Nach dem dritten Becher Sangria fange ich an, mich richtig miserabel zu fühlen. Ich würde ja sagen, ich trinke nie wieder, aber das wäre gelogen. Stattdessen werde ich einfach nie wieder wetten; ja, das klingt realistischer ... Ein Schwall von Übelkeit steigt in mir auf und ich habe den ätzend sauren Geschmack meiner eigenen Kotze auf der Zunge, bevor ich mich mitten in den noch halbvollen Sangria-Eimer erbreche.
„Ih!", quietscht eine hohe Stimme schräg hinter mir. Das zierliche, dünne Mädchen mit den langen schwarzen Haaren und den Sommersprossen im Gesicht presst die Lippen so fest aufeinander, dass sie zu einer geraden Linie werden, was irgendwie witzig aussieht, sodass ich lachen muss. Mein Zwerchfell freut sich nicht über die Schwingungen, die das verursacht, und ich reiere schon wieder. Dag lacht neben mir und legt mir eine Hand in den Nacken.
„Komm, Alter, lass gut sein", meint er. „Soll ich dich nach Hause bringen?", fragt er mich.
„Nein", sträube ich mich. „Bring mir mal lieber 'ne Serviette oder so." Marlene reicht mir hilfsbereit ein Taschentuch und streicht mir die Haare aus der schweißfeuchten Stirn. Ich zucke vor ihrer Berührung weg.
„Dag hat recht, Vince, du solltest lieber nach Hause gehen."
„Dag hat nie recht", widerspreche ich nuschelnd. „Ich hab immer recht", füge ich noch hinzu.
„Marlene, pack doch mal mit an", fordert Dag unsere gemeinsame Freundin auf und sie umfasst meinen linken Arm, während er nach meinem rechten greift. Sie stellen mich umständlich auf die Füße.„Lasst mich in Ruhe", grunze ich und mache mich los. Leider fehlt mir das Gleichgewicht. Als ich vorwärts kippe, falle ich gegen Charlotte, die mich genauso geistesgegenwärtig abfängt wie Dag und Marlene. „Sorry", murmle ich.
„Ich rufe ein Taxi", beschließt Dag und ich fahre zu ihm herum.
„Digga, ich will nicht nach Hause, wie oft denn noch?", sage ich und mir wird schon wieder übel. Als die Hälfte von allem, was ich heute gegessen habe daraufhin im Sangria-Eimer landet, drückt Marlene mir das Teil in die Hand. „Wir gehen ins Bad, komm", fordert sie mich auf.
„Mann, was willst du hier denn noch?", fragt Dag, der mich entschieden aus dem Raum rausschiebt. „Du kannst zu Hause doch deine eigene Kloschüssel knutschen."Ich antworte nicht darauf. Die Wahrheit ist, dass Charlotte es mir angetan hat. Nicht nur so ein bisschen, sondern so richtig. Ich sehe mich nach ihr um, entdecke sie und schaue ihr kurz in die Augen. Hoffentlich hört es mit ihr nicht schneller auf, als es anfangen konnte. Es ... Was meine ich eigentlich damit? Meinen nächsten Onenightstand? Dafür verstehen wir uns beinah zu gut. Sie ist keine Frau für eine Nacht, zumindest macht sie nicht diese Art von Eindruck auf mich. Falls ich bei ihr unten durch sein sollte, lässt sie sich davon nichts anmerken, eher im Gegenteil. Sie steuert auf die Schwarzhaarige zu, die offenbar eine ihrer vielbesungenen Freundinnen ist. Kurz bevor Dag und Lenny mich aus der Küche schleifen können, werfe ich einen Blick zurück. Charlotte zwinkert mir zu. Oder bin ich so besoffen, dass ich mir das einbilde? Vielleicht hat sie recht und ich bin narzisstisch.
„Lenny, du kennst doch Charlotte, oder?", frage ich, während Dag mich im Badezimmer auf den Boden runterdrückt.
„Setz dich hin", fordert mein bester Freund mich auf.
„Dagi, kannst du mir was zu trinken holen? Ich will 'nen Eistee oder sowas, irgendwas Süßes."
„Ich bring dir Wasser, Whynee, du musst erstmal entgiften." Erst, als er verschwunden ist, bemerke ich Marlenes breites Grinsen.
„Ich kenne Charlotte gut, wieso fragst du?" Sie klimpert mit ihren langen Wimpern und ich blinzle sie verständnislos an.
„Weil sie heiß ist", antworte ich. Marlene lacht.
„Sie würde prima zu dir passen", befindet sie. An Dag, der zurückkehrt und sich eine Wasserflasche unter den Arm geklemmt hat, wendet sie sich mit einem offenherzigen: „Vincent hat sich verknallt."„Das habe ich so nie gesagt", protestiere ich.
„Ja, aber man sieht's dir an", fällt Dag mir ganz trocken in den Rücken. „Die Blonde. Aber nicht die, die du vorhin angequatscht hast, sondern die von der Couch. Charlotte, richtig?"
„Woran willst du das denn bitte erkannt haben, dass ich in die verknallt sein soll?", frage ich Dag.
„Digga, ich verbringe dreiviertel meines Lebens mit dir, ich weiß Dinge über dich, die weißt du selbst nicht mal", gibt er lachend zurück.
„Ich bin aber gar nicht in die verschossen, ich hab die wenn's hochkommt vor 'ner halben Stunde kennengelernt", maule ich verlegen. Marlene kichert neben mir.
„Ich kann's dir nicht verübeln. Charlotte hat ein einnehmendes Wesen, wenn ich das mal eben so poetisch ausdrücken darf."
„Hat sie?", fragt Dag mit hochgezogener Augenbraue und Marlene schnalzt mit der Zunge.
„Es geht gerade nicht darum, wie sie auf dich wirkt, sondern auf ihn."
„Achso", murmelt Dag. „Hat die so Eindruck bei dir geschindet?", wendet er sich an mich.
„Die is' niedlich", nuschle ich einigermaßen beschämt. Dag bricht daraufhin in schallendes Gelächter aus, genauso wie Lenny.
„Wie er rot wird", prustet Dag. „Als wärst du dreizehn, Alter." Er plumpst neben mir auf den Boden und begibt sich in den Schneidersitz. „Mann, Mann, Mann. Du hast das echt drauf, verknallst dich Hals über Kopf an 'nem Abend, an dem du kaum noch geradeaus laufen kannst."
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So genial
Fiksi Penggemar"Manchmal verlieben sich Menschen ineinander, ist das nicht genial? Ich meine, das ist doch der glücklichste Zufall von allen, oder? Du triffst diese eine Person und auf einmal wird dir wieder bewusst, wie viel Liebe du eigentlich im Herzen tragen k...