Für den Himmel, durch die Hölle

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Sicht des Erzählers

Da lag sie nun, still und ohne Kleidung. Ihre Haut gezeichnet von seiner Wut, Ihre Seele geschunden von seiner Last und ihr Geist gebrochen durch seine Qualen. Er hatte sich angezogen und sah auf sie herab. "Wir haben uns wohl beide eine Auszeit verdient, meine Süße. Erhol dich...", damit gab er ihr einen letzten Kuss auf die Stirn, wusste, dass sie ihn nicht mehr hören konnte und verließ ihr Zimmer. Vor der Tür kam ihm Dexter entgegen, er hielt ihn auf, "Fahrt in die Praxis, sofort. Wir sehen uns da in ein paar Tagen. Ich geb bescheid, wenn ich soweit bin.". Dexter sah ihn kurz verwirrt an, verstand dann aber doch recht schnell und nickte kurz. Jake nickte ebenfalls und verließ den Gang, ging in sein Zimmer. Kurz darauf betrat Dexter Lillians Zimmer und ihm blieb die Luft weg. Überall klebte ihr Blut, er konnte nicht mal genau sagen, wie es dahin gekommen war, wo es teilweise war. Er schluckte schwer und ganz langsam näherte er sich Lillian, welche wie tot auf dem Bett lag, ihre Atmung war so flach, dass er sie erst recht spät sah und dann aber erleichtert aufatmete. Sie sah noch schlimmer aus, als am Morgen, wenn das überhaupt noch ging. Unzählige Kratzer, Blutergüsse und geschwollene Haut. Sie war Blutverschmiert und er konnte nicht ausmachen, wo es herkam, was ihn beunruhigte. Er wickelte die Decke um sie und brachte sie nach draußen, auf den Gang, suchte Ace auf, damit sie auf der Stelle los fuhren. Er wollte sie um jeden Preis retten, sie sollte weder so sterben, noch so weiterleben wie bisher. Er fand Ace im Gemeinschaftsraum, dieser war sofort alarmiert und folgte ihm hinaus auf den Hof. Sie nahmen Ace's Auto und erst als sie das Gelände verlassen hatten, erlaubte Dexter es sich, Panik zu bekommen. Er strich ihr immer wieder über die Wange und betete, dass sie wieder aufwachen würde. Er hatte es schließlich versprochen. Er hatte versprochen, sie raus zu holen. Bevor er Lillian aus ihrem Zimmer geholt hatte, hatte er die Zettel auf dem Boden gefunden und sie eingesteckt, er wollte wissen, was Jake zu ihr gesagt hatte. Aber erst wenn sie das hier überstanden hatte. Sie fuhren eine gefühlte Ewigkeit und kamen schlussendlich in der Praxis an. Sie lag auf Ace's Grundstück. Es umfasste sowohl sein Haus, als auch die Praxis, einen wunderschönen Garten und ein kleines Stück Wald und Wiese mit Blick auf den angrenzenden Stausee. Dexter würde Lillian auf jedenfall den Stausee zeigen, sobald es ihr besser ging. Es sollte das erste Schöne sein, was sie nach ihrer Gefangenschaft erleben sollte. Ace und er stiegen schließlich aus und brachten Lillian hinein, nachdem Dexter sie im Behandlungsraum abgelegt hatte, ließ er Ace allein und verschwand nach draußen um zu rauchen und sich zu beruhigen. Sie würde das überstehen, da war er sich sicher. Das alles war mit Sicherheit nicht umsonst. Von unterwegs aus hatte er seinem Vater, sowie Noah bescheid gegeben, sie waren auf dem Weg. Sie wollten gewappnet sein, falls Jake innerhalb der nächsten Woche auftauchen sollte, wobei noch keiner so recht daran glaubte, denn der Tod seiner Mutter, hatte ihn ziemlich mitgenommen und er wusste, dass er so auf keinen Fall in Lillians Nähe sein konnte. Doch sicher waren sie sich alle nicht, also trafen sie sich letztlich alle bei Ace, dessen Tochter und Frau passenderweise zu ihren Eltern gefahren waren, um die Ferien zu nutzen. Ace hatte abgesagt, da er in der Praxis zu tun hatte, seine Frau verstand das, dafür liebte er sie umso mehr. Und umso gelegener kam es ihnen, da die beiden so nicht in diese Angelegenheit gezogen werden konnten. Es dauerte drei Stunden, bis Ace sich zu ihm nach draußen gesellte und ihn beruhigte. "Es wird alles gut, sie ist eine Kämpferin. Es sind vermutlich nur die Nerven und der viele Stress, jedenfalls kommt ihre Bewusstlosigkeit nicht zwingend von ihren Verletzungen, diese sind weitaus weniger gefährlich, als ich anfangs dachte. Ein paar Prellungen, das blaue Auge und die sonstigen Blessuren, selbst ihr Handgelenk scheint nur gestaucht zu sein. Woher das Blut kam, kann ich dir nicht genau sagen, ich habe erstaunlicherweise keine Einschnitte oder ähnliches finden können, wenn dann muss es aus ihrer Mundregion stammen. Ich geh davon aus, dass er sie mehrmals heftig geohrfeigt hat und durch ihre sowieso schon aufgebissenen Zunge sah das ganze wohl schlimmer aus, als es am Ende war. Nasenbluten hatte sie jedenfalls auch. Sie hängt jetzt am Tropf, sie wird bestimmt bald aufwachen.", gab er beschwichtigend von sich und Dexter atmete erleichtert aus und zog Ace in eine brüderliche Umarmung, "Danke, dass du da bist, ich weiß nicht, ob ich das hier ohne dich geschafft hätte.", gab er zurück und Ace sah ihn lächelnd an. "Du solltest ihr danken, dass sie so lange durchgehalten hat und dich scheinbar auf den rechten Weg zurück gebracht hat." "Ja wahrscheinlich...", ein letztes Mal zog er an seiner Zigarette, bevor er rein ging und neben ihrem Bett darauf wartete, dass sie aufwachte.

Und nach zwei Tagen tat sie genau das, sie wachte das erste Mal wieder von alleine auf. Dexter war ihr die ganze Zeit über nicht von der Seite gewichen. Doch er hatte in der Zwischenzeit auch mit seinem Vater, Nolan und Noah geredet und die erfreulichen Nachrichten, die er sich erhoffte, kamen nicht. Sein Vater hatte ihm deutlich gemacht, dass es für Lillian nur einen Weg geben konnte, er verstand das, aber er konnte es sich noch nicht vorstellen, wollte es auch nicht, denn das war die Form von Freiheit, die er für sie nicht wollte. "Gibt es keinen anderen Weg?", hatte er immer wieder gefragt, doch immer die selbe Antwort erhalten, "Mein Sohn, jeder der was auf dieser Welt zu sagen hat, kennt Jake, oder kannte seinen Vater, sie wird nirgends sicher sein, selbst mit anderem Namen, anderer Haarfarbe, du weißt, er würde sie unter tausenden wieder erkennen. Sie wäre ständig auf der Flucht...glaubst du, dass es das ist, was sie will?". Es war natürlich nicht das, was er wollte und auch nicht das was sie wollte, das wusste er, doch er hatte es ihr so sehr gewünscht.

"Hey Kleine...Wie fühlst du dich?", fragte er und sie sah ihn mit einem schwachem Lächeln an. "Ich glaube besser, kannst du mir auf helfen?", fragte sie ihn und er tat es, natürlich würde er ihr helfen, das waren die letzten Taten, die er ihr geben konnte, das letzte bisschen Glück. Sie lachten tatsächlich recht häufig die folgenden zwei Tage, sie hatte die Angst ausgeschalten, wusste, dass er nicht auftauchen würde, aber sie wusste noch nicht, wie ihr Leben weitergehen würde, nur deshalb war sie noch so unbefangen. Als diese zwei Tage nun rum waren beschloss Dexter, mit ihr an den See zu gehen, sie wollte frische Luft schnappen und er, er würde die Gelegenheit nutzen. Sie hatte spüren können, dass etwas mit ihm nicht stimmte, er lachte immer nur halb und wirkte so zurückhaltend. Sie kamen am Stausee an und Lillian trat ans Geländer und hielt sich fest. Die Sonne war kurz davor unter zu gehen und färbte das Wasser in wundervollen Farben. Es war wahrlich das Schönste, was sie seit ihrer Gefangenschaft gesehen hatte. "Gefällts dir?", fragte Dexter leise und blieb hinter ihr stehen. Den Colt hatte er in seiner Manteltasche und er war sich nicht sicher, wie er das hier bewerkstelligen sollte. "Ja, es ist wunderschön. Danke Dex...", murmelte sie und spürte, wie die Stimmung wechselte, "Siehst du die Schwäne da hinten? Sie werden bestimmt bald fort fliegen.", wollte sie die Stimmung lockern doch sie wusste, dass ihn etwas bedrückte. Und so beobachtete sie und blieb stumm. Und als die Schwäne ihr letzte Bahn durch den See zogen und ansetzten zum Abflug, da wusste sie es. Sie hatte es ganz tief in sich gespürt und sie musste diese eine entscheidende Frage stellen: "Es gibt nur diesen einen Weg für mich, nicht wahr?". Er sah sie mit schwerem Herzen an und nickte, es war der einzige Weg, ein allerletzter Versuch, das ganze zu beenden, ihr die Freiheit zu gewähren, die sie sich so sehr wünschte. "Ich hatte gehofft, es gäbe einen anderen Weg aber jede Entscheidung führt unweigerlich zu diesem Ende Lillian. Ich weiß, du wünscht dir nichts sehnlicher, als deine Freiheit aber wir wissen beide, dass dich selbst die Freiheit nicht von ihm trennen kann. Lass mich dir also ein letztes Mal helfen und dir diese Entscheidung abnehmen, glaub mir, das ist der einfachste Weg.". Und als er sie so ansah, da spürte sie eine unglaubliche Ruhe in sich, so als wäre zwischen ihnen nie etwas vorgefallen. "Ich weiß Dexter, es ist okey, genau so soll es sein.", gab sie ruhig von sich und drehte sich dann ganz zu ihm, ließ das Geländer los und schloss die Augen. Und mit einem letzten Danke auf den Lippen und einem ehrlichen Lächeln nahm sie ihren letzten Atemzug.

Es wurde still, der Hall des Schusses verebbte und alles was blieb, waren ein paar aufgeschreckte Vögel, welche aus den Ästen empor stiegen und sich einen anderen Rastplatz suchten. Da lag sie nun, frei von allen Ketten, frei von Schmerz und Pein endlich friedlich ruhend. Ihre Reise hatte ein Ende und auch er würde nun sicherlich zur Ruhe kommen, sobald er sich vollends von Jake losgesagt hätte. Sie hatte recht behalten, ihr blieb leider nur der Tod um frei zu sein.

At the End of FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt