Kapitel 6

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"Ich soll was?"
Entgeistert sah ich zu meiner Granny und versuchte das eben gehörte zu verarbeiten.
Wenn mir nicht schon vorhin der Boden unter den Füßen weggerissen worden war, so traf es mich jetzt wie ein Faustschlag ins Gesicht.
Ich betete dass das alles nur ein großes Missverständnis war und meine Granny mir gleich lachend auf die Schulter klopfen würde, doch es geschah nichts.
Stattdessen sah sie mich entschuldigend an.
"Katelynn, es tut mir Leid, aber ich habe die Schwester eben schon gebeten ihn zu kontaktieren. Es ist das beste mein Engel, glaub mir."
Mir blieb die Luft weg.
"Aber ich weiß doch gar nichts über ihn! Wo er lebt, wie er aussieht, nicht mal wie er heißt!"
Meine Oma antworte nicht, sondern drehte nur seufzend den Kopf zur Seite.
Das Gespräch schien sie sehr anzustrengen.
Ich biss mir auf die Lippe und stürmte wütend aus dem Zimmer.
Etwas anderes brachte ich gerade nicht fertig.

Draußen ließ ich mich auf einen der Plastikstühle fallen und schloss die Augen um mich zu beruhigen.
Ich sollte ernsthaft zu meinem Vater, wenn man dass so nennen konnte. Ich hatte nie erfahren wer er war oder wie er lebte.
Gemeldet hatte er sich auch nie.
Der Typ musste ja ein grade zu enormes Interesse an mir haben.

Am liebsten hätte ich los geschrien, so wütend war ich.
In dem Moment kam eine der Cops zu mir und lächelte ein wenig.
"Sollen wir sie nach Hause fahren, Miss Price? Oder möchten sie noch bleiben?"
Als Antwort schüttelte ich nur den Kopf und stand auf.
Ups, ähm das war wohl keine Frage gewesen auf die man mit 'ja' oder 'nein' antworten konnte.
"Ich würde jetzt gerne nach Hause."
Antworte ich leise und sie nickte verständnisvoll.


᪥᪥᪥


Während der Fahrt hatten wir die meiste Zeit geschwiegen, nur beim aussteigen wandte sich die ältere der beiden Polizistinnen noch mal an mich.
"Wir, oder zwei Kollegen, werden sie in drei Tagen zum Flughafen bringen. Bitte packen sie bis dahin ihre Sachen."
Ein wenig perplex sah ich die zwei an.
"Flughafen?"
Die beiden Cops nickten.
"Ja, ihr Vater wohnt in Wyoming und wird die dort am Flughafen abholen.
Ich nickte müde und schleppte mich dann die Treppen hoch in unser Wohnzimmer.

Erst als ich nach einem gefühlten Mount Everest an Treppenstufen, auf unserem Sofa, in der leeren Wohnung saß und versuchte Mel zu erreichen, begann ich zu verstehen was da grade auf mich zu kam.
Ich sollte zu einem Mann, über den ich wortwörtlich nichts wusste außer dem Staat in dem Wohnte, ich betone gar nichts!
Na ganz toll Katelynn, wieso hast du auch niemanden gefragt?
Ich wusste nicht viel über Wyoming, außer das was wir in der Schule über die einzelnen Staaten gelernt hatten.
Dem nach gab es dort kaum Großstädte und mehr Tiere als Menschen.
Grandiose Aussichten waren dass!
Ich flog also zu einem Mann der sich siebzehn Jahre nicht gemeldet hatte und jetzt angeblich mein Vater war, in einen Staat wo die Bürger aus Bisons und Präriehunden bestanden.

Nachdem Mel nicht an ihr Handy ging stand ich seufzend auf und schlurfte wiederstrebend ins Badezimmer, um schon mal mit dem Wäsche waschen anzufangen.
Ein Gutes hatte die Sache wenigstens, ich war für die nächsten Tage von der Schule befreit.
Genau, immer schön positiv denken!
Jetzt hatte ich immerhin genug Zeit um mich zu langweilen und mir Sorgen zu machen!
Meine Ironie sei mir an dieser Stelle verziehen.

Warte mal... Nicht nur für die nächsten Tage! Diese Schule würde ich vermutlich nie wieder sehen!
Das ganze kam mir plötzlich so surreal vor und mir schwindelig.
Ich stütze mich an der Waschmaschine ab und sank auf dem Boden zusammen, als mir nach dem ganzen Schock erst richtig klar wurde, was das für mich bedeutete.

Ich würde das alles hier vielleicht nie wieder sehen! Vielleicht nicht mal meine Granny! Von Mel, Josh und den anderen Knallköpfen in unserer Gruppe mal ganz zu schweigen...

Ich spürte die Tränen erst, als sie bereits auf meine Beine tropften und beobachtete fasziniert den nassen Fleck, welcher immer größere Teile des schwarzen Stoffs in Beschlag nahm.

᪥᪥᪥

Mitten in der Nacht schreckte ich hoch.
01:49 Uhr zeigte mein Wecker an und ich stöhnte auf. Großartig, wieso hatte ich nicht durchschlafen können!
Doch plötzlich hielt ich in meiner Bewegung inne und lauschte.
Hatte ich da nicht was gehört?
Ich spitzte angestrengt die Ohren und versuchte so wenig Geräusche wie möglich zu erzeugen.

Nichts...

Dann hatte ich mich wohl doch geirrt.
Hoffentlich.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich total verschwitzt war und mir vielen die Bruchstücke des Albtraums wieder ein.
Na bravo Katelynn.
Immer noch leicht zitternd stieg ich aus dem Bett und stakste mit wackligen Beinen in die Küche.
Gerade als ich die Kühlschranktür öffnen wollte erstarrte ich in der Bewegung und sah leicht panisch zum Fenster.

Da war es wieder. Das leise Donnergrollen in der Ferne, welches mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken jagte.
Danke an dieser Stelle, für meine überaus hilfreiche Astraphobie!

Seit ich klein war hatte ich panische Angst vor Gewittern. Meine Oma hatte mir erzählt dass meine Mum bei einem gestorben war und ich deswegen so reagieren würde.

Ich versuchte mich ein wenig zu beruhigen, schließlich war das Gewitter ja noch weit weg und würde mich hoffentlich verschonen.

Mit einem Glas Wasser in der Hand ging ich ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Das war bei Gewittern zwar mehr als ungünstig, aber erstens brauchte ich Ablenkung und zweitens würde ich rechtzeitig wieder ausmachen.

᪥᪥᪥

Seufzend machte ich den Fernseher wieder aus.
Das Gewitter hatte offensichtlich nicht vor uns zu verschonen und der Donner hallte mittlerweile schon ziemlich laut über die Häuser hinweg.

Ich schloss die Augen und versuchte meine schneller gewordene Atmung zu kontrollieren.
Mit zitternden Fingern stellte ich das Flas in die Küche und verkroch mich anschließend unter der Bettdecke.

Ich steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren und drehte voll auf, in der Hoffnung sie würden das Grollen des Donners übertönen.
Das würde noch eine lange Nacht werden.

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1000 Wörter

Heyy! Hier ist wieder ein neues Kapitel, ich hoffe es gefällt euch.

(Das ist übrigens nicht wirklich meine persönliche Meinung über Wyoming, es hat nur gut gepasst an der Stelle.
Ich finde Wyoming ist ein wunderschöner Staat mit einer unglaublich vielfältigen Natur!)

Und zum Abschluss noch eine Frage:
Welches Titelbild hat euch besser gefallen?

(Würde mich sehr über eine Rückmeldung freuen☺️)

Country LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt