25 - Dinge, von denen ...

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Vielleicht wiegt Didi weniger als ihre Tasche, zumindest vermute ich das, weil sie den schmalen Weekender ächzend von der Rückbank zerrt als wäre sie Oma von Föhrden, 96 Jahre alt.
„Hast du da Betonklötze drin?", deute ich amüsiert auf ihr Gepäck. „Willst du mir die an die Beine binden und mich im Hotelpool ersaufen lassen?"
„Charles, ich bitte dich", meint sie ernst. Dann grinst sie und wirft ihre langen, schwarzen Haare schwungvoll zurück. „Für sowas habe ich Leute."
Wir schlendern lachend auf den Eingang zu. Weil Didi alles für uns gebucht hat, hat hauptsächlich sie an der Hotelrezeption zu tun. Solange sehe ich mich in der Lobby um. Industrieller Chic, aber dennoch edel, viele Applikationen aus Roségold und schwarzes Leder. Ein schickes Etablissement, kein Zweifel.

„Also", stellt Didi sich zu mir und steckt ihr gerötetes Allergikernäschen in den Flyer des hauseigenen Spas. „Ich brauche dringend eine Algenpackung und du solltest dir eine Ganzkörpermassage buchen. Für achtzehn Uhr. Unser Abendessen wird um acht im Hotel-Restaurant serviert, fünf Gänge."
„Fünf?", frage ich ungläubig. „Was für einen Gutschein hast du da denn bitte abgegriffen?" Didi setzt ein triumphierendes Lächeln auf.
„Ich bin die Schnäppchenjägerin, sag ich doch immer."

Meine Gedanken schweifen kurz ab, zurück nach Berlin, zu Vincent und unserem Essen gestern. Ich lächle unwillkürlich, als ich daran denke, dass es der erste Abend war, an dem wir eingeschlafen sind, ohne dass wir vorher Sex hatten. Niemals würde ich mich über täglichen Spaß im Bett beschweren, aber gestern war schon verdammt schön. Ich schlafe sehr gern in seinen Armen ein. Allerspätestens jetzt ist es wohl wirklich fest zwischen uns.

„Kommst du oder willst du lieber hier unten übernachten?" Didi hat sich an mir vorbeigeschlichen in Richtung Aufzug. Zügig schließe ich zu ihr auf und beobachte sie dabei, wie sie auf den Knopf für die achte Etage drückt. Der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung und Didi atmet geräuschvoll durch, bevor sie meine Hand nimmt. Ich verziehe gespielt angewidert das Gesicht. „Ach, komm schon", mault sie und ich erweiche mich lachend. „Schön, dass das geklappt hat und wir dieses Wochenende endlich mal ausspannen können", befindet meine Freundin zufrieden. Ich stimme ihr zu und umfasse den Griff meiner Umhängetasche noch ein bisschen fester. Darin ist mein Laptop verstaut und wenn Didi das rauskriegt, blüht mir eine Standpauke, auf die ich lieber verzichten würde. Die Arbeit und ich, tja, wir können eben nicht ohne einander. „Erzähl mir von Vincent und eurem Date", bittet sie mich unvermittelt. „Das ging echt wahnsinnig schnell mit euch", fügt sie noch hinzu. Ich lächle.
„Denk bloß nicht, dass diese Eile von mir ausgehen würde."
„Du lässt dich von irgendwem antreiben? Schwer zu glauben", kommentiert sie.
„Nein, du verstehst das nicht", sage ich. „Ich lasse mich nicht von ihm hetzen. Es ist bloß –"
„Was?", hakt Didi skeptisch ein, nachdem ich mich eben unterbrochen und daraufhin eine ganze Sekunde geschwiegen habe.
„Wir sind doch im Urlaub", weiche ich ihrer Frage aus.
Madita schnaubt lustlos. Sie kräuselt die Lippen. Etwas stimmt nicht, sie ist sauer.

„Warum bist du jetzt verärgert?", gebe ich letztlich nach als wir in unserem Doppelzimmer stehen, weil sie mich eiskalt ignoriert. Didi schmeißt ihre Tasche aufs Bett und funkelt mich aus ihren braunen Augen an.
„Wir sind nicht bloß Kolleginnen, wir sind auch Freundinnen, Charlotte. Rede also mit mir, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt."
„Über manche Dinge möchte ich aber nicht mit dir reden", erwidere ich möglichst ruhig.
„Wieso? Weil dein Problem dann plötzlich real wird?" Sie verschränkt ihre zierlichen Arme vor ihrer Brust und schnieft kurz. „Ich rede auch nicht gern über meine Beziehungsprobleme mit dir, aber es hilft mir. Verstehst du, ich will dir helfen, Charles. Das geht aber nicht, wenn du dich mir nicht öffnest. Ich bin immer für dich da, du musst mich aber auch lassen." Ich schüttle den Kopf, öffne den Reisverschluss meines kleinen Handgepäckkoffers und vermeide es, sie anzusehen.
„Noch ist nicht die Zeit, darüber zu reden. Ich muss erstmal herausfinden, was überhaupt los ist. Vorher werde ich mich hüten, mit dir darüber zu tratschen."
„Doch, genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt", widerspricht sie mir und ich strecke den Rücken durch, dehne meinen Nacken. Sie hat recht, aber das zuzugeben fällt mir schwer. „Raus mit der Sprache", fordert sie mich entschieden auf.

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