Ein Zeitfenster

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Jakes Sicht

Ich betrachtete sie über die Kamera in ihrer Zelle. Immerhin hatte sie ein wenig dazu gelernt, was ihren Fehler allerdings nicht weniger strafbar machte. Es hatte mich so viel Überwindung gekostet, sie nicht auf der Stelle für ihren Fehler zu bestrafen und mir war bewusst, dass ich sie fälschlicherweise fast erschossen hätte. Wobei bei genauerem Überlegen, hätte ich nicht auf sie geschossen, es diente lediglich dem Druck. Aber ich sah an ihrem Blick, dass sie davon ausging, dass ich sie getötet hätte. Oh mein kleines naives Mädchen, als ob ich sie jemals frewillig der Erde beigeben würde. Mein Handy begann zu vibrieren und ich sah auf das Display nur um zu erkennen, dass es der Arzt meiner Mutter war. Ich nahm das Gespräch entgegen und war innerhalb kürzester Zeit auf einem Trip zwischen Trauer und Hass. Für mich stand fest, dass, wenn ich sie noch einmal sehen wollte, es jetzt die letzte Chance sein würde zugleich würde ich Lillian allein lassen müssen. Ich hatte keine Wahl, ich musste sie in die Hände der anderen geben, wenn auch nur vorübergehend. Ich betete inständig, dass sie keine Dummheiten in dieser Zeit anstellen würde. Ich hatte bemerkt, dass Dexter nicht mehr so standhaft ihr gegenüber war, wie er es zuvor war, doch wer würde dem Charme dieses Mädchens nicht unterliegen? Es fiel mir ja selbst schwer, die Kontrolle zu behalten. Doch egal, wie flehend sie mich ansah, sie musste büßen. Ich rief die Jungs zusammen um die Situation mit ihnen zu klären. Innerhalb weniger Minuten fanden wir uns im Konferenzraum ein. "Es gibt eine dringende Angelegenheit um die ich mich ohne Verzögerungen zu kümmern habe. Diese beinhaltet mein Verlassen der Fabrik für etwas weniger als 24 Stunden, nehme ich an. In dieser Zeit werdet ihr euch um Lil kümmern, Dexter du hast das Sagen. Wenn irgendetwas sein sollte, ruft ihr mich sofort an. Sei es ein falsches Wort ihrerseits oder eine Handlung, egal was, ich werde ohne Umschweife zurück kommen. Haben wir uns verstanden?", mein Ton war streng, doch meine Männer waren diesen Ton von mir gewohnt. Sie gaben mir ihr Einverständnis und ohne weitere Umschweife, packte ich und verließ die Fabrik mit einem gewissen Gefühl des Unbehagens.

Dexters Sicht

Das war es also, mein Zeitfenster Lillian aus dieser Hölle zu befreien. "Was machen wir jetzt mit ihr?", frage Alistair und zog mich damit aus meinen Gedanken. "Lasst sie vorerst im Keller, ich werde mich später um sie kümmern.", gab ich zurück und verschwand anschließend in meinem Zimmer. Es wurde Zeit für die Finalisierung meines Vorhabens. Ich wählte die Nummer meines Vaters und er hob nur wenige Sekunden später ab. "Was verschafft mir die Ehre?", fragte er amüsiert und ich verdrehte die Augen. "Ich hab über deine Worte nachgedacht, ich werde heute Abend nach Hause kommen, in Begleitung. Ist Mum da?", fragte ich nervös, denn wenn sie zuhause wäre, könnte ich Lillian unter gar keinen Umständen ins Haus bringen. "Nein, deine Mutter und ich teilen zur Zeit nicht die selben Räumlichkeiten, warum fragst du? Darf sie deine Begleitung denn nicht kennen lernen?", hakte er nach und ich wurde stumm, dachte nach, wie viel ich ihm sagen konnte. "Es ist kompliziert, wir reden, wenn ich da bin.", damit legte ich auf und begann zu packen, nicht viel um es nicht zu auffällig aussehen zu lassen und danach wartete ich auf die Gelegenheit, Lillian hier raus zu bekommen.

