten Fäusten aus dem Saal. Die anderen blickten schockiert hinterher, dann zu Gawain, der mit harter Miene auf der Bank saß und demonstrativ in die andere Richtung guckte. Madame Birgitt schüttelte nur den Kopf.

„Diese Knappen." Bemerkte die Zofe genervt, bevor sie sich wieder dem Blumenstrauß widmete, den sie angefangen hatte zu binden.

Der Rest des Saals wurde in absoluter Stille dekoriert. Gawain blieb auf der Bank sitzen und schmollte, während Sagramor sich nicht mehr blicken ließ.

„So meine Lieben, das sieht doch super aus. Vielen Dank für eure Hilfe", sagte Madame Birgitt stolz und lächelte in die Runde. „Guinivere, wir gehen uns jetzt frisch machen. Deine Eltern haben sich ebenfalls angekündigt. Ihr Jungs solltet das vielleicht auch tun", fügte sie noch hinzu, während sie sich schon umdrehte, und zum Treppenhaus ging. Guinivere stolperte ihr glücklich hinterher, sie freute sich furchtbar über die Nachricht ihre Eltern schon bald wieder zu sehen.

Arthur verließ zusammen mit Morgan das Schloss, während Tristan dem Rat Madame Birgitts folgen wollte. Sie gingen still ins Baumhaus und in ihr Zimmer, um sich auf den gemeinsamen Balkon zurückzuziehen und dem munteren Treiben auf dem Schlosshof zuzusehen.

„Er sollte nicht mitmachen", begann Morgan und sprach somit Arthurs Gedanken laut aus.

„Ich weiß", gab der Braunhaarige nur zurück.

„Dann rede doch mit ihm."

„Sagramor sollte das tun."

„Na, das hat ja super funktioniert", sagte Morgan, die Ironie in ihrer Stimme unverkennbar, und verdrehte ihre Augen.

„Was sollen wir denn deiner Meinung nach tun?", fragte Arthur und wandte sich mit gespanntem Blick zu dem Zauberlehrling.

„Ich würde zu Ulfin gehen."

„Meinst du?"

Jetzt wandte sich Morgan ebenfalls Arthur zu.

„Ja", gab sie ihm mit Nachdruck zu verstehen.

„Gawain wird wütend sein."

„Er muss ja nicht wissen, dass du es warst. Soll ich vielleicht mitkommen?"

„Ja, bitte. Ulfin wird nicht gerade begeistert sein. Nicht von der Störung und nicht von den Nachrichten. Ich könnte Unterstützung gut gebrauchen."

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