Sicht des Erzählers
Als Lillian aufwachte war sie allein. Dexter war gegangen und alles was blieb, war die Kette um ihr Handgelenk. Sie sah stumm auf diese herab, nachdem sie sich aufgesetzt hatte. Es war ein trostloser Anblick und sie wusste, dass sie mit ihrem Vorhaben ihre Situation nur noch schlimmer gemacht hatte. Nie mehr würde Jake sie aus den Augen lassen, nie mehr würde sie sich allein irgendwo aufhalten dürfen und nie mehr würde sie diese Ketten, die sie hielten, los werden. Sie gestand sich ein, dass ihr Versuch, sich das Leben zu nehmen, eventuell eine Überreaktion gewesen war in Anbetracht dessen, dass Jake vielleicht doch auf einem milderen Weg gewesen wäre, dass er in der Lage gewesen wäre, sich zu ändern. Sie legte ihren Kopf in ihre Hände und dachte darüber nach, was sie erwarten würde, sobald Jake diesen Raum betreten würde, mit Sicherheit würde er sie bestrafen aber sie wusste nicht, in welchem Ausmaß und es machte ihr Angst, dass sie dieser Unwissenheit unterlegen war. Sie hörte die Schritte auf dem Korridor und machte sich auf das Schlimmste gefasst und als die Tür aufging hob sie langsam den Kopf um ihn anzusehen. Sein Blick war ausdruckslos und er blieb nach dem Schließen der Tür neben dieser stehen und verschränkte die Arme. Eine ganze Weile stand er so da und sie sahen sich an. Für diesen Moment gab es keine richtige Beschreibung, kein Gefühl, dass ins Schwarze treffen würde. Er leckte sich über die Lippen bevor er das Wort erhob, "Erklärst du mir, was in deinem hübschen Köpfchen vorgegangen ist, dass du der Meinung warst, dass Selbstmord die beste Alternative gewesen wäre?". Er klang ruhig und irgendwas sagte ihr, dass er es tatsächlich war, dass er ihr zum ersten Mal zuhören würde. Sie schluckte und räusperte sich, wandte den Blick von ihm ab und sah hinab zum Boden, bevor sie selbst das Wort ergriff. "Was blieb mir anderes übrig Jake? Du würdest mir keine Freiheiten mehr geben, ich wäre auf ewig an dich gebunden und je älter ich werde, desto mehr merke ich, wie es mich kaputt macht, dass ich das hier nicht mehr kann...", sie klang so unglaublich verletzt und sie war mutiger als sie es sich je vorgestellt hatte, "Ich kann mich dir nicht hingeben, weil ich weiß, dass dir das irgendwann nicht mehr reicht, denn egal, wie sehr ich mich auch bemühen würde, dir zu gehorchen, weiß ich, dass ich das nicht aufrecht erhalten könnte. Ich will dieses Leben nicht mehr, ich hab es nie gewollt. Und ich weiß nicht, was ich getan habe, um das hier zu verdienen.", bei ihren letzten Worten sah ihm schlussendlich genau in die Augen und er konnte ihr bis in die geschundene Seele schauen, sah ihren Schmerz, ihre Hoffnungslosigkeit und für einen Bruchteil einer Sekunde empfand er Mitleid, doch dieses Gefühl hielt nicht lange an, denn je älter sie wurde, desto mehr ähnelte ihr Aussehen dem ihrer Mutter und er erinnerte sich wieder, warum sie leiden musste, warum sie es war und nicht irgendwer anders, der an jenem Tag beteiligt gewesen war. Er überlegte lange und sorgfältig, wie er auf ihre Worte reagieren sollte. Er war verletzt davon, dass sie ihm nicht zutraute, sein Wort zu halten, immerhin hatte er sein Versprechen gehalten, ihrer Mutter das Liebste zu nehmen und sie leiden zu lassen, er war nun mal ein Mann seines Wortes. "Es verletzt mich, dass du mir nicht zutraust, dich besser zu behandeln, wenn du dich benimmst. Mag sein, dass du die letzten Jahre immer nur das Schlechteste von mir gesehen hast, aber es war deine Entscheidung dich so zu benehmen, nicht meine. Ich habe dir nur gezeigt, was deine Taten für Konsequenzen haben. Du weißt, dass ich mein Wort halte und ich habe dir mein Wort gegeben, dich deines Verhaltens entsprechend zu behandeln. Ich habe dir letzte Nacht nicht umsonst gezeigt, wie es sein könnte. Ich muss dich nicht bestrafen, aber du musst dazu beitragen, dass es so läuft. Und ein Selbstmordversuch trägt sicherlich nicht dazu bei, dass ich mich dir gegenüber friedlicher verhalte Lillian. Ich habe dir so oft gesagt, dass du lernen musst auf mich zu hören, du bist schließlich kein kleines Kind mehr.", erklärte er und ging näher auf sie zu, hockte sich vor sie und legte seine Hände auf ihre Oberschenkel, wobei sie zusammenzuckte und allmählich wieder die altbekannte Angst einzug hielt. "Warum machst du das?", fragte sie ihn, wie schon so oft und rechnete damit, dass er auch diesmal keine Antwort darauf geben würde, doch sie sollte sich irren. Er sah ihr fest in die Augen bevor er das erste mal über seine Beweggründe sprach. "Deine Mutter war der Grund dafür, dass ich meinen Vater verloren habe und ich habe ihr geschworen, dass ich ihr auch das Liebste nehmen werde, was sie besitzt, womit wir letztendlich bei dir landen. Und genau aus diesem Grund, kann ich dich nicht gehen lassen, nicht allzu lange sanft zu dir sein, weil du meine Rache bist, alles was mich irgendwie an meinen Vater erinnert Süße.", flüsterte er ihr zu und sie sah ihn schockiert an. Er hatte nie mit ihr über seine Vergangenheit oder etwaige Beweggründe gesprochen, wieso ausgerechnet jetzt? "Ich kann nicht zulassen, dass du gehst, nicht bevor mein Verlangen nach Rache gestillt ist Lil.", dabei strich er ihr über den Oberschenkel und sein Blick änderte sich zu einem milderen. "Aber das ist nicht fair...ich kann nichts dafür, dass dein Vater gestorben ist...", wimmerte sie unter Tränen, wie konnte er sie für etwas büßen lassen, mit dem sie nichts zu tun hatte. "Du verstehst das nicht Lillian. Deine Mutter hätte in der Nacht als er starb auf der Station sein müssen, hätte ihn behandeln müssen, doch stattdessen fuhr sie nach hause, zu dir, weil du krank warst. Sie hat zugelassen, dass er stirbt...", unterschwellig hörte sie seine Wut darüber hinaus und sie wollte auf keinen Fall etwas falsches sagen, doch sie konnte nicht anders, "Sie hätte nicht wissen können, dass er stirbt Jake...Es tut mir leid, dass du deinen Vater verloren hast aber gib mir nicht die Schuld dafür...". Sie spürte wie der Griff um ihre Oberschenkel stärker wurde und sah, dass er wütend wurde.
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At the End of Fall
Mystery / ThrillerJedem Ende folgt ein Anfang, jedem Anfang, folgt ein Ende. Niemandes Leben ist davon ausgeschlossen, so auch nicht Lillians. Ihr bisheriges Leben endet auf tragische Weise und ihr neuer Anfang verbirgt Gefangenschaft und Leid. Wird sie es schaffen...