8 - How to Meet Cute (2/2)

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„Da bin ich." Vor mir ragt ein 2-Meter-Mann auf, der seinen Blick ungeniert an mir hinabgleiten lässt, allerdings nicht hungrig, sondern vielmehr systematisch prüfend. Ich werde seinen Standards scheinbar gerecht, jedenfalls spricht dieses Ergebnis aus seinen funkelnden braunen Augen, während er mich nahezu wahnsinnig angrinst.
„Das seh' ich", bestätige ich. Ungewöhnliche Begrüßungsfloskel, aber sein Lächeln hat etwas Sympathisches, Ansteckendes. Meine Mundwinkel krümmen sich automatisch nach oben. Ich lehne mich gegen die Wand und sehe ihn schief aus großen Augen an.
„Wie sagtest du, war noch gleich dein Name?", will mein Gegenüber wissen. Von Umschweife hat der wohl noch nie was gehört. Mir gefällt das. Ich mag es nicht, wenn Typen eindeutig Interesse hegen, den Mund aber partout nicht aufkriegen. Man(n) muss sich meine Gesellschaft verdienen.

„Charlotte", antworte ich ihm wahrheitsgemäß.
„Wie?", hakt er nach. Wahrscheinlich gibt es akustische Verständnisschwierigkeiten, die ich ihm nachsehen kann, schließlich ist das lärmende Stimmengewirr um uns herum nicht gerade unkompliziertes Hintergrund-Geplätscher.
„Charlotte", wiederhole ich meinen Namen also lauter.
„Ach: Charlotte!" Er zeigt einen Daumen hoch und trinkt einen Schluck Bier aus der Glasflasche, die er in seiner Rechten hält. „Komisch, ich hab beim ersten Mal was ganz anderes verstanden. Teresa oder so." Er zuckt die Schultern. Nach wie vor ist sein Gesichtsausdruck freundlich und aufgeschlossen.
„Knapp daneben", sage ich und zwinkere neckisch. Irgendwie finde ich ihn süß, er wirkt ein bisschen tollpatschig auf mich. Aber mit einer guten Portion Stolz. Etwas an seiner Souveränität ist gespielt. Sowas erschnuppere ich immer schnell.
„Ja, so fünf Buchstaben daneben." Er kratzt sich grinsend am Kopf, dann bemerkt er seinen Fehler. „Nee, warte. Sechs. Teresa hat sechs Buchstaben."
„Vielleicht auch sieben, falls ein h drin vorkommt, aber fünf auf keinen Fall. Zählen kannst du also schon mal nicht", trieze ich ihn.
„Ey, ich kann mega gut zählen", gibt er milde empört zurück. „Du hast vier kleine Muttermale. Drei am Hals. Und eins genau unter dem Auge." Überrascht fasse ich mir an den Hals und fahre über die kleinen Flecken auf der Haut, die er eben beschrieben hat. Ich schmunzle und beschließe mich einen Schritt vorzuwagen. Dieser Kerl ist süß und er scheint nett zu sein.
„Vier soweit du sehen kannst, ja", bestätige ich schnurrend. Er beugt sich vor und stützt sich mit einer Hand an der Wand ab, genau über meinem Kopf.
„Willst du die ganze Zeit hier stehenbleiben, oder sollen wir uns 'ne ruhige Ecke suchen, um vielleicht gemütlich im Sitzen weiter zu quatschen?"

In gespielter Ratlosigkeit fülle ich meine Wangen mit Luft. Langsam kristallisiert sich heraus, dass er genau mein Fall sein könnte. Definitiv nicht schüchtern, aber auch nicht unangenehm direkt. Das süße Hamstergesicht, das ich aufgesetzt habe, verwandle ich zu einem tiefen, verführerischen Blick in seine Augen.
„Lass uns doch schauen, ob sich irgendwo nebenan noch ein lauschiges Plätzchen findet." Selbstbewusst greife ich nach seiner Hand. Wir bahnen uns unseren Weg an den verschiedenen Partygästen vorbei; ich und der Fremde. Ich lächle, weil ich mich tatsächlich ausnahmsweise bei einem Flirt fühle, als wäre ich Herrin der Lage; ich schiebe Leute aus dem Weg und lasse mich dabei nicht von ihren schrägen Seitenblicken beirren. Zu überwältigend ist meine Neugier darauf, den schlaksigen, aber offensichtlich liebenswerten Typen kennenzulernen, den ich hinter mir her schleife.

Wir können uns zu zwei Mädels auf die Couch quetschen, von denen eine heult, während die andere sie tröstet. Nicht die ideale Geräuschkulisse, aber viel besser wird es - zumindest in dieser Wohnung - wohl nicht mehr werden.
„Wie heißt du nochmal?", stelle ich die Frage, die mir auf der Zunge brennt.
„Vincent", erwidert er. Bei dem Namen klingelt etwas entfernt in meinem Hinterstübchen, doch ich bin abgelenkt, denn im nächsten Augenblick sieht er dermaßen bedröppelt aus, dass ich mich umdrehe, um zu sehen, was er da anstarrt. Oder wen. Sie ist blond, schlank und trägt einen extravaganten Spitzenbody. „Oh", macht er leise.
„Hey, wir unterhalten uns gerade", wende ich mich schmollend an ihn. „Findest du es nicht unhöflich, die arme Frau so anzugaffen?" Vincent blinzelt, dann schüttelt er den Kopf und deutet auf die Blondine.
„Das ist Teresa", sagt er und ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch.
„Ich hab euch wohl verwechselt, ich -" Na, super. Genervt will ich aufstehen, aber er packt mich am Handgelenk. „Bitte bleib hier. Ihr seht euch ähnlich und ich bin fast besoffen." Er sieht zu ihr rüber und kneift angestrengt die Augen zusammen. „Wobei, so ähnlich seht ihr euch gar nicht, du bist viel hübscher als sie."

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