Lillians Sicht

Ich wusste nicht, wie lange ich so da saß, nach einiger Zeit waren die Tränen versiegt und die Leere hielt einzug. Ich spürte nichts, meine Emotionen waren an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Es gab Momente in denen hatte ich wenig gefühlt, aber noch nie hatte ich nichts gespürt. Doch diese Leere war mir eine willkommene Abwechslung zu der sonst vorherrschenden Angst, der Panik und der Trauer. Meine Gedanken waren verstummt und es blieb mir nur noch das Warten. Ich wusste nicht genau, auf was ich wartete, doch so wie ich Jake kannte, würde es nichts Gutes werden. Ich hatte meinen Kopf auf meinen Knien abgestützt und lauschte der Stille. Die Stille im einklang mit meinem Herzschlag, ließ mich zur Ruhe kommen. Zumindest bis ich sie hörte, die sich nähernden Schritte. Doch mein Herzschlag blieb gleich, ich spürte keine Panik, keine Angst. Ich wusste, was auf mich zukommen würde, es machte keinen Sinn mehr, sich dagegen zur Wehr zu setzen, mich in einen Zustand der Panik zu versetzen. Ich blickte nicht auf, als die Tür geöffnet wurde, und auch dann nicht, als die Schritte vor mir zum erliegen kamen. Meine einzige Reaktion war ein leises, "Egal was du vorhast, mach es einfach.". Ich hörte ein kurzes amüsiertes Lachen und blickte verwirrt nach oben. Es war nicht Jake, der da vor mir stand, ganz im Gegenteil, es war Dexter. "Trifft sich gut, du hättest sowieso keine andere Wahl gehabt.", gab er belustigt von sich. Er griff nach meinem Arm und zog mich auf die Beine, ungewohnt sanft. Ohne ein weiteres Wort, nahm er mich mit nach oben und entgegen meiner Erwartungen, nach draußen auf den Hof. Es war eisig kalt und mich überkam diese Kälte, welche mich zittern ließ. "Was machen wir hier?", fragte ich schüchtern, denn für mich ergab es keinen Sinn um diese Zeit die Fabrik zu verlassen. "Pscht, oder willst du, dass sie uns erwischen?", zischte er und wurde schneller, er lief in Richtung der Autos, welche Jake sonst nutzte, um seine Treffen mit Geschäftspartnern wahr zu nehmen. "Erwischen?", fragte ich völlig verwirrt und blieb stehen. "Ich erklär dir alles im Auto, aber bitte beeil dich und steig einfach ein.", er wirkte gehetzt und angespannt und ich wagte nicht, mich seiner Bitte zu widersetzen, stattdessen stieg ich auf der Beifahrerseite ein und Dexter schloss möglichst leise die Tür, bevor er auf die Fahrerseite ging und selbst einstieg. Er ließ den Motor an und innerhalb kürzester Zeit hatten wir das große Tor passiert. Instinktiv griff ich mir an den Hals in Erwartung eines Stromschlags aber es geschah nichts. "Ich hab es abgeschalten, erstens, können sie uns so nicht orten und zweitens musst du nicht noch mehr Leid ertragen.", murmelte er, während sein Blick auf die Straße vor uns geheftet war. "Wohin bringst du mich?" "In Sicherheit." "In Sicherheit?", fragte ich skeptisch nach und spürte, wie die Panik langsam aber sicher das Nichts aus mir drängte. "Ja Lillian, in Sicherheit. Ich hab es dir doch gesagt, ich hol dich aus dieser Hölle raus.", gab er ruhig zurück und sah mich kurz an, bevor sein Blick wieder zurück auf die Straße fiel.

At the End of FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt