Kapitel 29

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Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich meiner Gefühlswelt bereits genug Chaos herrschte, doch anscheinend hatte ich mich geirrt.

Durch das Gespräch waren noch weitere Emotionen hinzugekommen, nämlich Verunsicherung und Angst.

Bis jetzt hatte ich sie immer zu unterdrücken versucht, doch mit den Erinnerungen an Tyler waren sie wieder aufgetaucht.

Scheiß Typ.

Unser Telefonat war nach diesem Thema ziemlich schnell beendet gewesen. Mel konnte zwar nichts dafür, aber diese Nachricht war einfach zum falschen Zeitpunkt gekommen.

Und Deamon... Tja, jetzt hatte ich noch weniger Ahnung was ich machen sollte. Warum musste nur alles so kompliziert sein?

Seufzend stand ich auf und lief zum Fenster. Die Dächer des Hofes und auch das Land um die Ranch glänzten unverändert in strahlendem Weiß. Stellenweise war es noch immer ein wenig glatt, doch großflächig betrachtet, war es zum Glück etwas besser geworden.

Mein Blick glitt weiter in die Ferne.
In New York war der Horizont immer von Wolkenkratzern verbaut, doch hier war das Gegenteil der Fall.

Gegend soweit dass Auge nur reichte, lediglich die Berge, die beinah komplett von Schnee bedeckt waren, grenzten das Ganze ein wenig ein und nur am Fuße eben dieser, befand sich der Wald, der mit seinen Nadelbäumen wie ein dunkler Farbklecks in dem ganzen Weiß prangte.

"Du müsstest das mal im Sommer sehen. Oder noch besser; der Übergang zwischen Sommer und Herbst."

"Himmel, erschreck mich doch nicht immer so! Kannst du nicht klopfen?!"
Ich funkelte Nick an, der grinsend im Türrahmen lehnte.

"Prinzipiell schon, aber deine Tür stand sperrangelweit offen und du am Fenster."

"Trotzdem kein Grund mich so zu erschrecken." Mit einem genervten Blick wandte ich mich wieder zum Fenster, ohne Nicks verschmitzten Blick weiter zu beachten. Warum hatte der Typ neuerdings so gute Laune?

"Natürlich, das nächste mal werde ich erst einen Termin vereinbaren, bevor ich unangekündigt mein Haus betrete."
Erwiderte dieser auch prompt, wobei man das Grinsen in seiner Stimme hören konnte.

"Ich wollte dir eigentlich Bescheid sagen, dass ich nochmal weg bin." Wurde er wieder ernst. "Wenn irgendwas sein sollte musst du entweder Amy oder Toby Bescheid sagen."

Ich nickte, runzelte aber kurz darauf die Stirn. "Wohin fährst du denn?" Fragte ich und stellte neben bei fest, dass er mir vorher nie Bescheid gegeben hatte, wenn er weggefahren war.

"Nur zu den Nachbarn, bin also nicht lange weg. Wir sehen uns spätestens heute Abend."

"Okay." Ich sah Nick noch hinterher, wie er in Richtung Treppe verschwand und drehte mich dann wieder zum Fenster.

Wen bezeichnete man hier zu Lande eigentlich alles als Nachbarn? Jeden Rancher im Umkreis von 20 Meilen? Wie viel Land gehörte meinem Erzeuger eigentlich?

Das Wort Erzeuger hörte sich mittlerweile komisch an. Es traf zu, aber irgendwie auch nicht. Nick und ich kannten uns inzwischen ein wenig besser, aber mehr auch nicht. Würde ich ihn jemals als Vater bezeichnen können?

Moment mal, wie blöd war ich eigentlich?
Nick hatte mir Bescheid gesagt dass er weg fuhr und ich stand hier rum wie Falschgeld.

So schnell wie jetzt war ich noch nie eine Treppe hinunter gerannt. In Windeseile riss ich meine Jacke vom Haken und zog mir meine Boots an, bevor ich nach draussen stürmte.

Es war die perfekte Gelegenheit mal vom Hof runter zu kommen und gleichzeitig auch noch mehr Leute kennen zu lernen. Außerdem würde ich Nick so während der Fahrt ein weig ausquetschen können, ohne das er gleich wieder die Flucht ergriff. Obwohl wir diese Phase eignetlich hinter uns haben sollten, zumindest ging ich davon aus.

Country LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt