Kapitel 38

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Die erste Erinnerung brach über ihn herein...

Viviana war gerade auf dem Weg zur Bibliothek, um ihr Studium fortzusetzen, als sie die Stimmen ihrer Eltern hörte. Neugierig lief sie zur Tür und lauschte.

„Sie ist eine Enttäuschung. Ihre kämpferischen Leistungen sind unter dem Durchschnitt. Sie hat weder den Biss wie Pruden, noch das Talent. Sie wird niemals Erfolg in der Armee haben", erklang die Stimme ihres Vaters.

„Ja. Nicht einmal meinen Intellekt oder meine Schönheit hat sie geerbt. Was soll aus ihr werden? Werden wir sie ein Leben lang aushalten müssen?", stimmte ihre Mutter seufzend zu.

Die Worte bohrten sich wie ein Messer in ihre Brust. Sie hatte bemerkt, dass sie nicht so hervorragende Leistungen wie ihre Schwester gebracht hatte, doch zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich wie eine Enttäuschung. Was ist mein Leben wert? Bedeute ich ihnen nichts?

Sie rannte in ihr Zimmer und begann dort bitterlich zu weinen. Sie hasste es, hasste ihre Unfähigkeit. Sollte sie einfach aufgeben? Nein, diese Genugtuung werde ich ihnen nicht gönnen. Also begann sie ihre Gefühle in eine Truhe tief in sich zu sperren und der erste Funke der Dunkelheit loderte in ihrem Innern auf.

Eine weitere Schlüsselszene folgte.

Mit roter Farbe zeichnete sie den Rand ihrer Lippen nach und füllte diese sorgsam aus. Ihr langes schwarzes Haar kämmte sie und begann sich selbst eine aufwendige Frisur zu flechten. Sie schlüpfte in ein elegantes Kleid, das ihren Körper umschmeichelte, den sie mit viel Mühe und Diät erschaffen hatte.

In den letzten Jahren hatte sie alles getan, um zu einer Schönheit zu werden, die die Blicke aller auf sich zog. Jede Bewegung, jede Geste war geplant und rundete die Maske, die sie trug, ab. Sie stand auf und begab sich nach draußen, wo ihre Eltern warteten. Heute würde sie auf einen Ball gehen, wo sie nach einem passenden Gefährten oder einer passenden Gefährtin suchen würde, damit sie dieser Verdammnis endlich entkommen konnte.

Sie durchschritt das Portal und lief erhobenen Hauptes hinter ihren Eltern her. Höflich begrüßte sie jeden und führte ihren unwiderstehlichen Augenaufschlag durch, sodass sie schon bald einige Kandidaten auf der Liste hatte.

Gerade als sie sich mit einem Dämon unterhielt, verstummten alle. Ihre Augen wanderten zum Eingang, aus dem der schönste Dämon trat, den sie jemals zu Gesicht bekommen hatte. „Der Fürst", hauchte eine Dämonin ehrfürchtig neben ihr. Der Mann, der sämtlichen Dämonen den Atem raubte, war niemand anderes als der Höllenfürst Astaroth. Sein emotionsloser Blick traf sie tief und sie spürte eine Verbundenheit zu ihm, wie sie noch zu niemand anderem gespürt hatte.

„Wer diesen Mann erobert, wird wahrlich eine Königin sein", erklang die Stimme ihrer Mutter.

Gelbe Augen trafen für einen Moment auf ihre. Königin. Eine Person, die niemand übersieht, die alle respektieren. Also fasste sie den Entschluss und der Grundstein für ihre Rache war gelegt.

Die Erinnerung verschwamm und ging in eine weitere über.

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Viviana saß mit einer anderen Dämonin im La Cruzière und trank Tee. „So eine Schande, dass ich nicht sein Typ bin", sagte sie mit enttäuschtem Gesicht.

„Was meinst du?", fragte Viviana verwirrt.

„Hast du es nicht gehört? Anscheinend hat Astaroth einen Typen, auf den er steht. Schwarze Haare und blaue Augen. In der letzten Zeit sollen alle seine Liebhaber diese Merkmale aufgewiesen haben. Das ist einfach nur unfair."

Sie schaute die rothaarige Dämonin stumm an. Schwarze Haare. Die hatte sie, doch die blauen Augen waren leider in ihrem Fall braune Augen. Sie biss sich auf die Lippe. Das wird mich nicht aufhalten.

Sai - ein schicksalhafter Gedanke (BAND 7) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt